Mittelmaß als System

Die Zukunftsfähigkeit Österreichs steht auf dem Spiel.
Von Christof Skala
neue-redaktion@neue.at
Wieder entfachte Diskussionen um nicht korrekte politische Interventionen (Beispiel Wöginger) oder fehlende Einflussnahmen (Beispiel Führerscheinaffäre) werfen grundsätzliche Fragen auf. Statt mit ehrlicher Einsicht, reagiert die politische Führung mit Beschwichtigungsrhetorik.
In Österreich hat sich über Jahrzehnte eine Kultur verfestigt, die Exzellenz misstraut und Anpassung belohnt. Wer im öffentlichen Dienst oder in staatsnahen Betrieben aufsteigen will, muss in erster Linie konformes Verhalten bewiesen haben. Parteizugehörigkeit, Steuerbarkeit und persönliche Nähe zählen in der Republik seit Jahrzehnten mehr als Führungsstärke, Weitblick oder Mut zur Entscheidung. Derart Bestellte dienen oftmals weniger im Sinn des Gemeinwohls, sondern im Interesse derer, die sie befördert haben. Das trifft natürlich längst nicht für alle Personen zu, aber eine kritische Masse ist auszumachen. Jede Organisation ist nur so gut, wie ihre handelnden Köpfe.
Den gesellschaftlichen Preis für jahrzehntelangen Postenschacher und Freunderlwirtschaft sieht man an Missständen und verkrusteten Strukturen mit viel Selbstzweck. Dringende Reformen bleiben Überschriften, gute Ideen und Innovationen versanden in Arbeitsgruppen. Wer in der Institution zu viel Widerspruch wagt, wird ausgebremst; wer sich fügt, steigt auf. Das Mittelmaß befruchtet sich so selbst – nicht durch Zufall, sondern durch System.
Damit lähmen Politik und Verwaltung wirtschaftliches Tun, ersticken Eigeninitiativen und zerstören Vertrauen in staatliche Institutionen. Eine regelrecht kultivierte Absicherungsmentalität aus Angst, Fehler zu machen oder echte Verantwortung zu übernehmen, tut ihr Übriges.
Ausgangspunkt für das Aufbrechen von Strukturen und einer Beseitigung von Mittelmaß muss eine fundierte Selbstreflexion über bisherige Ergebnisse und Wirksamkeit im Tun sein. Österreich braucht keine Verwalter der Bequemlichkeit, sondern viel mehr Gestalter mit Managementqualitäten und Rückgrat. Zukunft entsteht dort, wo Mut stärker ist als Machtkalkül – und Verantwortung mehr zählt als Absicherung.
