International

Wie Staaten ihre Gegner ausspionieren

19.07.2021 • 19:31 Uhr
Das Headquarter der israelischen NSO Group in der Nähe von Tel Aviv.
Das Headquarter der israelischen NSO Group in der Nähe von Tel Aviv. (c) AFP (JACK GUEZ)

Mächtige Überwachungssoftware “Pegasus” soll Menschenleben retten.

“Wir arbeiten mit dem Ziel, Leben zu retten und eine bessere, sicherere Welt zu schaffen.” Diesen Satz formuliert die israelische Technologiefirma NSO als Unternehmens-Mission auf ihrer Webseite. Bekannt ist das Unternehmen für seine (mächtige) Überwachungssoftware “Pegasus”, die die Fernüberwachung von Smartphones ermöglicht. Die Technologie soll dabei helfen, Terrorismus und Verbrechen zu bekämpfen. Doch wie jetzt enthüllt wurde, haben viele Staaten die Spyware missbräuchlich verwendet und Späh-Angriffe gegen Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und politische Gegnern durchgeführt. Das aus der griechischen Mythologie bekannte geflügelte Pferd “Pegasus” entpuppt sich als trojanisches Pferd für die Gesellschaft.

Was ist geschehen?

Ein Journalistenkonsortium, an dem auch die deutschen Medien “Süddeutsche Zeitung”, NDR, WDR und die “Zeit” beteiligt sind, veröffentlichte am Sonntag Recherchen, wonach auf Smartphones von Journalisten, Menschenrechtlern, deren Familienangehörigen sowie Geschäftsleuten Spuren von Angriffen mit der Pegasus-Software entdeckt wurden. Pegasus nutzte Sicherheitslücken in Smartphone-Software, um weitreichenden Zugriff auf Daten zu erlangen. Von dem weltweiten Skandal sind auch ungarische Journalisten, Juristen, Oppositionelle und Geschäftsleute betroffen, berichtet das Onlineportal “Telex.hu” am Montag.

Weltweit nutzen staatliche Institutionen wie Geheimdienste Pegasus, um Zielpersonen umfassend und unbemerkt gläsern zu machen. “Wir verpflichten uns zum ordnungsgemäßen Einsatz unserer Technologie, um staatliche Sicherheits- und Nachrichtendienste beim Schutz ihrer Bürger vor Terror, Kriminalität und anderen großen Sicherheitsbedrohungen zu unterstützen. Wir nehmen diese Verpflichtung ernst und gehen jedem glaubwürdigen Vorwurf des Produktmissbrauchs nach”, erklärt die israelische-Softwarefirma. Seit 2016 hätte man deshalb fünf Kunden den Zugang zum System wieder entzogen. Der sechste, Saudi-Arabien, soll nun folgen.

Die Zero-Click-Infektion

Journalisten unter Beobachtung

Forensische Analysen belegen, dass auch der marokkanische Journalist Omar Radi mittels Pegasus gehackt wurde. Zuvor berichtete er mehrmalig über Korruption in Marokko, wenig später wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt. Der Vorwurf: Spionage. In Aserbaidschan – ein Land mit nur mehr wenigen unabhängigen Medien – kommt der Trojaner ebenfalls zum Einsatz. Hier wurden mehr als 40 Journalisten Ziel dieses geräuschlosen Angriffs. In Indien wurden fast alle großen Medienhäuser als potenzielle Ziele ausgewählt. Recherchen des Pegasus-Projekts identifizieren Journalisten von CNN, The New York Times, Associated Press und Reuters als weitere, potenzielle Ziele.

Ungleich brisanter ist der Fall Jamal Khashoggi. Der saudi-arabische Direktor der Tageszeitung Al-Watan – und Kritiker des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman – wurde im Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul hingerichtet. NSO bestritt stets alle Vorwürfe, dass Pegasus dabei eine Rolle gespielt habe. Im Zuge der Recherchen sind auch Beweise dafür aufgetaucht, dass Familienangehörige, Freunde und Kollegen Kashoggis vor und nach der Tat ausspioniert wurden.

Jamal Khashoggi
Zahlreiche Personen aus dem Umfeld Khashoggis wurden gezielt ausspioniert, darunter der Chefermittler, der den Mord aufklären sollte.AP

NSO weist die jetzt aufgekommenen Vorwürfe “entschieden zurück.” Man betont, dass NSO seine Technologien ausschließlich an Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste überprüfter Regierungen zum alleinigen Zweck der Rettung von Leben durch die Verhinderung von Verbrechen und Terrorakten verkaufte. Das Unternehmen fügt aber an: “NSO betreibt das System nicht und hat keinen Einblick in die Daten.” Es gebe nun einmal “inhärente Menschenrechtskonflikte im Zusammenhang mit unseren Produkten.”