International

Vor Gipfel: Streit um Budget spitzt sich zu

18.01.2024 • 09:12 Uhr
Viktor Orbán, Ursula von der Leyen: EU-Parlament verabschiedet heute eine Resolution und droht mit Klage <span class="copyright">AFP/Ludovic</span>
Viktor Orbán, Ursula von der Leyen: EU-Parlament verabschiedet heute eine Resolution und droht mit Klage AFP/Ludovic

Kurz vor dem Budget-Sondergipfel bezieht heute das EU-Parlament Position gegen Ungarn.

Die Nachwirkungen des Dezember-Gipfels erreichten nun auch das derzeit in Straßburg tagende EU-Parlament. Ursprünglich hatte Ungarn Veto gegen den Beginn der Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau eingelegt, dann war es aber doch zu einer Einigung gekommen: Der ungarische Premier Viktor Orbán hatte, angeregt vom deutschen Kanzler Olaf Scholz, für kurze Zeit den Raum verlassen, sodass die übrigen 26 Staats- und Regierungschefs einen formal einstimmigen Beschluss fassen konnten – unmittelbar zuvor hatte die EU-Kommission einen Teilbetrag der blockierten Gelder für Ungarn, mehr als 10 Milliarden Euro, freigegeben.

Sofort verbreitete sich die Erzählung, die EU-Kommission habe für die ungewöhnliche Lösung einem Erpressungsversuch Ungarns nachgegeben, zumal in der an sich wichtigeren Frage der Budget-Revision und des für die Ukraine vorgesehenen 50-Milliarden-Euro-Hifspakets erst recht eine Einigung am Veto Ungarns scheiterte.

Drohung an die Kommission

In zwei Wochen findet dazu in Brüssel ein Sondergipfel statt, doch mittlerweile brodelt es gewaltig, zumal die EU-Wahlen ihre Schatten vorauswerfen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versuchte gestern in Straßburg, das Bild zurechtzurücken: Die zehn Milliarden für Ungarn seien nur freigegeben worden, weil die damit verknüpften Bedingungen erfüllt worden seien, es würden immer noch mehr als 20 Milliarden zurückgehalten. Doch das Parlament gibt sich damit nicht zufrieden. Heute steht eine Resolution zur Abstimmung, die voraussichtlich mit großer Mehrheit (mit Ausnahme der Rechtsparteien wie der FPÖ) angenommen wird. Die Abgeordneten betonen in dem Entwurf, dass sich „die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn aufgrund der systematischen Maßnahmen seiner Regierung seit mehreren Jahren verschlechtert“ habe.

Das Parlament habe die Möglichkeit, alle ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Maßnahmen zu nutzen, „wenn die Kommission Mittel freigibt, ohne dass die Kriterien erfüllt sind“. Die Abgeordneten beauftragen nun den Rechtsausschuss, die notwendigen Schritte in Bezug auf den Beschluss der Kommission zu unternehmen, „um die Rechtmäßigkeit vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu überprüfen“. Eine klare Drohung, die auf die Kommission gemünzt ist. Für Ursula von der Leyen entsteht dadurch eine schwierige Situation; will sie, wovon derzeit auszugehen ist, auch nach den EU-Wahlen wieder in ihr Amt zurückkehren, braucht sie die Zustimmung des Parlaments. Bei ihrer Bestellung 2019 schaffte sie diese Hürde mit einem hauchdünnen Überhang von nur neun Stimmen. Das Parlament versucht nun beim Streit um Ungarn offensichtlich, das Momentum zu nutzen.

Ungarn im Fokus

Gleichzeitig fordert die Mehrheit der Abgeordneten, dass beim derzeit schon laufenden Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn endlich wieder etwas weitergeht. Schützenhilfe dafür gibt es vom aktuellen belgischen Ratsvorsitz. Man werde „nie die Hände in den Schoß legen, wenn es um die Verteidigung des Rechtsstaates geht“ und die „Arbeit vorantreiben“. Die österreichische SPÖ-Abgeordnete Theresa Bielowski ging einen Schritt weiter und verlangte die nächste Stufe des Verfahrens einzuleiten, mit dem das Stimmrecht Ungarns im Rat eingefroren werden könnte.

Der Zufall will es, dass ausgerechnet Ungarn in der zweiten Jahreshälfte den rotierenden Ratsvorsitz übernimmt. Präsident Charles Michel, der für das Parlament kandidiert und nicht mehr zur Verfügung steht, sagte kürzlich, wenn sich die Staats- und Regierungschefs bis Juni auf einen Nachfolger einigen würden, könnte verhindert werden, dass Orbán den EU-Gipfeltreffen vorsitzt.

50 Milliarden für die Ukraine

Beim Veto Ungarns gegen die 50 Milliarden Euro für die Ukraine lag zuletzt der Vorschlag am Tisch, dass der Betrag auf Jahressummen aufgeteilt und von Jahr zu Jahr neu verhandelt werde. Ungarn würde laut Kritikern damit immer neue Veto-Gelegenheiten bekommen. Dem Vernehmen nach könnte die Lösung aber darin bestehen, dass tatsächlich eine Aufteilung erfolgt, dass die in der Folge erforderlichen Beschlüsse dann aber mit qualifizierter Mehrheit zustande kämen.