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China wartet auf den großen Plan des Herrschers

05.03.2024 • 08:42 Uhr
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IMAGO/ Beijing

In China tagt der Nationale Volkskongress. Mitzureden hat er nichts. Der Wirtschaftskurs könnte aber spezifiziert werden.

Überall wird geschrubbt und gekehrt, die Hauptstadt Peking muss sich von ihrer schönsten Seite zeigen. Auch von ihrer disziplinierten, daher haben Parteimitglieder, Polizisten und Soldaten in den Straßen, in U-Bahn-Stationen und auf allen Brücken Stellung bezogen. Jede Unmutsäußerung im öffentlichen Raum muss verhindert werden, wenn sich die mächtigsten Politiker des Landes einmal im Jahr in Peking versammeln.

Der Nationale Volkskongress ist offiziell die gesetzgebende Körperschaft Chinas, die 3.000 Delegierten winken aber bloß die Vorgaben der Parteispitze durch. Die Zustimmungsrate zu den Gesetzen beträgt 98 Prozent. Außerdem gilt auch im kommunistischen China die alte Grundregel: Große Probleme werden in kleinen Gruppen geregelt, nur die kleinen Probleme in großen Gruppen.

Wirtschaftliche Unsicherheit

Der Volkskongress ist aber nicht nur das demokratische Feigenblatt des kommunistischen Regimes, er ist auch Stimmungsbarometer für die Machthaber. Und die Stimmung im Land ist schlecht, der versprochene wirtschaftliche Aufschwung nach dem Ende der Corona-Pandemie ist ausgeblieben.

Wenn der Volkskongress zusammenkommt, wird nichts dem Zufall überlassen. Sicherheit steht an oberster Stelle <span class="copyright">AFP/ Nicolas Asfouri</span>
Wenn der Volkskongress zusammenkommt, wird nichts dem Zufall überlassen. Sicherheit steht an oberster Stelle AFP/ Nicolas Asfouri

„Die Menschen in China dürsten nach konkreten Hinweisen, wohin wirtschaftlich die Reise gehen wird“, sagt Nis Grünberg vom MERICS-Institut für China-Studien, „derzeit ist aber kein realistischer Plan erkennbar.“ Grünberg zweifelt allerdings daran, dass bei diesmal maßgebliche Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik verkündet werden. „Sicherheit und Kontrolle werden weiterhin der Kern der Wirtschaftspolitik Xi Jinpings bleiben“, meint Grünberg.

Li Qiangs Rede

Der Nationale Volkskongress ist traditionell eine Veranstaltung des Regierungschefs, heuer muss Ministerpräsident Li Qiang seinen ersten Tätigkeitsbericht vorlegen. Li Qiang hat im Vorjahr die Nachfolge von Li Keqiang angetreten, der danach überraschend gestorben ist. Li Qiang muss die Vorgaben Xi Jinpings in konkrete Wirtschaftspolitik umsetzen. Die übliche Pressekonferenz des Ministerpräsidenten vor chinesischen und ausländischen Journalisten nach Ende des Volkskongresses ist gestern überraschend abgesagt worden, das gilt auch für die kommenden Jahre.

Der Volkskongress ist eine riesige Inszenierung - wie hier am Tian’anmen-Platz <span class="copyright">AP/Mark Schiefelbein</span>
Der Volkskongress ist eine riesige Inszenierung - wie hier am Tian’anmen-Platz AP/Mark Schiefelbein

Die heutige Rede Li Qiangs wird also der einzige Anhaltspunkt für die künftige Wirtschaftspolitik Chinas sein. Auf zwei konkrete Zahlen warten Parteikader und Experten: das prognostizierte Wirtschaftswachstum und das Verteidigungsbudget. Ein Wachstum über 5 % gilt als unwahrscheinlich, während die Ausgaben fürs Militär vermutlich auch heuer stärker steigen werden als die Wirtschaft.

Neuer Außenminister

Ein neuer Schwerpunkt der chinesischen Wirtschaftspolitik könnte die Künstliche Intelligenz werden, von der man sich neue Wachstumsschübe verspricht. Generell bleiben Chinas Staatslenker wohl ihrem staatskapitalistischen Kurs, auch „Xiconomics“ genannt, treu. Also massive Subvention der Staatsbetriebe, während private Haushalte kaum entlastet werden. Vom klaren Primat der politischen Kontrolle über die chinesische Wirtschaft wird ohnehin nicht abgerückt – eher im Gegenteil, manche Ökonomen befürchten einen stärkeren Zugriff der Partei.

Vor der Großen Halle des <span class="copyright">Volkes in Peking APA/ AFP/ Wang zhao </span>
Vor der Großen Halle des Volkes in Peking APA/ AFP/ Wang zhao

Spekuliert wird auch über einen neuen Außenminister. Nach dem Verschwinden und der Absetzung von Qin Gang im Vorjahr, hat sein Vorgänger Wang Yi das Außenamt provisorisch übernommen. Möglicherweise könnte am Nationalen Volkskongress ein neuer Außenminister präsentiert und abgesegnet werden, Garantie dafür gibt es freilich keine. Dennoch werden bereits erste Namen für diesen Top-Job gehandelt. Wichtigste Voraussetzung: absolute Loyalität gegenüber Xi Jinping.

Der wohl meist bewachte Platz im ganzen Land... <span class="copyright">APA</span>
Der wohl meist bewachte Platz im ganzen Land... APA

Spuren von Reformen

Diese Loyalität hat Ministerpräsident Li Qiang längst bewiesen, doch niemand kann bisher abschätzen, ob er im Gegenzug dafür auch politischen Spielraum von Xi Jinping erhalten hat. Eine neue Wirtschaftspolitik ist bisher jedenfalls nicht erkennbar. Im Gegenteil, es kriselt in der Immobilienbranche, an den Finanzmärkten, im Privatsektor und beim Konsum. Die Rede Li Qiangs vor dem Volkskongress wird daher sehr genau studiert werden. Möglicherweise könnte sie Spuren von Reformen enthalten.