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Druck auf Viktor Orbán und sein System wächst

27.03.2024 • 16:31 Uhr
Druck auf Viktor Orbán und sein System wächst
AFP/ Ferenc Isza

Péter Magyar legt eine für Viktor Orbán, sein System und die ungarische Justiz äußerst brisante Tonaufnahme vor.

Ungarns Politiker der Stunde, Péter Magyar, ließ eine Bombe platzen, die nachhaltige Auswirkungen auf das politische Leben des Landes haben könnte. Magyar veröffentlichte einen knapp zweiminütigen Mitschnitt, den er im Jänner 2023 in einem privaten Gespräch mit seiner damaligen Ehefrau Judit Varga heimlich aufgenommen hatte, als diese noch Justizministerin (2019-2023) war. Laut eigener Aussage sah er sich genötigt, die geheime Tonaufnahme zu machen, nachdem ihm Varga anvertraut hatte, dass es aus dieser „Mafia-Regierung“ kein Entrinnen für sie gäbe. Dienstagabend folgten Tausende Magyars Protestaufruf gegen Premier Viktor Orbán.

Manipulierte Ermittlungsakten

Aus dem Mund von Ex-Justizministerin Varga ist auf dem Mitschnitt unter anderem zu hören, dass der mächtige Propaganda- und Geheimdienstminister Ungarns und engste Vertraute von Premier Orbán, Antal Rogán, Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft manipulieren ließ. In Zusammenhang mit einem Korruptionsskandal auf höchster politischer Ebene habe er der Staatsanwaltschaft aufgetragen, seinen eigenen Namen aus den Dokumenten verschwinden zu lassen. Dabei habe ihm Ungarns Generalstaatsanwalt Péter Polt assistiert.

(FILES) Hungary's Justice Minister Judit Varga arrives for a Justice and Home Affairs Council at the EU headquarters in Brussels on March 10, 2023. Hungarian President Katalin Novak, a close ally of Prime Minister Viktor Orban, announced her resignation on February 10, 2024 following outrage over a pardon granted to a man implicated in a child sexual abuse case. Soon afterwards another Orban supporter, former justice minister Judit Varga, announced she was withdrawing from public life over the affair. (Photo by Kenzo TRIBOUILLARD / AFP)
Ex-Justizministerin Judit Varga AFP

Vargas Reaktion

Unmittelbar, nachdem die Tonaufzeichnung publik geworden war, meldete sich auch Judit Varga zu Wort. Ihr Facebook-Eintrag beginnt so: „Schockierend. Péter Magyar hat es wirklich getan.“ Varga setzt fort, dass Magyar sie seit Langem „erpresst“, um aus der Sache politisches Kapital zu schlagen. Außerdem erklärt die ehemalige Justizministerin, dass sie die Aussagen im „Zustand der Einschüchterung“ gemacht habe. Aus Angst vor ihrem Ex-Ehemann habe sie ihm gesagt, „was er hören wollte“. Varga beschreibt ihren Ex-Mann als „böse“ und „narzisstisch“. Das Bild von Magyar, der vor häuslicher Gewalt nicht zurückschreckt, wird auch von der Regierung und gleichgeschalteten Medien ausgeschlachtet.  

Druck auf Viktor Orbán und sein System wächst
Polit-Hoffnung und Jurist Péter Magyar. AFP

Magyars Aufstieg

Magyar, Ex-Leiter der staatlichen Behörde für die Vergabe von Studentenkrediten, trat im Februar als nahezu unbeschriebenes Blatt an die Öffentlichkeit, nachdem Staatspräsidentin Katalin Novák und seine Ex-Frau über eine Begnadigung in einem Pädophilie-Skandal gestolpert waren und zurücktreten mussten. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt legte Magyar als Insider prompt brisante Informationen über das „korrupte“ und „mafiöse“ Innenleben von Orbáns Machtapparat offen.

Am 15. März kündigte er bei einer Kundgebung auch schon die Gründung einer Partei der „nationalen Einheit“ an, die als „ideologiefreie“ Kraft der Mitte nicht nur die korrupte Regierung, sondern auch die „diskreditierte“ linke Opposition aus dem Feld schlagen wolle. Am Dienstagabend hielt Magyar mit Tausenden Anhängern eine weitere große Anti-Orbán-Demonstration ab, um den Rücktritt der ungarischen Regierung zu fordern.

Analyse

Laut dem Analysten des Politikforschungsinstituts Republikon, Dániel Mikecz, kann die Tonaufzeichnung der Regierung vorläufig nichts anhaben, weil diese über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügt. Andererseits könnte der von Péter Magyar geschickt kanalisierte Unmut der Gesellschaft die Regierung noch in Bedrängnis bringen, so Mikecz. Nach Meinung des Politologen Zoltán Vasali würde solch eine Tonaufnahme „in jedem westeuropäischen Land zu einer schweren Regierungskrise führen“. Wie er sagte, hat die Orbán-Regierung ähnlich brenzlige Situationen aber schon öfter ausgesessen.