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Warum Irans Reformer im Aufwind sind, aber doch am kürzeren Ast sitzen

25.06.2024 • 12:58 Uhr
June 23, 2024, Tehran, Iran: Iranian presidential reformist candidate MASOUD PEZESHKIAN C attends at his election campaign meeting at Shiroudi Stadium in Tehran. Iran s Guardian Council has approved six candidates to compete in the upcoming presidential election to succeed the late President Ebrahim Raisi. President Raisi was killed in a helicopter crash alongside seven other officials back in May. The presidential election is scheduled to be held on 28 June 2024. Tehran Iran - ZUMAf146 20240623_zip_f146_040 Copyright: xRouzbehxFouladix
Der iranische Präsidentschaftskanditat der Reformisten, Massud Peseschkian, am 23. Juni in Teheran.Rouzbeh Fouladi

Vor der Präsidentschaftswahl versprechen selbst Hardliner Veränderungen, das letzte Wort hat aber Revolutionsführer Khamenei.

Irans Reformer sind kurz vor der Präsidentschaftswahl am Freitag im Aufwind. Ihr Kandidat Massud Peseschkian wirbt im Wahlkampf für Veränderungen, und sogar konservative Bewerber kritisieren die derzeitigen Zustände. Ob sich im Iran viel ändern kann, entscheidet aber nicht der künftige Präsident, sondern Revolutionsführer Ali Khamenei. Er warnt, die Politiker sollten bei der Debatte über Reformen und einen Ausgleich mit dem Westen nicht zu weit gehen. Sein Regime unterstreicht die Botschaft, indem es Kritiker festnehmen lässt.

Von Regime zugelassen

Peseschkian, ein 69-jähriger Herzchirurg und Ex-Gesundheitsminister, ist der einzige Reformpolitiker unter den sechs Präsidentschaftskandidaten, die Khameneis Regime zur Wahl zuließ. Peseschkian und die beiden aussichtsreichsten konservativen Bewerber, Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf und der frühere Atom-Unterhändler Said Dschalili, liegen in Umfragen bei jeweils 20 bis 30 Prozent der Stimmen.

IRAN-POLITICS
Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei. APA/AFP/KHAMENEI.IR

Bei einem solchen Ergebnis würde eine Stichwahl am 5. Juli nötig, weil kein Kandidat auf Anhieb mehr als 50 Prozent bekäme. Allerdings können Kandidaten noch vor Freitag zugunsten eines Rivalen ihre Bewerbung zurückziehen, um ihn über die 50-Prozent-Marke zu hieven.

Gestaltungsspielraum gering

Als einziger Vertreter des Reformlagers zieht Peseschkian Aufmerksamkeit auf sich, auch wenn er bei Wahlkampfauftritten einräumt, dass sein Gestaltungsspielraum als Präsident gering sein würde. Experten wie Alex Vatanka vom Nahost-Institut in Washington sehen Peseschkians Zulassung zur Wahl als Versuch von Khamenei, die Wahlbeteiligung hochzutreiben, um eine Legitimationskrise des Regimes zu vermeiden. Bei der letzten Präsidentenwahl 2021 waren 48,5 Prozent der Iraner zur Wahl gegangen, der niedrigste Wert seit Bestehen der Islamischen Republik.

Iraner unter 30 stellen mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Viele von ihnen sind desillusioniert und wollen zu Hause bleiben: Unter dem Hashtag #ElectionCircus drücken sie auf der Plattform X ihren Frust aus. Kurz vor der Wahl deutet nichts darauf hin, dass Peseschkians Kandidatur diese wichtige Wählergruppe zur Urne bringen wird: Laut einem regierungsnahen Institut wollen nur 45,5 Prozent der Wähler abstimmen.

Kritik an Status quo

Peseschkian kritisiert die Kopftuchpflicht für Frauen und die Religionspolizei und unterstützt die Protestbewegung, die das Regime vor zwei Jahren nach dem Tod der jungen Mahsa Amini im Gewahrsam der Sittenwächter mit Massendemonstrationen erschütterte. Die Reformer hatten viele Iraner während der Regierungszeit des Reform-Präsidenten Hassan Ruhani von 2013 bis 2021 enttäuscht. Im Vergleich zu Wirtschaftsmisere und der Korruption unter dem im Mai bei einem Hubschrauberabsturz verstorbenen Präsidenten Ebrahim Raisi wirkt die Ruhani-Ära aber beinahe wie eine goldene Zeit.

Neben Peseschkian wenden sich auch konservative Kandidaten wie Ghalibaf gegen die Politik des verstorbenen Präsidenten. Sie versprechen Reformen im Gesundheitswesen, um die massenhafte Abwanderung von Ärzten zu stoppen, und wollen mit dem Westen über den Abbau der Sanktionen sprechen. Raisi hatte die Verhandlungen mit dem Westen scheitern lassen. Ghalibaf stellt den Iranern zudem ein besseres Management der Wirtschaft und mehr staatliche Hilfe für die Armen in Aussicht.

So oder so: Der neue Präsident wird nichts an der Macht von Revolutionsführer Khamenei ändern können, der bei allen wichtigen Fragen der Islamischen Republik weiterhin das letzte Wort haben wird.

IRAN-ELECTION/YOUTH
Im Iran kam es nach dem Tod von Mahsa Amini zu Protesten. Amini starb, nachdem sie von der sogenannten “Sittenpolizei” verhaftet worden war. reuters