Sens Unik: “Hip-Hop ist erwachsen geworden”

Sens Unik aus Lausanne gehören zu den Urgesteinen des Schweizer Hip-Hops. Nach über 15 Jahren Pause haben sie sich für diesen Festivalsommer wieder zusammengefunden. Die NEUE hat letzten Freitag beim SummerDays Festival in Arbon mit der Band gesprochen.
Nach all den Jahren – wie ist es, jetzt wieder auf der Bühne zu stehen?
Carlos Leal: Auf der Bühne zu stehen ist magisch. Nicht nur, weil wir zurück sind, sondern weil die Leute tatsächlich auf uns gewartet haben. Sie empfangen uns mit offenen Armen und einer wirklich warmen Atmosphäre. Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir haben hart gearbeitet, um auf der Bühne so gut wie möglich zu sein. Wir wussten, dass es Spaß machen würde, aber wir wussten nicht, wie das Publikum reagieren würde. Und dann sagen die Leute: „Wir sind so froh, dass ihr wieder da seid!“ Das ist das Schönste daran. Diese Verbindung, diese Art von Kommunion zwischen uns und dem Publikum.

Sie sind seit 35 Jahren im Geschäft. Wie hat sich Hip-Hop in dieser Zeit verändert?
Leal: Es hat sich viel verändert. Aber wir sind nicht unbedingt für die jungen Leute da, vielleicht kommen sie mit ihren Eltern. Hip-Hop ist erwachsen geworden, und die erste Generation freut sich, hier zu sein. Früher war Hip-Hop eher ein Kollektiv, fast schon eine Bewegung. Wenn wir vor der Rapmusik sprechen, meinen wir, wir waren Breakdancer. Das war 1981, 1982. In Lausanne waren wir vielleicht 10, 15 Leute, die daran geglaubt haben. Die anderen Leute haben uns ausgelacht. Und jetzt ist es Mainstream, die größte Musikrichtung überhaupt. Wir sind nicht hier, um junge Rapper zu ersetzen. Sie sind die heutigen Stars. Aber wir sind hier, um zu zeigen, wie alles angefangen hat.

Haben Sie sich am Anfang nach Frankreich orientiert?
Jiggy Jones: Nein, unsere Hauptinspiration war der amerikanische Hip-Hop. In den späten 1980ern und frühen 90ern gab es kaum französischen Rap. Also war die USA unsere Referenz. Wir waren Teil der ersten Welle des französischen Raps, zusammen mit MC Solaar, IAM, NTM – wir gehörten zur gleichen Generation.

Also hatten Sie damals schon Kontakt zur Szene in Frankreich?
Leal: Ja, sehr viel. Wir haben viele Features mit ihnen gemacht, gemeinsam Konzerte gespielt. Und wir hatten Glück: In Deutschland war Hip-Hop anfangs groß im Breakdance und Graffiti, Rap noch nicht. Dann kamen Fanta 4, Freundeskreis, Afrob – unglaublich. Wir hatten eine sehr bekannte Single mit Fanta 4. Und du, Deborah, hattest auch einen großartigen Song mit Freundeskreis. Fanta 4 mochten uns sehr und haben uns nach Deutschland mitgenommen. Das hatte auch Einfluss auf das Publikum in der Deutschschweiz.
Aufgrund französischer Texte werden Sie von vielen in der Deutschschweiz, in Deutschland und Österreich nicht direkt verstanden. Wie gehen Sie damit um?
Leal: Das war schon immer so – und wir waren immer überrascht, wie positiv das Publikum reagiert hat. Da ist etwas, das über die Sprache hinausgeht – Energie, Vibes, Positivität, Karma. Emotionen. Viele Leute gehen zu amerikanischen Rap-Konzerten, ohne ein Wort zu verstehen – aber sie fühlen es trotzdem. Es geht um die Energie.

Heute waren Sie auch mit politischen Botschaften zu Palästina und Ukraine auf der Bühne. Welche Rolle spielt dabei die Musik?
Jones: Wir glauben nicht, dass wir damit direkt etwas verändern können. Aber als Künstler ist es wichtig, unsere Plattform zu nutzen, um unsere Meinung zu sagen. Wir sind Menschen. Man kann nicht einfach zusehen, was in der Welt passiert, ohne etwas zu sagen. Auch wenn wir die Welt nicht ändern können, wir können zumindest darüber sprechen.
Den Song „Le vent tourne“ haben Sie heute nicht gespielt. Es ist ein Lied über Diskriminierung. Ist das noch immer ein Thema?
Leal: Natürlich. Diese Welt steht an einem Wendepunkt. Wir erleben Dinge, die wir seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben – schreckliche Dinge. Es geht nicht nur um den Nahen Osten oder geopolitische Themen. Es geht auch um Minderheiten, LGBTQ+, wieder erstarkenden Rassismus. Die Menschheit scheint nicht zu lernen. Manchmal muss man einfach da sein und daran erinnern: Wir müssen besser werden. Es klingt vielleicht moralisch, aber wenn wir es nicht tun – wer dann?

Dieses Jahr konnte man Ihre Rückkehr auf einigen Festival-Bühnen erleben. Gibt es weitere Pläne oder war es das vorerst mit der Rückkehr?
Leal: Der Plan war: Wir hatten keinen Plan. Wir wollten ein Comeback für den Festivalsommer – mehr nicht. Aber die Reaktionen sind viel größer, als wir erwartet haben. Jetzt ruft jeder an. Alle wollen Sens Unik, im Winter, für nächsten Sommer. Wir wollten nur ein bisschen Spaß haben, ein paar Festivals, und das war’s.
Kann man sich auf neue Songs oder gar ein Album von Sens Unik einstellen?
Leal: Noch nicht. Wir wollten keine neuen Songs machen. Aber wie mit den Konzerten ändert sich das vielleicht noch. Wir lassen uns treiben. Wir wollten einfach Spaß haben. Und bisher funktioniert es.
Daniel Furxer