Kirche

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse

05.11.2024 • 18:09 Uhr
Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse
Jerome Klauser als Nikolaus und Knecht Ruprecht Bernd Rauch. hartinger (10)

Im Dornbirner Hatlerdorf findet seit vielen Jahren die sogenannte Nikolausschule statt. Hier lernen angehende und auch erfahrene Nikoläuse alles darüber, wie man Kindern ein Lächeln ins Gesicht zaubert und sie nicht nachhaltig traumatisiert.

“Wo bekomme ich einen guten Bart her?“ Diese Frage mag im ersten Anschein etwas verrückt klingen, nicht aber, wenn man den Anlass kennt. Die Nikolausschule im Pfarrheim Hatlerdorf in Dornbirn bietet Neueinsteigern, aber auch erfahrenen Nikoläusen die Möglichkeit, sich auf die Hausbesuche vorzubereiten. Sie ist keine Verpflichtung, aber bei den Teilnehmern durchaus nachgefragt. 22 Personen sind in diesem Jahr angemeldet. Sie kommen aus dem ganzen Land, Raum Feldkirch, Dornbirn, Bregenz und sogar aus Bludenz.

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse
Die Schulung war gut besucht.


Das Nikolauskostüm liegt auf dem Tisch, das Kreuz steht bereit. Corinna Peter, von der jungen Kirche Vorarlberg, lässt die Leinwand herunter, in einem Hinterraum klappern Gläser. Nach und nach füllt sich der Tisch seitlich im Raum mit Getränken und kleinen Snacks. Aber nicht nur der Tisch füllt sich, auch im Pfarrheim trudeln mehr und mehr Menschen ein.
Trotz der eisigen Kälte und der schon lange eingebrochenen Dunkelheit finden immer mehr Menschen auf den Stühlen Platz. Das Publikum ist bunt gemischt. Von älteren Herren, über junge Männer und sogar drei Frauen ist alles dabei. Sie alle wollen es richtig machen: Kindern eine Tradition näherbringen und ihnen ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse
Mario Bitschnau hat selbst bereits viel Praxiserfahrung gesammelt.

Zwei Teile

Die Nikolausschulung gliedert sich in zwei Teile: Einen theoretischen und einen praktischen Teil. Im Theorieteil lernen die 22 Teilnehmer und Teilnehmerinnen alles über das richtige Vermitteln der wichtigen Botschaft, ein authentisches Auftreten und unangenehme Situationen. Kugelschreiber klicken, Notizblöcke werden gezückt. „Was ich euch sage, könnt ihr nicht 1:1 aufschreiben und in die Häuser mitnehmen. Aber es kann euch als Werkzeug dienen“, sagt Hanspeter Sutterlüty.
Er ist Theologe und führt die angehenden Nikoläuse in die Glaubensaspekte des Brauchtums ein. Mario Bitschnau ist für den praktischen Teil zuständig. Er ist selbst seit vielen Jahren als Nikolaus unterwegs und kennt genügend Tipps und Tricks, um die Hausbesuche gut hinter sich zu bringen. Seit er 18 Jahre alt ist, macht er sich bereits jedes Jahr auf den Weg. „Zu runden Jubiläen denke ich mir jedes Mal, jetzt höre ich auf. Mittlerweile denke ich mir: Jetzt habe ich das 25 Jahre lang gemacht, dann kann ich die 50 Jahre auch noch voll machen“, lacht Bitschnau.

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse
Hanspeter Sutterlüty an der Gitarre.

„Die leuchtenden Kinderaugen zu sehen, ist jedes Jahr aufs Neue etwas ganz Besonderes. Gerade in der jetzigen Zeit, wenn die Berichterstattungen voll von negativen Schlagzeilen sind, ist es für mich entscheidend, für einen Abend zumindest die heile Welt, den Frieden ins Haus bringen zu können.“ Er sieht es als Privileg und als Chance, von Haus zu Haus gehen zu können. Auch Hanspeter Sutterlüty heißt die Gäste herzlich willkommen. „Ich gratuliere, dass ihr euch Zeit nehmt, um euch weiterzubilden“, fängt der Theologe an. „Ich habe in Innsbruck bei Krampusläufen ziemlich viel Negatives erlebt. Das reichte bis zu Verletzungen.“ Als Lehrer in einer Schule hörte Sutterlüty auch alle möglichen Gräuelgeschichten, bis es ihm reichte. „Ich möchte euch heute einfach ein paar theologische und psychologische Aspekte mit auf den Weg geben. Ihr sollt es besser machen können“, fährt Sutterlüty fort. „Nikolausdarsteller oder Darstellerin zu sein, ist eine sehr verantwortungsvolle und seltene Aufgabe.“

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse
Auch die Utensilien wurden vorgestellt und erklärt.

Kirche im Wandel

Einen weiteren Aspekt, den Sutterlüty hervorhebt, ist die Entwicklung der Kirche. Bisher war die Kirche laut dem Theologen eine sogenannte „Komm-her-Kirche“. Die Leute wurden aufgefordert, in die Kirche zu kommen. Dort wurde ihnen gesagt, was zu tun sei. Mittlerweile verstehe sich die Kirche als „Geh-hin-Kirche“. „Für mich gibt es zwei Aspekte, bei denen das gelebt wird. Das sind der Nikolausbrauch und das Sternsingen.“ Es sei eigentlich ein Eindringen in die tiefste Intimsphäre, bis ins Wohnzimmer eines Hauses, um eine frohe Botschaft zu verkünden. „Was Sternsinger schaffen, schafft kein Papst“, so Sutterlüty.

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse
Nach der Anprobe der Kleidung.

Keine Angstmache

Es ist weit verbreitet, dass Kinder vor dem Besuch des Nikolaus Angst haben. Oder besser gesagt, vor dem Besuch des Krampusses. Es ist quasi Tradition, dass Kinder vor dem Nikolaus und dem Rest der Familie bloßgestellt werden. Sie müssen versprechen, sich zu bessern und aufzählen, was im vergangenen Jahr nicht gut gelaufen ist. Viele Erwachsenen sind heute noch traumatisiert, wenn das Thema Nikolaus fällt. Das zu ändern, ist Sutterlüty und Bitschnau ein großes Anliegen.

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse
Lektüre als Hilfestellung für die angehenden Nikoläuse.


„Religiöse Bräuche können positiv, aber auch komplett negativ wirken.“ Das Gottesbild der Menschen und vor allem auch schon der Kinder würde sehr stark geprägt. „Der Nikolaus ist für Kinder ein Himmelsmann. Der kann Blödsinn machen, oder er kann es gut machen“, sagt Sutterlüty. „Die Botschaft des Nikolaus hat sich verschoben. Sie ist zur Drohbotschaft geworden und das ist eine negative Entwicklung. Der Nikolaus muss wissen, was seine Rolle ist und was nicht.“ So versuchen Hanspeter Sutterlüty und Mario Bitschnau den Teilnehmenden zu vermitteln, dass es nicht von Vorteil ist, den Kindern Angst zu machen, sondern Änderungswünsche der Eltern positiv formuliert werden sollten. „Putzt du eh immer fleißig die Zähne vor dem Schlafengehen? Das ist wichtig“, hat eine andere Wirkung, als „Ich habe gehört, dass du deine Zähne nicht putzt. Das machen artige Kinder nicht.“

Es geht darum, die Kinder nicht bloßzustellen. Der Nikolausbesuch ist keine Prüfung.

Mario Bitschnau, Nikolaus


Auch der Krampus sollte nicht als “Angst machender Erziehungsgehilfe” benutzt werden. Den berüchtigten Zettel des Nikolaus‘, mit einer Liste an positiven und negativen Eigenschaften und Taten der Kinder, hält Bitschnau für sinnlos. „Man kann alles positiv formulieren. Es geht darum, die Kinder nicht bloßzustellen. Der Nikolausbesuch ist keine Prüfung.“

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse
Mario Bitschnau erklärt die einzelnen Teile des Kostüms.


Auch die Verkörperung des Schnuller-Diebes halten die beiden für nicht sinnvoll. „Das Kind spürt, dass es dem Nikolaus etwas geben musste, was es eigentlich gar nicht hergeben wollte. Es ist, als würde man eine Phase der Kindheit abgeben“, resümiert Sutterlüty.

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse


Solche Erfahrungen hinterlassen ein Leben lang negative Spuren. „Wenn das Kind dir den Schnuller freiwillig gibt, dann ist es okay. Aber selbst dann gebe ich ihn an der Haustüre wieder den Eltern zurück, falls er doch nochmals benötigt wird“, lacht Bitschnau. „Es sollte einfach nie ein Zwang sein.“

Seit 47 Jahren dabei

Die Schulung gestaltet sich sehr interaktiv. Fragen können jederzeit offen gestellt werden und die einzelnen Teilnehmer und Teilnehmerinnen geben sich untereinander Ratschläge und Hinweise. Ein älterer Herr ist seit 47 Jahren als Nikolaus unterwegs. Er teilt seine Erfahrungen im Raum und macht den Neuanfängern und Neuanfängerinnen Mut. Mit der Zeit lockert sich die Stimmung, die Teilnehmenden werden mutiger, Fragen in die Runde zu stellen.

Eine Schule von Nikoläusen für Nikoläuse

Spätestens, als Hanspeter Sutterlüty seine Gitarre herausholt und zu einer Nikolaus-gemäß abgewandelten Version von „Lasst uns froh und munter sein“ anstimmt, fallen die Barrieren. „Wir wünschen euch ganz viele leuchtende Kinderaugen.“ Mit diesen Worten schicken Corinna Peter, Verena Kienreich, Hanspeter Sutterlüty und Mario Bitschnau die angehenden Nikoläuse ins große weite Vorarlberg hinaus.