Clara Fureys Zerlegung der Körper

Stefan Hauer
Das tanz ist Festival eröffnete am Wochenende mit zwei Performances der kanadischen Choreografin Clara Furey.
In Sportschuhen steht der Tänzer auf der weißen Folie auf der zum Quadrat gemachten Bühne. Die zwei anderen liegen auf dem Boden und bewegen einzelne Teile ihres Körper wie in Zeitlupe und wieder zurück, mechanisch zur elektronischen Vibration der Musik. Körper verknoten sich, erheben sich ins schummrige rote Licht und schlagen in Dauerschleife in die Luft.
Hüftbewegungen tragen die Tänzer über den Boden und sorgen für eine künstliche Sinnlichkeit, die vom Kontext abgekoppelt in der Bewegung eine ganz eigentümliche Ästhetik erzeugen. Körper kippen zur Seite, die Blicke schweifen ab ins Leere, Beine wippen simultan. Die Bewegungen sind beständig aneinandergereiht im immer wiederkehrenden Rhythmus eines endlosen Moments.

Mechanisch
In der Choreographie zerlegt die Künstlerin Clara Furey das Tänzerische in ihre Einzelteile und verwandelt die Individuen in mechanische Figuren, die eintönig und gleichförmig nur mehr zur Bewegung werden. Der Körper tanzt, nicht die Person. Es sind primitive Gesten, die manchmak sexuell und manchmal yogaähnlich durch ihre in sich wiederholten Formen starke emotionale Kraft ausdrücken. Es geht um Ausdauer, um Beharrlichkeit, die im Zusammenspiel mit den farblich wechselnden Lichtern und dem Sounddesign das Publikum in einen meditativen, fast hypnotischen Raum versetzen, in dem die körperliche Präsenz auf außergewöhnliche Weise sichtbar wird.

Furey zeigt, was hinter den Bewegungen steckt, öffnet eine Ebene zur intensiven Wahrnehmung, wo Tanz komplett abstrahiert die Grenze zum Abstrakten überschreitet. Die Person wird zum Rohen in Farbe getauchten Körper, einer Rot einer Gelb und einer Blau. Man hört sie atmen, hört die Bewegungen durch ihre Organe fließen, hört, wie die Sohlen auf dem Boden rutschen. Die Tänzer starren abwesend ins Leere, oder lächeln maskenhaft ins Publikum, wenn sie im synchronen Trance beim Publikum vorbeiziehen. Die Musik wird lauter, leiser, das Licht flackert vom gleißenden Weiß ins Blaue.
Dunkelheit
Mit Dog Rising erforscht Clara Furey die Zirkulation physischer Materie und die Schwingungen unserer Körper. Am Samstag war sie vor der Premiere auch selbst auf der Bühne zu erleben. Extra für die Galerie Krafthaus hat sie eine gekürzte Version ihrer Performance „Rather a Ditch“ gezeigt, in der ebenfalls der Fokus auf zyklischen Bewegungen liegt.
Anstatt mit Farbe und Licht wie in Dog Rising spielt die Choreografie mit der Dunkelheit und den inneren Kämpfen zwischen Leben und Tod. Mit ihren Werken überschreitet Furey die Grenzen des zeitgenössischen Tanzes und bietet dem Publikum eine zum Nachdenken anregende und eindringliche Erfahrung. Ihre Arbeiten waren auf zahlreichen Festivals zu sehen, darunter die Biennale von Venedig, Les Rencontres Chorégraphiques in Paris, das Festival TransAmériques in York City, Fierce Festival in Birmingham und in verschiedenen Ländern wie Litauen, Tschechien, der Slowakei, Spanien, den Niederlanden, Belgien, Deutschland, Aserbaidschan und Bulgarien.