“Viele private Medien werden das nicht verkraften”

Im Interview Michael Grabner. Er gehört zu den erfahrensten Medienmanagern im deutschsprachigen Raum.
In einem Interview sprachen Sie im März davon, dass die medienpolitischen Pläne der Regierung ein langsames Todesurteil für die privaten Medien bedeuten könnten. Sehen Sie das heute noch so drastisch?
Michael Grabner: Ja, ich sehe es heute verstärkt, da dieses Gesetz, das jetzt durchgegangen ist, dem ORF einen sehr breiten Spielraum gibt. Ich möchte dem ORF grundsätzlich keine Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeit absprechen, aber dadurch, dass die finanziellen Möglichkeiten des ORF über dieses Gesetzes deutlich breiter geworden sind, gibt es für alternative Bezahlangebote für Medien kaum noch Spielraum.
Was heißt das konkret für Tageszeitungen?
Die Politik denkt, glaube ich, in sehr kurzen Intervallen, um nicht zu sagen in „Wahlperioden“. Ein einfaches Rechenbeispiel: Wenn eine Tageszeitung heute 50.000 verkaufte Print-Abonnements hat, dann müsste sie in der digitalen Form, um in etwa die gleichen Erlösstrukturen zu haben, die dreifache Menge absetzen, also rund 150.000 Abos. Wenn später die Parallelproduktion Print und digital nicht mehr notwendig sein wird, wird es natürlich kostengünstiger. Aber das ist eine Zeitspanne von 15 bis 20 Jahren. Bis dahin werden das viele private Medien nicht verkraften können.
Was lässt sich von den Trends in anderen Ländern lernen?
Jetzt möchte ich den Teufel nicht an die Wand malen, aber man kann in die Vereinigten Staaten blicken und zählen, wie viele Medien dort übrig geblieben sind. An der Ostküste sind das die „New York Times“ und der „Boston Globe“, dann – als eine Art gesponserte Zeitung des Herrn Bezos – die „Washington Post“ sowie das „Wall Street Journal“ aus der Murdoch-Gruppe. In der Mitte der USA gibt es noch die „Chicago Tribune“, an der Westküste haben sie kaum mehr Publikationen. Dazu muss man bedenken, wir sprechen hier vom reichsten Land der Welt. Die Auswüchse sehen wir in einer wankenden Demokratie, die sich mit einem Herrn Trump herumschlagen muss und in der großen Bevölkerungsschichten keine geordneten oder durch Journalisten aufbereiteten Informationen mehr zugänglich sind.
Wie groß ist Ihr Glaube an die wirtschaftliche Gesundheit der Branche noch?
Es werden langfristig pro Kulturraum, abhängig von Größe und Wirtschaftskraft, einige wenige Medienmarken übrig bleiben und diese werden auf einem hohen Inhalts- und Qualitätsniveau agieren müssen. Sehr große Hoffnung macht mir die Entwicklung in Nordeuropa. Dort sehen wir, dass es möglich ist, Medien weiterzuentwickeln, wenn man sich umfassend auf die digitale Transformation einstellt.
Würden Sie die Meinung teilen, dass die Branche erst am Anfang dieses großen Transformationsprozesses steht?
Ohne einem Medienhausnahe treten zu wollen: Es gibt einige, die stehen am Anfang und es gibt andere, die haben schon sehr erfolgreiche die ersten digitalen Meter hinter sich gebracht. Aber es wird ein Marathon.
Zur Person
Michael Grabner, geb. 1948 in Wien, ist Medienmanager und Medienunternehmer.
Karriere (Auswahl): 1988–91 Vorstand des „Kurier“, erster Geschäftsführer der Mediaprint („Krone“,
„Kurier“). Miteigentümer der Dieter-von-Holtzbrinck-Medien („Zeit“, „Handelsblatt“ u. a).