Kultur

Vom Zuhause in der Erinnerung

22.08.2023 • 19:01 Uhr
Anarttheater Hard <span class="copyright">Dagmar Ullmann-Bautz</span>
Anarttheater Hard Dagmar Ullmann-Bautz

Für das Anarttheater Hard hat Daniela Egger ein neues Stück geschrieben. „Die Insel in mir“ erzählt vom Alltag mit Demenz.

Das Anarttheater Hard bringt die Lebenswelt einer Frau mit Demenz auf die Bühne. „Niemand weiß was ein Demenzkranker wirklich erlebt“, erzählt Daniela Egger im Gespräch mit der Neue. Dennoch versucht sie als Autorin so eine Welt zu entwerfen. In dieser sei die Hauptfigur Doro sehr kompetent, aber kommt an Grenzen, wenn die Momente ihrer Innenwelt nicht mit ihrer Umgebung übereinstimmen. Trotz großem Verständnis gibt es Missverständnisse und Reibungspunkte, wenn Doro aus der üblichen Zeit herausfällt. Ihre Wirklichkeit hat sich in eine andere Zeit verschoben. In ihrem Stück versucht Egger „Zuzuhören, wenn Doro aus ihrer Welt erzählt“, und die Erlebnisse einer Betroffenen sichtbar zu machen. „Ihre Wahrnehmung ist genauso wahr, wie die aller anderen“, sie stimme nur nicht immer überein mit ihrem Umfeld.

Ein realistisches Bild

Das Stück basiert auf Interviews von Menschen mit Demenz, mit pflegenden Angehörigen und 24-Stunden Betreuerinnen. Die Idee kam von der Regisseurin Dagmar Ullmann-Bautz, die selbst in ihrem familiären Umfeld mit der Krankheit konfrontiert wurde. Über ihren beruflichen Alltag als Leiterin der Aktion Demenz und den Austausch mit Betroffenen und Angehörigen weiß auch Autorin Daniela Egger von den Herausforderungen der Krankheit.
„Alle versuchen, ihr Bestes zu geben, auch wenn das teilweise zum Scheitern verurteilt sein muss“, beschreibt Egger. Ihr war es wichtig, ein realistisches Bild der Krankheit zu zeigen und dabei auch auf die vielen Möglichkeiten hinzuweisen, die oft nicht ausgeschöpft werden. Gerade in den ersten eineinhalb Phasen einer Demenz gäbe es noch ganz viele Ressourcen.

Die Inszenierung "Die Insel in mir" <span class="copyright">Dagmar Ullmann-Bautz</span>
Die Inszenierung "Die Insel in mir" Dagmar Ullmann-Bautz

Die erste Phase

„Die Insel in mir“ erzählt aus dem Alltag einer Familie mit einer Frau, die an Demenz erkrankt ist: Doro ist in ihren 70er, Musikerin und lebt in einer liebevollen und verständnisvollen Umgebung. Sie hat Glück mit ihrer Begleiterin Milena, die sie rund um die Uhr betreut und „sehr vieles genau richtig macht“, erzählt Egger. Doro kann alles, sie geht unbehelligt, denkt mit, nimmt am Leben teil und folgt dem, was sie erlebt. Nur merkt sie mittlerweile, dass es zwischen ihr und der Wirklichkeit der anderen Personen Verschiebungen gibt. „Für Betroffene ist diese erste Phase die schwierigste, weil sie merken, dass unwiederbringlich immer mehr verlorengeht“, sagt Egger.
Mit der Demenz lebt Doro nicht mehr in ihren alten Strukturen, sondern in der Vergangenheit, wo sie Dinge so umordnet, wie sie früher waren und mit ihrem schon verstorbenen Mann Theo redet und tanzt, der für sie immer noch als Anker in ihrem Leben spürbar ist. „Sie macht das, was sie für nötig hält, damit ihre Welt stimmt.“ Aber es gibt auch Dinge, die wirklich schwierig zu handhaben sind: Doro sehnt sich zurück nach einem Zuhause, dass es nicht mehr gibt. Die Erinnerung wird lebendiger als das Leben im Jetzt. Das Haus, in dem sie seit vierzig Jahren wohnt, ist ihr fremd geworden. Sie fängt an, die Wände anzumalen, „wie das damals war“. Auch alle anderen müssen damit zurechtkommen. Doros Tochter stellt sich die Frage nach der besten Zukunft und auch ihr Sohn in Wien will sich einbringen, was er mit seinen gut gemeinten Tipps am Telefon nicht immer schafft.

Daniela Egger                                                                                                                  <span style="color: rgba(111, 111, 111, var(--tw-text-opacity)); font-size: 0.75rem; text-transform: uppercase;">lucas breuer</span>
Daniela Egger lucas breuer

Ein anderer Blick

„Ich will einfach zeigen, welche Themen da auf eine Familie zukommen bei eine Demenzdiagnose. Das betrifft einfach die ganze Familie.“ Die Situationen im Theater seien realistisch und „basieren alle auf Gesprächen, die mir Angehörige oder Betroffene erzählt haben.“, beschreibt Egger ihre Intention. Auch aus dem Zusammenhang gerissene Originalzitate von Menschen mit Demenz habe die Autorin ins Stück eingebaut. Damit möchte sie zeigen, dass die Wahrnehmungen dieser anderen Wirklichkeit von Betroffenen einen „anderen, interessanten Blick erlauben“, was diese Krankheit mit Menschen macht. Im Stück werden diese Zitate von einem Chor rezitiert. Daniela Egger möchte mit dem Theaterstück auch zur Sensibilisierung dieser stigmatisierten Krankheit beitragen und dem üblichen Bild einer Demenzerkrankung entgegenwirken, „weil man dann auch verstehen kann, dass Menschen mit Demenz nicht ab dem Zeitpunkt der Diagnose nichts mehr können.“
Uraufführung am 1. September, weitere Termine: 2. und 3. 9.; Kulturwerkstatt Kammgarn Hard.