Kultur

Was nach dem Tod noch übrig bleibt

11.09.2023 • 18:45 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
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Einblicke in das experimentelle Theaterprojekt „Terrarium“.
marcel hagen (3)

Schauspieler Andreas Jähnert präsentiert im neuen Projekt „Terrarium“ vom Theater Mutante eine autofiktionale Geschichte.


Über dem weißen Boden schaukelt Andreas Jähnert (als Protagonist Jens oder Ronni) auf den Ringen der Alten Turnhalle Lochau zurück in seine Erinnerungen. Es sind vor allem die prägenden Momente auf Reisen, die er mit Fotobeweisen dem Publikum präsentiert: Als Kind im Familienurlaub an der Ostsee, mit dem Bruder in Australien, Amerika und gedanklich mit der Currywurst am spanischen Kap von Finisterre dem „Ende der Welt“ – dort erlebt er die ultimative Freiheit als junger Mensch

Puzzleteile

Was übrig bleibt sind Fotos und Erlebnisse im Kopf. Vom begeisternden Erzählen schwenkt er über ins Sentimentale, grübelt über den Tod und das Sterben und darüber, was die eigene Existenz ausmacht und wie viel von der Oma noch da ist, wenn ein Gehirnschlag das Leben zum Stillstand bringt. Ein Ereignis, das ihn zurückbringt in die Heimat. „Wie geht es dir Opa, jetzt wo Oma nicht mehr da ist?“ Fordernd verlangt er vom Heimpersonal den Pudding für seinen Großvater, setzt sich über Besuchszeiten hinweg und plant kurz vor Corona eine Tanzparty im Altenheim.

In der „Meditation über das Ende der Welt“ kommt alles zusammen: Besserwisserische Angehörige, genervtes und unterbesetztes Pflegepersonal, Szenen aus dem Leben der Alten und Erinnerungen der Jungen, Lieder von Udo Jürgens oder Vicky Leandros, Fakten übers Altsein und auch die finanziellen Hürden beim Sterben in der Schweiz. Singend, turnend und tanzend liefert Jähnert seine Show und behält mit starker Präsenz die Zuschauer bei sich. Auch kopfüber bleibt er in der Rolle. Zusammenhänge ergeben sich mit der Zeit und die gemeinsame Vergangenheit kommt zum Vorschein, wenn der Opa sich immer wieder mit den gleichen Wörtern im Kreis dreht: Seine Jugendliebe „Anni“ und die abgeschlagene „Hasenpfote“ beim Schlachten vom Lieblingstier des Enkel.
Vom Altern und Sterben. Humorvoll und leicht makaber bringt das nach der Behausung der ausgesetzten Ratte benannte Stück „Terrarium“ auch die echten Seiten vom Altern und Sterben auf die Bühne. Am Ende stirbt der Großvater im Pflegeheim an der vom Virus mitgebrachten Einsamkeit.

Theater Mutante, Terrarium
Theater Mutante, Terrarium

Anhand von Interviews mit älteren Menschen, Pflegern und Angehörigen und den Momenten aus dem Leben des Performers haben Andreas Jähnert und Regisseurin Bernadtte Heidegger eine autofiktionale Geschichte kreiert, die in unterschiedlichen Zugängen das Altern aufgreift und auch vom Sterben erzählt – manchmal auch ganz direkt mit Schilderungen vom Leben mit Demenz oder Suizidfantasien aus Angst vor dem Pflegeheim.

Theater Mutante, Terrarium
Theater Mutante, Terrarium

Musikalisch unterstützt wird Jähnert von Chris Lane. Mit auf der Bühne sind auch Margit Müller-Schwab (Krankenschwester) und Srour Hassan (Pfleger), die mit kurzen Kommentaren auf Jähnerts Ausführungen reagieren, als Halterungen für die weißen mobilen Bilderrahmen herhalten und als „Expert*innen des Alltags“ für eine realistische Darstellung des Themas sorgen.
Weitere Vorstellungen: Donnerstag, Freitag und Samstag, 20 Uhr, Festhalle Lochau.