Kultur

Von Chile nach Vorarlberg

12.09.2023 • 18:15 Uhr
Ein Demonstrant hält ein Porträt Salvador Allendes in den Händen. <span class="copyright">AP/Basualdo</span>
Ein Demonstrant hält ein Porträt Salvador Allendes in den Händen. AP/Basualdo

Der Historiker Georg Sutterlüty beschäftigt sich mit der Militärdiktatur in Chile.


Wir werden siegen“, das heißt im Spanischen „Venceremos“ – ein Schlachtruf der lateinamerikanischen Linken, die vor allem in den 60ern und 70ern mit Verfolgung und Unterdrückung durch rechte Militärdiktaturen zu kämpfen hatte. „Venceremos“, so heißt auch ein Buch des Vorarlbergers Georg Sutterlüty, der sich mit jenem Putsch beschäftigt hat, der 1973 den demokratisch gewählten Präsidenten Chiles, Salvador Allende, in den Selbstmord trieb. Tausende Menschen wurden anschließend im Nationalstadion in Santiago de Chile gefangen gehalten. Viele von ihnen wurden gefoltert und ermordet. Am Montag jährte sich das Ende der Demokratie in Chile zum 50. Mal. Das Land beging den Jahrestag mit Veranstaltungen, es gab aber auch Ausschreitungen.

Völlige Willkür

Der His­toriker ­Sutterlüty hat auf einer Recherchereise im vergangenen Dezember mit Zeitzeugen gesprochen und ihre Erlebnisse in seinem Buch verarbeitet. Etwa 20.000 Menschen hätten die Putschisten im Fußballstadion interniert, berichtet der Autor. Wie willkürlich die Verhaftungswelle war, zeigt das Schicksal eines Zeitzeugen. Manuel Méndez wurde als 24-Jähriger zusammen mit seinen Arbeitskollegen festgenommen, obwohl er sich nicht politisch engagiert hatte. In den früheren Umkleidekabinen des Fußballstadions hätten die Häftlinge stehend darauf gewartet, zu Verhören und Folter abgeholt zu werden, erzählt Sutterlüty. Niemand habe gewusst, was am nächsten Tag passieren würde.
Offizielle Zahlen gehen von mehr als 3000 Toten während der Militärdiktatur unter Augus­to Pinochet aus. Dessen Putsch war maßgeblich von der CIA und dem damaligen US-Außenminister Henry Kissinger unterstützt worden. Die USA wollten damit Verstaatlichungen durch den linksgerichteten Präsidenten Allende verhindern.

Historiker Georg Sutterlüty. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Historiker Georg Sutterlüty. Klaus Hartinger

Lange Nachwehen

Die Diktatur, die bis 1990 andauerte, prägt Chile noch bis heute, wie auch Sutterlüty berichtet. Die aktuelle Verfassung stammt noch immer aus der Zeit Pinochets. Der Versuch, sie zu ersetzen, scheiterte kürzlich bei einer Volksabstimmung. Durch den friedlichen Machtübergang 1990 konnten die Militärs zunächst ihre Straflosigkeit absichern. Es dauerte viele Jahre, bis es zu Prozessen kam. Pinochet selbst starb 2006 im Hausarrest. Selbst sein Tod war noch von Kompromissen zwischen Anhängern und Gegnern gezeichnet. Während das Militär die Flaggen auf Halbmast setzte, wurde eine Staatstrauer für den ehemaligen Diktator abgelehnt.

Die Nachwehen der Militärdiktatur bekommen auch Forscher zu spüren, wie Sutterlüty im Gespräch mit der NEUE erklärt. Es sei sehr schwierig, in den Archiven an Unterlagen aus der Zeit zu kommen. Häufig heiße es, es sei nichts mehr da. Sutterlüty hat seine Dissertation über Allendes Amtsvorgänger Eduardo Frei Montalva verfasst, dessen Vater in Feldkirch geboren worden war. Frei Montalva unterstützte als Konservativer zunächst den Putsch gegen seinen Nachfolger, wurde aber später zum Gegner der Diktatur und kam 1982 unter ungeklärten Umständen ums Leben.
Georg Sutterlüty präsentiert sein Buch morgen Abend in Andelsbuch.

Buchpräsentation

„Venceremos. Der Traum und Albtraum des Salvador Allende“

Veranstaltungstermin:

Donnerstag, 14. September

Beginn: 20 Uhr

Veranstaltungsort: Kulturverein Bahnhof Andelsbuch, Hof 347, 6866 Andelsbuch.

Eintritt frei

Reservierungen sind möglich unter:

www.bahnhof.cc/events/

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