Kultur

Künstler Flatz erinnert an Perlenrede vor 86 Jahren

12.04.2024 • 23:05 Uhr
ABD0138_20240404 – WIEN – …STERREICH: AktionskŸnstler FLATZ im Rahmen des Probenbesuchs von “PERLENREDE”, am Donnerstag, 04. April 2024, in Wien. – FOTO: APA/EVA MANHART
Flatz in seiner Theaterperformance „PerlenredeERLENREDE“. apa/Manhart

Mit der NEUE spricht Wolfgang Flatz über seine jüngste Kunstaktion: Die Dekoration des Burgtheaters Wien mit Hundefahnen im NS-Stil.

Weil es Zeit gewesen sei, „wieder aufzurütteln, in dieser ganz schwierigen politischen Situation, gesellschaftlich und weltweit“, kam der Vorarlberger Aktionskünstler vergangenes Wochenende mit einer Nazisatire-Kunstaktion nach Wien und dekorierte das Burgtheater für seine 36-stündige Adaption von Hitlers „Perlenrede“. Mit zehn roten Fahnen mit Hundeköpfen statt Hakenkreuzen, einer als Diktator verkleideten Bibiana Beglau auf der LED-Leinwand sowie Theateraufführung und Ausstellung, die das Kunstprojekt komplettierte, sorgte Flatz für Erinnerungskultur und polarisierte.

Perfekt funktioniert

Im Gespräch mit der Neue blickt der 71-Jährige nun auf sein jüngstes Kunstwerk zurück. „Es hat alles perfekt funktioniert“, für etwaige Ausschreitungen war die uniformierte Polizei im Theatersaal vorbereitet, und auch der Applaus war da – „und wenn es Buhrufe gegeben hätte, hätte es mich auch nicht gestört“, erzählt Flatz. Immerhin sei schließlich „jedem selbst überlassen, wie er damit umgeht.“

Geplant war die Aktion schon länger, das Theaterstück habe Flatz aber erst im letzten halben Jahr geschrieben. Denn die berüchtigte „Perlenrede“, die Hitler am 9. April 1938 am Vortag der Abstimmung zum „Anschluss“ Österreichs an Deutschland im Festsaal des Wiener Rathauses hielt, habe „nur eine Minute fünfzig“ gedauert. „Ich kannte nur den einen Satz, der der Schlüsselsatz ist: Diese Stadt ist eine Perle. Ich werde sie in die Fassung bringen, die ihrer würdig ist. Als ich den Satz vor zwei Jahren gelesen habe, dachte ich mir, der hatte ja eine große Poesie.“ Danach recherchierte Flatz die 150-seitige wissenschaftliche Aufarbeitung der Perlenrede und fand auch filmisches Material, das unter anderem in der Aufführung zu sehen ist. Darin thematisiert er auch die Rede des damaligen Wiener Bürgermeisters Hermann Neubacher, „viel dramatischer und peinlicher als die Rede Hitlers.“

ABD0030_20240407 – WIEN – …STERREICH: ++ HANDOUT ++ ZU APA0027 VOM 7.4.2024 – Zehn vermeintliche Naziflaggen “zieren” seit dem gestrigen Samstagabend, 6. April 2024 das Wiener Burgtheater: Mit einem Zapfenstreich wurden die Banner enthŸllt, in deren Mitte aber das Konterfei einer Deutschen Dogge das Hakenkreuz ersetzt. Immerhin lautete der Name des 1998 verstorbenen Tieres “Hitler” […]
Die Installation am Burgtheater. apa/Miess

Die Reaktionen seien sehr unterschiedlich gewesen. „Alle, die mit mir gesprochen haben, waren beeindruckt. Die, die anderer Meinung waren, haben sich mir gegenüber persönlich nicht geäußert“, beschreibt Flatz, der auch gegensätzliche Meinungen gutheißt: „Es muss auch andere Meinungen geben und die sollen auch zugelassen und gehört werden.“ Auf einen Skandal hatte er es nicht angelegt, „weil mich Provokation um ihrer selbst willen nicht interessiert. Es geht für einen Künstler auch darum, dass Öffentlichkeit herrscht und es ein Bestandteil des Werkes ist, dass man darüber spricht und diskutiert.“

Auseinandersetzung

Viele von Flatz’ Werken seien direkt und plakativ, weil er sich eine Beteiligung der Betrachter wünscht. Es gehe ihm darum, auf die „Rechts­tendenzen in ganz Europa“ zu reagieren und eine Auseinandersetzung mit Symptomen, Ursachen und Wirkungen von Faschismus bei den Menschen zu erreichen. „An den Arbeiten und den Settings, die ich in den Performances gebracht habe, konnte man nicht vorbeigehen, ohne eine Meinung dazu zu haben. Auch wenn die Meinung negativ war, ist es mir immer scheißegal gewesen. Mir ging es darum, jemanden zu erreichen und dass er sich damit auseinandersetzt, also nachdenken muss“, beschreibt der Künstler.

AUSTRIA-PERFORMANCE/HITLER
Das Interesse war groß. REUTERS/Elisabeth Mandl

Während das Theaterstück zwar grundsätzlich zur Wiederaufführung gedacht sei, war es vom Burgtheater-Intendanten Martin Kušej von vornherein als einmalige Performance geplant. „Wenn ich es jetzt im Nachhinein reflektiere, ist es gar nicht schlecht. Wer dabei war, der wird es auch nie vergessen, denke ich mal. Und wer nicht dabei war, hat Pech gehabt.“ Flatz könne sich aber auch Vorstellungen in Deutschland vorstellen, immerhin sei der Inhalt der Perlenrede auch adaptierbar auf andere Städte, weil Hitler in der Rede nicht dezidiert „Wien“ sagte. „Es gab ja viele deutsche Städte, die mittelalterlich und architektonische Perlen waren und die zerbombt und zerfetzt wurden durch den Krieg, den Hitler ausgelöst hat.“
Die von Flatz konzipierte Ausstellung „Hitler, ein Hundeleben“ ist noch bis Ende Mai im 2. Pausenfoyer des Burgtheaters zu sehen. Die Fotoserie aus den frühen 90er-Jahren wird erstmals in Wien gezeigt und verknüpft in parodistischer Weise Bilder aus dem Leben einer Deutschen Dogge mit historischen und imaginären Situationen aus Adolf Hitlers Leben.

Ausstellung „Hitler, ein Hundeleben“ im 2. Pausenfoyer, Burgtheater Wien, bis Ende Mai; www.burgtheater.at