Ein großes Stück Leben in Bilder gepackt

Miriam Jaeneke
Carmen Margot Lins zeigt in einer Ausstellung in der Villa Claudia in Feldkirch die Quintessenz aus 40 Jahren künstlerischen Schaffens
Von Miriam Jaeneke
“In ein Bild bringe ich alles ein, was ich habe“, sagt Carmen Margot Lins aus Satteins. Frei nach dem Spruch von Alastair Gibson, den sie an den Beginn ihrer Ausstellung in der Villa Claudia in Feldkirch gehängt hat: „Wenn du ein Kunstwerk siehst, siehst du mehr als ein Objekt. Du siehst hunderte Stunden voller Fehler und des Experimentierens. Du siehst Jahre der Frustration und Momente der Beglückung. Du siehst das kleine Stück eines Lebens von jemand anderem.“
Es ist ein großes Stück Leben, das man in der Ausstellung des Forums für moderne Kunst sehen kann. Die meisten Bilder sind aus den letzten Jahren, und doch bekommt man den Eindruck, dass die immerhin 80-jährige Künstlerin sich über die Jahre treu geblieben ist.
Pastellkreiden
Sie hatte verschiedene Inspirationen, hat immer wieder bei Vorarlberger Künstlern gelernt. Und doch malt sie nach wie vor mit Pastellkreiden, bewegt sich malend mit einer traumwandlerischen Sicherheit durch Landschaften, die man immer noch erkennen kann, auch wenn sie – mal mehr, mal weniger stark – abstrahiert sind.
Da spiegeln sich Bäume in einem See oder einfach nur der Himmel, da haben Bäume zu einer Gruppe zusammengefunden und strecken Äste nach oben, da sind massige und in sich ruhende Berge, schneeseitig gemalt. Wuchtig und ruhig erheben sie sich. Beim Betrachten ist es ein Gefühl des Erkennens: Ja, genau so wirken Berge manchmal.

Lins kontrastiert etwa leuchtendes Dunkelblau mit knalligem Gelb. Seen sind sanftgrün, Bäume gelb. Für die Ausgangsfarben interessiert sich die Künstlerin nicht. Sie möchte die Stimmung möglichst präzise einfangen und wiedergeben. Mit den Pastellkreiden zaubert sie dafür. Sie schafft sanfte Übergänge, scharfe Konturen, verwischt, setzt Farbschicht auf Farbschicht.
Bei ihren Porträts, von denen einige gezeigt werden, setzt sie eher weniger Farbflächen gegeneinander, sondern arbeitet näher am Modell, präziser am Wirklichen. Verschwommen und doch präsent, schafft sie es auch hier, den Betrachter ihre Sichtweise fühlen zu lassen. Warum hat sie dieses Gesicht, diesen Menschen gezeichnet? Es ist der individuelle Ausdruck, den sie einzufangen versteht, der berührt, wenn man davorsteht.
Anders als gedacht
Lins hat schwarze Menschen gezeichnet oder rothaarige Frauen. Manchmal macht sie Fotos von jemandem, den oder die sie zufällig sieht, und arbeitet dann danach. Trotzdem wird sie dieses Motiv nach ihrem Geschmack verändern. „Das Motiv ist sekundär. Ich möchte die Stimmung packen.“ Das Motiv interessiert sie insoweit, als es sie dazu bringt, die Stimmung packen zu wollen. „Das Bild wird dann immer ein bisschen anders als gedacht. Wenn ich das bemerke, bin ich anfangs enttäuscht. Dann freunde ich mich damit an und denke: ,Eigentlich ist es ein gutes Bild.‘“
Die Künstlerin ist froh, dass ihre Söhne und Kurator Albert Ruetz ihr bei der Auswahl der Bilder für die Ausstellung geholfen haben. „Manche hätte ich im Traum nicht hier aufgehängt.“ Einige der von anderen empfohlenen Bilder – „dieses Bild musst du unbedingt zeigen“ – hat sie gleich bei der Vernissage verkauft. Leben kann sie von der Kunst nicht. Das liegt auch daran, dass sie keine hohen Preise verlangt. Aber: Sie ist zufrieden, wenn sie zurück und in die Gegenwart blickt. „Für mich zählt meine Freude, und wenn jemandem meine Bilder gefallen, ist die riesengroß.“

Lins hat als Kind bereits gemalt und gezeichnet, wollte später Modezeichnerin werden. Sie heiratete früh und bekam drei Kinder. Mit ihrem Mann zog sie in der Villa Claudia in den 1980er-Jahren eine Galerie auf, wo sie Werke von Vorarlberger Künstlern verkauften. Das Geschäft war mühsam, immer von den Künstlern Werke zu erbitten, ebenso. Das Ehepaar gab nach einigen Jahren auf, doch das Malen hat Lins nicht gelassen.
Inzwischen ist sie unter anderem Mitglied bei der Berufsvereinigung bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs, hat in der Schweiz, Italien, Deutschland und Österreich ausgestellt. Im Künstlerhaus in Bregenz wird sie im Dezember im Rahmen einer Mitgliederausstellung kleine Formate zeigen, weitere Ausstellungen sind geplant. „Ich hab noch so viel vor, ich habe gar keine Zeit, Angst vor dem Alter zu haben“, sagt die 80-jährige Lins.
Carmen Margot Lins: „80 und kein bisschen farblos!“ Bis 5. Mai. Villa Claudia, Feldkirch. Freitag, 16 bis 18 Uhr, Samstag, 15 bis 18 Uhr und Sonntag, 10 bis 12 und 15 bis 18 Uhr. Infos: www.kunstvorarlberg.at