Kultur

Mit viel jugendlichem Charisma

19.04.2024 • 14:01 Uhr
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Jubel, begeisterte Pfiffe und zwei Zugaben gab es beim Bregenzer Meisterkonzert. Udo Mittelberger

Das Londoner Royal Philharmonic Orches­tra unter Vasily Petrenko und der Cellist Sheku Kanneh-Mason bei den Bregenzer ­Meisterkonzerten.

von Katharina von Glasenapp

Ein Londoner Spitzenorches­ter mit seinem ihm eng verbundenen Chefdirigenten, ein charismatischer junger Solist und ein interessantes Programm waren die „Zutaten“ für ein umjubeltes Meisterkonzert im Bregenzer Festspielhaus: Das Royal Philharmonic Orches­tra musizierte unter Vasily Petrenko Beethovens Egmont-Ouvertüre, gemeinsam mit dem 25-jährigen britischen Cellisten Sheku Kanneh-Mason erklang das eindringliche Konzert von Mieczyslaw Weinberg, in der bei uns relativ wenig bekannten zweiten Symphonie von Sergej Rachmaninow konnte das Orchester nochmals glänzen.

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Dirigent Vasily Petrenko und das Londoner Royal Philharmonic Orchestra. Udo Mittelberger

Dunkel, mächtig, mit allein acht Kontrabässen als Basis der großen Streichergruppe markierte Petrenko, der in Russland ausgebildet wurde, (nicht mit „unserem“ Kirill verwandt ist) und seit vielen Jahren verschiedene Chefpositionen in England und Oslo innehat, den Beginn von Beethovens Egmont-Ouvertüre. Aus weit gespannten, etwas zögerlichen Holzbläserlinien erwuchs die große Steigerung zum brausenden Allegro, in dem das große Lebensthema Beet­hovens, der Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung, mitreißend gespiegelt wird.

Viel zu entdecken

Seit 2010, als David Pountney in Bregenz Weinbergs „Die Passagierin“ zur szenischen Uraufführung gebracht hat, ist das Werk des 1996 verstorbenen polnisch-jüdischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg in der Musikwelt bekannter geworden – immer noch gibt es viel zu entdecken! Sein Lebensthema war die Klage um den Verlust seiner Familie: Er überlebte als einziger, fand nach zweimaliger Flucht seinen Lebensmittelpunkt in Moskau und war eng mit Schostakowitsch befreundet.

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Udo Mittelberger

Aber auch die Verbindung zu den Volksliedern und Tänzen der jüdischen Tradition zieht sich durch sein spannendes Gesamtwerk: Zu erleben war das im Cellokonzert op. 43, in dem das Thema des Soloinstruments im ersten Satz in langen Linien kreisend aus der Tiefe aufsteigt, das Orchester miteinbezieht und zu einem intensiven Höhepunkt führt. Sheku Kanneh-Mason, der britische Cellist mit Wurzeln in der Karibik und in Afrika, der mit seinen erst 25 Jahren schon allerhand Ehrungen erhalten hat und nicht nur die Hochzeitsgäste von Harry und Meghan begeisterte, vertieft sich mit großer Ruhe in diese so ausdrucksstarke Musik.

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In der Mitte der junge Cellist Sheku Kanneh-Mason. Udo Mittelberger

Verdichtet

Im zweiten Satz verdichtet sich das Zusammenspiel mit den Bläsern, Klezmer-Anklänge und Jazziges kommen dazu, im Tanzsatz wird der Solist wie ein Gaukler zum Anführer, bevor er in der ausgedehnten Kadenz auch als Virtuose überzeugt. Wunderbar, wie sich nach diesem aufgewühlten Treiben wieder die Ruhe des Anfangs einstellt und Cello, Streicher und Bläser in einem warmen Schlussklang atmen.

Außergewöhnlich und Balsam für die Seele in diesen unruhigen Zeiten war die Zugabe des jungen Cellisten: Gemeinsam mit vier Kollegen der Cellogruppe musizierte er eine Bearbeitung von Johann Sebastian Bachs „Komm, süßer Tod“ (aus den Schemelli-Liedern).

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Das Londoner Royal Philharmonic Orchestra. Udo Mittelberger

Aus dem Dunkeln ans Licht

Auch Sergej Rachmaninows zweite Symphonie arbeitet sich aus der Dunkelheit ans Licht, vereint intensive Streicherklänge mit gleißenden Blechbläserakkorden, Schicksalsklänge und Totentanz, „Dies irae“, Säbelrasseln und seelenvolle Kantilenen. Mit seiner klaren Körpersprache führt Vasily Petrenko sein Orchester mit den so farbenreichen Holzbläsern, dem klangvollen Blech, den Schlagwerkern und den so eng verbundenen Streichern durch die Partitur.

Im langsamen Satz darf die Klarinettistin mit blühendem Ton aufspielen, die Cellogruppe trägt sie, mit samtweichen Übergängen gestaltet Petrenko diesen Satz, der im Pianissimo verlischt. Im Finale führt er die Virtuosität des gesam­ten Klangkörpers in seiner rauschenden Brillanz bis hin zum zackig geschmetterten Schluss vor. Jubel, begeisterte Pfiffe und zwei spritzige Zugaben beendeten diesen nasskalten Abend im Festspielhaus.