Kultur

Eine aktuelle Bestandsaufnahme

18.05.2024 • 18:20 Uhr
All about me
“All about me. Kein Leben nach mir” im Vorarlberger Landestheater. anja koehler

Am Donnerstag hat das Aktionstheater Ensemble die Jubiläums-Produktion „All about me. Kein Leben nach mir“ im Vorarlberger Landestheater uraufgeführt.

Mit Clownsnasen im Gesicht und schmutzigen Arbeitsanzügen treffen sich Isabella Jeschke, Thomas Kolle, Kirstin Schwab, Benjamin Vanyek, Tamara Stern und (nach fünf Jahren Pause auch wieder) Andreas Jähnert auf der Bühne zum gemeinsamen „Durchexerzieren von Nöten jeglicher Art“, wie der Regisseur Martin Gruber die Arbeit des Aktionstheater Ensembles beschreibt.

Melancholisch

Nackte Füße trippeln auf dem weißen Boden im Vorarlberger Landestheater, der schräg nach oben verläuft. Draußen beginnt es langsam zu regnen und drinnen sorgt künstliches Gewitter an den Wänden und der Klang der Geige für die richtige melancholische Stimmung, bei der es überhaupt keinen Unterschied macht „ob man da ist oder nicht“. Im Stück zum 35-Jahre-Jubiläum portraitiert das Aktionstheater Ensemble nicht nur die Unsicherheiten der Gesellschaft auf eindringlich unmittelbare Weise, sondern hinterfragt auch das eigene Tun der letzten Jahre.

„Das ist so ein langweiliger Satz.“, beschweren sich die Schauspieler, reden aber trotzdem weiter, drehen den Kopf hin und her und bewegen sich synchron in der Choreografie, dessen Rhytmus man schon aus den früheren Stücken kennt. Stoff für Diskussionen gibt es immerhin genug. Themen sind etwa gegenteilige Lebenseinstellungen, Konsumwahn, Selbstverwirklichung, Einsamkeit und Politik, während alles in eine Bestandsaufnahme der aktuellen sowie eigenen privaten Lage verpackt wird. Auch vergangene Szenen werden noch einmal hervorgeholt und verdichtet. Martin Gruber fokussiert die Wichtigkeiten in den kleinen Details am Rande.

All about me
Die Uraufführung von Martin Gruber und dem Aktionstheater Ensemble im Rahmen des Bregenzer Frühlings. anja koehler

Sehnsüchte

Andreas ist in seiner eigenen Welt, kratzt sich am Kopf und singt nochmal seine schönen Theatermomente als Lebkuchenmann. Benjamin schmückt Thomas mit Blumen, später gibt’s zerbröselten Kuchen zum Jubiläum, der vom Boden gegessen wird. Thomas übt mit Isabella den „sympatischen“ Blick, Isabella zeigt mit Kirstin vor, wie eine Umarmung geht, Kirstin spielt „Kind sein“ und nicht alle stehen in Benjamins Liebesranking so weit oben wie gedacht. Vor allem Tamara ist beleidigt, weil sie beim gemeinsamen „Chillen“ den anderen die Lauen verdirbt. So ist jede auf eine andere Figur fixiert, während alle versuchen einen Zugang zueinander zu finden – auf tragisch und dramatische Weise.

All about me
Weitere Termine bis 25. Mai, Vorarlberger Landestheater, Bregenz, 19.30 Uhr.

Grubers Figuren beginnen bei den echten Menschen, werden jedoch fiktiv weitergedacht und in ihren Ausprägungen verschärft, sodass sie nur mehr Mittel zum Zweck sind, um die elementaren Gefühlsregungen roh auf der Bühne zu transportieren: Da gibt es Gekicher und Geschrei, Verzweiflung, Liebe und Begierde und auch den großen Weltschmerz von Tamara – ein kurzer Moment der Stille, in dem sich die Schauspielerinnen und Schauspieler und auch die Musiker (Andreas Dauböck, Emanuel Preuschl, Ernst Tiefenthaler und Jean Philipp Oliver Viol) beruhigen, bevor es im gleich schnellen Tempo weitergeht. Es ist eine Performance, die nicht anhält, immer weitergesponnen wird und sich dabei im Kreis dreht, weil die Figuren – obwohl sie durchgehend die Bühne auf und ab laufen – doch immer an der gleichen Stelle feststecken. Während sie sich nacheinander in die eigenen Monologe reinsteigern und gesprochener Text zur Geräuschkulisse wird, sind die anderen schon im leeren Zwischenmodus zur nächsten Szene.

Wenn einer redet, hüpfen Benjamin und Thomas im Hintergrund die Choreografie. Isabella ist in ständiger Bedrängnis und Kirstin imitiert die affenartigen Annäherungsversuche von Andreas. Das Publikum lacht und der Text ist die Ablenkung, die das Stück braucht, um auf die Fragilität im Menschen hinzuweisen.