Kultur

Lebendige Musikgeschichte in der Propstei

31.05.2024 • 16:16 Uhr
Encuentro
Khosro Soltani (l.) mit dem Duduk und Mohamad Ghavi-Helm an Trommel und Tambourin. Katharina von Glasenapp

In der Propstei St. Gerold findet noch bis Sonntag das diesjährige Musikfestival Encuentro statt – schon bei der Eröffnung gab es spannende Begegnungen.

Von Katharina von Glasenapp

Es war ein Tag vielfältigster Begegnungen zwischen Musizierenden und Hörenden, musikalischen Welten von alter Musik, Jazz und Weltmusik, auch zwischen Architektur und Musik, wie sie an einem weltoffenen Ort wie der Propstei St. Gerold im Großen Walsertal immer wieder möglich gemacht werden: Das von den Musikern Khosro Soltani und David Helbock kuratierte Festival Encuentro dauert noch bis zum Gottesdienst am Sonntag und begeisterte am Eröffnungstag viele Besucherinnen und Besucher, die damit auch die Propstei neu kennenlernen konnten.

Erst vor wenigen Wochen war die umfangreiche Sanierung des Haupthauses abgeschlossen worden. Nun wurden die Räume bis hinauf unters Dach bespielt. „‚Encuentro‘ ist viel mehr als Begegnung, es geht ums berührt, engagiert, begeistert sein“, begrüßte Propst Martin Werlen die Gäste und schickte sie auf die Reise durch Räume und Zeiten zu manchmal fast hautnahen Begegnungen: Peter Herbert etwa bearbeitet seinen Bass auf Tuchfühlung mit dem Publikum im ältesten, „Cura“ genannten, Raum, in dem früher die große Bügelmaschine stand und der nun für seelsorgerische Gespräche genutzt wird. Peter Herberts Einheit mit seinem Instrument ist ein ganzheitliches Erlebnis: Es wird gezupft und gestrichen, rau und fauchend hinter dem Steg angespielt oder am Corpus beklopft. Das Tonnengewölbe des Raums ist ein natürlicher Verstärker.

Musikfestival Encuentro 2024
Peter Herbert in der Prälatur. Nathalie Morscher

Im Capitulum, das jetzt mit einem offenen Dachstuhl beeindruckt, treffen David Helbock am E-Piano und der iranische, in Frankreich lebende weißhaarige Percussionist Mohamad Ghavi-Helm aufeinander. Bisher kannten sie sich nicht, doch als erfahrene Musiker hören sie aufeinander, greifen Impulse auf, führen sie weiter, entfachen einen Sturm und führen ihn mit einem Schmunzeln zu Ende. Das bunte Wandbild von Ferdinand Gehr, das mit „Lebensfreude“ überschrieben ist, scheint mitzutanzen und das Publikum lässt sich mit hineinfallen in den Sog der Musik.

Dem Himmel nahe

Im Giebel unterm Dach, wo man dem Himmel so nah ist (daher heißt der Raum „Caelum“), erlebt man die wunderbare Verschmelzung der traditionellen persischen Blasinstrumente mit dem Instrumentarium der Renaissance: Khosro Soltani, der Vater des Cellisten Kian Soltani, macht den Duduk, das im gesamten vorderasiatischen Raum beliebte Rohrblattinstrument mit dem breiten Mundstück und dem erstaunlich warmen Klang, lebendig.

Mit seinem Freund und Landsmann Mohamad Ghavi-Helm an der aus einem Maulbeerbaum gefertigten Trommel und der mit Metallketten bestückten Rahmentrommel, die einen enorm voluminösen Klang erzeugt, entsteht ein feinsinniger kreativer Dialog. Wenn dann der Italiener Marco Ambrosini mit seiner so interessanten Nyckelharpa („Schlüsselfiedel“), die nur noch in Schweden verbreitet ist, mit Catalina Vicens am Portativ, einer kleinen tragbaren Orgel mit zwei Oktaven Tonumfang, und mit der schwedischen Sopranistin Anna Maria Friman und ihrer feinen klaren Stimme dazustoßen, wird Musikgeschichte lebendig: „Die Melodie hat nur fünf Zeilen und wir improvisieren zehn Minuten darüber!“

Jamsession zum Schluss

Zum inspirierten Finale versammeln sich alle im lichterfüllten Atrium: Kurz einigt man sich über die Melodie, daraus entwickelt sich eine jazzig-folkloristische Jamsession, die Musiker und Publikum mitreißt.
https://propstei-stgerold.at/kulturprogramm/encuentro