Kultur

Das Konzept „Bridgerton“ macht Schule

18.06.2024 • 11:34 Uhr
Nicola Coughlan Los Angeles.CA.USA. Nicola Coughlan in a scene in the C Netflix romantic drama Bridgerton TV 2024 S3E1 Season 3 Start date:2020 The series about the adventures of eight families set in the early 19th century England. LMK112-200524-001 Supplied by LMKMEDIA. Editorial Only. Landmark Media is not the copyright owner of these Film or TV stills but provides a service only for recognised Media outlets. pictureslmkmedia.com PUBLICATIONxNOTxINxUKxUSAxCAN
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Nach der dritten Staffel „Bridgerton“ kommt mit „My Lady Jane“ schon die nächste historische Serie über weibliche Selbstermächtigung.

Für gewöhnlich verlassen die feinen Damen und Herren in der Serie „Bridgerton“ ihren Stadtteil Mayfair nur selten – die Damen noch weniger oft als die Herren. Für die Bewerbung der dritten Staffel, die man aus taktischen Gründen natürlich in zwei Tranchen ausgespielt hat, wurden die Hauptdarsteller der Kostümserie über das (Liebes-)Leben der High Society im frühen 19. Jahrhundert, gefühlt einmal rund um die Welt auf große Promotour geschickt. In Zahlen hat sich das jedoch noch nicht so richtig durchgeschlagen: Zwar liegt die Serie seit dem Start der dritten Staffel im Mai in den Top 10 der globalen Netflix-Charts, doch „Eric“ mit Benedict Cumberbatch lässt sich den ersten Platz nicht streitig machen und Platz 2 blockiert der Quereinsteiger „Geek Girl“.

Doch es gibt auch andere Zahlen als nur Zugriffszahlen, mit denen Netflix an die Öffentlichkeit geht: Am Freitag durfte „Bridgerton“- Produzentin Shonda Rhimes, auch verantwortlich für „Grey’s Anatomy“, sogar die Londoner Börse eröffnen. Der Anlass: Rund 325 Millionen Euro hätte die Serie seit fünf Jahren schon in die Kassen der britischen Wirtschaft gespült, so die Rechnung des Streamers. Rund 5000 Firmen sollen bereits in unterschiedlichster Art und Weise von der Serienproduktion profitiert haben. Hinzu kommt noch das Lizenzgeschäft – große Marken wie Primark oder Lush wollen am Kuchen mitnaschen und haben eigene „Bridgerton“-Produkte auf den Markt gebracht. Familie Bridgerton, die pro Staffel eines ihrer acht Kinder unter die Haube bringen will, ist Goldesel und Zugpferd in einem.

Eskapismus

Mit dem Konzept, eine diverse Gesellschaft in das enge Korsett einer längst vergangenen Ära zu pressen, ist „Bridgerton“ in Sachen Erfolg der Vorreiter. Das Eskapismus-Karussell dreht sich im Kern um die Selbstermächtigung der Hauptdarstellerinnen, die es mit den gesellschaftlich-familiären Zwängen aufnehmen. Das Drama kommt in der kleinstmöglichen Dosierung daher, abgemildert durch Opulenz jeglicher Art: üppige Ausstattung, üppiges Kuchenbuffet, mit mehr oder weniger Zuckerguss. Weit weniger zuckrig, aber dafür peppiger ist die Serie „Dickinson“ (Apple TV+), die sich jedoch an einer historischen Figur abarbeitet – an der amerikanischen Schriftstellerin Emily Dickinson. Deren Biografie und Persönlichkeit ist nicht ausufernd bis in alle Einzelheiten bekannt, was die Drehbuchautoren dazu veranlasste, die Serienfigur, gespielt von Hailee Steinfeld, mit einem modernen Blick auszuleuchten.

BELLA RAMSEY stars in CATHERINE CALLED BIRDY                                       Photo: ALEX BAILEY                            © AMAZON CONTENT SERVICES LLC
Bella Ramsey in “Catherine Called Birdy”. ALEX BAILEY

Die nächste Produktion im historischen Setting steht schon in den Startlöchern: Mit „My Lady Jane“ stellt Amazon Prime ab 27. Juni sogar die historische Tudor-Welt auf den Kopf, oder besser gesagt, greift ungeniert in die Geschichte ein. Neun Tage lang war Lady Jane Grey im Jahr 1553 Königin von England, bevor sie enthauptet wurde. Die Serie stellt überhaupt alles auf den Kopf, um seine Protagonistin aus dem Opferstatus zu befreien: Eduard VI. stirbt nicht an Tuberkulose, Jane Grey wird zur Königin gekrönt, aber nicht enthauptet und dann geht es erst so richtig los. Eine junge Frau in Nöten? Wenn ja, dann weiß sie sich zu wehren. Wie übrigens auch Bella Ramsey im Film „Catherine Called Birdy“ (Amazon Prime). Regisseurin Lena Dunham, die mit der Serie „Girls“ zum Sprachrohr der Millennials wurde, hat im Mittelaltersetting seziert, welche Zwänge die Gesellschaft Mädchen und Frauen überstülpt. Ob Mittelalter, Tudorzeit oder viktorianische Zeit – zumindest jetzt wird zurückgeschlagen.