Panierte Schwänze und Trauermärsche

Die Wiener Band “Vienna Rest in Peace” und Fritz Ostermayer begeistern im Spielboden mit abseitigen und todeslüsternen Texten, vorgetragen mit Musik und ohne.
Wäre die Spielboden-Bühne nicht schwarz, die Band “Vienna Rest in Peace” hätte sie für ihren Auftritt schwarz gestrichen. Was sie für Musik machen, darauf fällt ihnen selbst nach 20 Jahren des Bestehens die Antwort schwer.
“Vienna Rest in Peace” kommen aus Wien, wenn auch nicht gebürtig, und zelebrieren das Sterben, die Schande, die Lust am Morbiden. „Wir übererfüllen das Klischee. Alle sterben irgendwann, insofern ist das Thema omnipräsent. Zugleich ist es nach wie vor ein Riesen-Tabuthema. Um es ernst nehmen zu können, setzen wir uns damit ironisch auseinander. Ohne Humor geht’s nicht“, erklärt Martin Wiesbauer. Er sitzt am Klavier und ist der kleine Bruder des die Songtexte schreibenden Wolfgang Wiesbauer, der außerdem singt und Gitarre spielt. Die fünf Bandmitglieder, darunter noch Ralph Wakolbinger, Schlagzeug und Florian Emerstorfer, Bass sowie als einzige Frau Marilies Jagsch, Gesang und Gitarre, verbreiten einen glasklaren gitarrenlastigen Sound im Saal des Spielbodens.
Totenschädelweh
Sie wollten keine genuschelten oder gegrölten, live unverständlichen englischen Texte. „Wir wollen verstehbare Texte und damit eine zusätzliche Ebene“, sagt Wolfgang Wiesbauer. Das Kalkül geht auf. „Wo bleibt der Beweis, dass es uns wirklich gibt?“, „Gäb’ es noch einen Halt, man könnte ihn jetzt verliern“, „berühr doch bitte meine Atemnot“, „mein Daumen steckt in deiner Schraube“, „Totenschädelweh“. Es sind ganz eigene, eigenwillige und gar nicht so düstere Zeilen, wie die Band sie gerne anpreist. Zwar zieren Grablichter die Bühne, außerdem etwas gefallenes Laub, dezenter Trockeneisnebel wabert. Dieser Tage wird der Toten gedacht – der perfekte Rahmen für eine kleine Tournee einer Band, die sich offiziell dem Sterbenswerten verschrieben hat. Allerdings strahlen die Musik und der Auftritt viel Vitalität aus.
Wenige, aber begeisterte Fans
Das Publikum ist spärlich, kennt die Band, ist begeistert. Hier kennen sie vor allem aber auch Fritz Ostermayer, der mit seiner Lesung daher vor Fans auftreten kann und als Literat fasziniert. Er seziert Peinlichkeiten, Absurditäten, Abseitiges so, dass etwas Neues entsteht, das nicht mehr peinlich ist, sondern zumindest teilweise zum Lachen. Ostermayer selbst ist FM4-Radiomacher gewesen, ist Romy-Preisträger und war künstlerischer Leiter der Wiener Schule für Dichtung. Er liest nach Selbstaussage Schätze aus seiner Autobiografie, die niemals fertig werden wird. „Nächstes Jahr bin ich dann 69, eine Sexstellung, und das ein ganzes Jahr lang“, lachen Ostermayer und die Band beim Zusammensitzen vorm Konzert. Ostermayer liest auf der Bühne eine Geschichte über einen jungen Mann, der gerade onaniert, als ein Einbrecher hereinschleicht und sich am liebsten ungesehen zurückziehen würde. Stattdessen wird er vom Bewohner auf einen Kaffee eingeladen. „Von Einbrüchen kann man doch nicht leben?“ Eine andere Geschichte handelt von der eigenen Mutter, die vergangenes Jahr gestorben ist. „Macht nichts“, sagt Ostermayer, man habe wechselseitig eh nichts miteinander anfangen können. In der Geschichte liegt sie frisch aufgebahrt da. Die betretene Stimmung wird durchbrochen vom Hündchen, das sich seine Freude darüber, auf eine gut bekannte Leckerlispenderin zu treffen, nicht verderben lassen will.
Fremde Beerdigungen aufgenommen
Panierte Schwänze kommen bei Osternmayer vor und Trauermärsche. Über 2000 hat er im Lauf der Zeit aufgenommen, ist dazu mit dem Kassettenrekorder zu fremden Beerdigungen in Südspanien, Serbien oder Albanien gegangen und hat die Livemusiken mitgeschnitten. „Meine Kinder wollen das Erbe leider nicht antreten. Möglicherweise hat das Wienmuseum Interesse“, sagt Ostermayer trocken. Dann ist vier Minuten Bierzeltatmosphäre: Ein Stück wird mitgesungen vom Publikum, der Text selbstironisch ausgeteilt: „Oh ja, oh ja, oh ja“. Die Stimmung im Publikum ist aber auch sonst eine gute, es hat sich mitreißen lassen. Die Band wiederum freut sich und ist von der guten Organisation des Spielboden-Teams angetan. Möglicherweise gibt es an einem den Toten geweihten Tag eine Fortsetzung