Gnadenloser Puls und fließende Melodien

Stella Sinfoniekonzert kontrastiert mit Kompositionen von Schostakowitsch und Felix Mendelssohn. Ein Abend mit Kraft und Sehnsucht.
Beim Sinfoniekonzert der Stella Vorarlberg Privathochschule waren eine souveräne Solistin in einem der wichtigsten Cellokonzerte des 20. Jahrhunderts und der warme Klang des Orchesters in einer romantischen Symphonie zu erleben: Die junge Cellistin Ida Riedel meisterte Schostakowitschs erstes Cellokonzert, außerdem hatte Dirigent Benjamin Lack die dritte Symphonie von Felix Mendelssohn aufs Programm gesetzt. In beiden so unterschiedlichen Werken engagierte sich das international besetzte Orchester mit Herzblut und Spielfreude. Das Konzert fand in Zusammenarbeit mit den Montforter Zwischentönen statt, Studierende entwickelten unter der Leitung von Festivalleiter Folkert Uhde ein Einführungs- und Rahmenprogramm, in dieser Besprechung geht es jedoch in erster Linie um die Musik.

Beklemmend, grell und intensiv
Schostakowitschs Musik ist immer geprägt von den Erfahrungen, die der Komponist in der Sowjetunion gemacht hatte. Beklemmend, grell und intensiv sind die Klänge im ersten Satz des Cellokonzerts, in dem Benjamin Lack das Orchester in einem gnadenlosen, nie nachlassenden Puls marschieren lässt. Dahinein bohrt sich das Cellosolo der jungen Flensburgerin Ida Riedel, die in der Klasse von Mathias Johansen studiert und die sich seit langer Zeit mit diesem 1959 für Rostropowitsch geschaffenen Werk auseinandersetzt. Tongebung, Energie und rhythmische Kraft wirken zusammen, in enger Verbindung mit dem Orchester und speziell dem Solohornisten schrauben sich die Klänge empor. Ergreifende Schicksalsklänge prägen den langsamen Satz, Solobläser und das dunkle Raunen des Cellos versenken sich ineinander, bis in höchste Lagen hat die junge Musikerin einen silbrigen, warmen Ton. Mit langem Atem gestaltet sie die Solokadenz, bevor sie sich mit Benjamin Lack und den leidenschaftlich aufspielenden Studierenden in den beißenden Rundtanz des Finales stürzt. Zur packenden musikalischen Interpretation kamen hier Videoprojektionen des Orchesters, die sich zum Teil mit Standbildern aus sowjetischen Aufnahmen überlagerten und die Intensität der Musik noch verstärkten. Nach dem wilden Ritt des Finalsatzes präsentierte Ida Riedel den „Gesang der Vögel“, ein katalanisches Weihnachtslied und Lieblingszugabe u.a. von Pablo Casals: Die Vögel steigen in den Himmel auf und verkünden die Geburt Christi und singen vom Frieden – es ist Balsam für die Seele, überall und zu allen Zeiten.

Heroischer Tonfall
Der hochemotionalen Musik von Schostakowitsch stand im zweiten Teil die „Schottische“ Symphonie von Felix Mendelssohn gegenüber, jene dann als dritte geführte Symphonie, deren Anfang der erst 20-jährige Komponist bei einer Reise in die schottischen Highlands und zum Schloss der Maria Stuart mit ihrer verfallenen Kapelle „gefunden“ hat und die ihn dann mit Unterbrechungen bis 1842 beschäftigen sollte. Ein Brief des jungen, auch sprachlich so gewandten Tonsetzers und atmosphärische Fotografien von Landschaften und Kirchenruinen verstärkten hier die Bilder im Kopf, die allein die Musik schon erzeugte. Mendelssohns „Schottische“ erzählt von romantischer Sehnsucht, wird getragen von fließenden Melodien, die Benjamin Lack mit seinen Studierenden blühen lässt. Bewegliche Holzbläser mit ihren Soli, eine homogene Horngruppe und strahlende Trompeten überhöhen den warmen Klang der Streicher. Im Tanzsatz hat sich Mendelssohn von den Volksliedern inspirieren lassen, und das Finale ist durchzogen von einer zunächst melancholischen Melodie, die später mit heroischem Tonfall verwandelt erscheint. Mit seiner klaren und enthusiastischen Zeichengebung führt Benjamin Lack sein Orchester durch diese Symphonie und vermittelt den Studierenden wie dem Publikum ein beflügelndes Musikerlebnis.
Katharina von Glasenapp