Das aktionstheater ensemble hat versagt

Am Dienstag feierte das Stück „Wir haben versagt“ vom aktionstheater ensemble Premiere im Spielboden.
Wie viele Klischees müssen aneinander gereiht werden, bis sie neue Einblicke an den Tag legen? Diese Frage stand im Raum, als „Wir haben versagt“ Premiere feierte. Das Schauspiel versprach eine „performative Selbstanklage“ mit guter Musik. Während sich letzteres bewahrheitet hat, verhallte die Kritik in Gelächter.
Das 35-jährige Bestehen des aktionstheater ensemble findet heuer in Zeiten eines umfassenden Rechtsrucks statt. Vom politischen Umstand bedrückt, rückt Regisseur Martin Gruber die allgemeine Unfähigkeit zur Kommunikation in den Mittelpunkt seines neuen Stücks.

An Kälte gewöhnt. Zwiespältige Sehnsucht nach einem Ende vom „Ende der Geschichte“ tönt im Raum, wenn das Schauspiel mit „The Future“ von Leonard Cohen öffnet. Das Lied aus 1992 warnt vor einer kommenden Ära, die es der schlechten, aber vertrauten Zeit des Kalten Krieges gegenüberstellt. Danielle Pamp interpretiert den Song kühl, aber sensibel. Scheinbar an Kälte gewöhnt, folgt ein splitternackter Benjamin Vanyek auf die Bühne. Er mimt den wohlhabenden Progressiven, der sich nach einem fürsorglichen Vaterstaat sehnt. Neben ihm erscheint Monica Cammerlander, die sich mit Gebärdensprache dem Lärm verweigert. Den Gegenpol zum Nackten gibt Thomas Kolle. Er sieht sich erst als roter Wiener. Daher ist seine Überraschung groß, als ihm die Online-Wahlkabine FPÖ empfahl. Kolle spielt den Neo-Rechten als naives Reaktionsbündel. Er sehnt sich nach Führung und hasst seinen Vater. Dass der Mann in seinem Leben auch Erfahrungen gemacht haben könnte, scheint außer Frage. Man fühlt sich an den Ärzte-Song „Schrei nach Liebe“ erinnert. Zeynep Alan ist die letzte im Bund. Mit einer „Make America Great Again“ Kappe auf dem Kopf markiert sie gelebten Widerspruch ohne Ziel.
Bescheid wissen
Leicht erkennbar bezieht sich das Stück auf sich selbst, wenn Alan von einem Reigentanz für den Frieden berichtet. Doch leider fiel dieser fast ins Wasser, da weder Serben, Kroaten noch Türken teilnehmen wollten. Dass er trotzdem stattfand, liegt an staatlichen Fördergeldern und der Anwesenheit üblicher Verdächtiger.

Sogar, wenn die Schauspieler vermeintlich zum Gespräch kommen, führen sie die Monologe fort. Dabei geben nicht nur die Worte eine Sprache der Uneinfühlsamkeit wieder. Denn diese setzt sich mit Videomontagen fort. Die Projektionen zeigen Trump, Putin oder Kim Jong-un und laden zum Bescheidwissen ein. Dabei erinnern sie an Darstellungen von George W. Bush aus den 2000er Jahren. Während die Symbolik, als wäre nichts geschehen, fortführt wird, gelang ihm mittlerweile der Imagewandel vom dummen Kriegstreiber zum talentierten Maler.
Überschwellig
Kunst hat nur eine Aufgabe, nämlich keine zu haben. Sie ist der Aufstand gegen die Wirklichkeit. Daher beschränkt sich ästhetische Erfahrung nicht auf unmittelbar Schönes oder Gutes. Sie kann potenziell alles zum Gegenstand haben. Entscheidend dafür ist eine Qualität, die über vorgefasste Ideen hinausweist. Man nennt das Staunen, Regung oder Aha-Moment. So auch im Theater, wo kein Mittel oder Zugang von sich aus schlecht ist. „Wir haben versagt“ wirkt wie ein unterschwelliger Versuch, mit nackter Überschwelligkeit aufzuzeigen, was in der Welt fehlt. Dabei präsentiert es Progressive und Rechte in möglichst flacher Ausführung. Grubers Glaube an die antitotalitäre Kraft des Humors findet ihren Gegenbeweis im schallenden Gelächter des Publikums. Denn je plumper die Sätze, desto größer das Kichern. So wurden keine Einsichten freigelegt, sondern nur Annahmen bestätigt. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Zuschauer in später Folge in den beschränkten Rollen wiedererkennen und an ihrer Stelle über sich hinaus wachsen.