Wo die Zuschauer zu Paparazzi werden

Das Landestheater zeigt mit „Toxic“ ein Stück über Britney Spears leidvollen Weg zur Emanzipation.
“Toxic. Britney über Spears“ handelt vom Leid und Leben der Sängerin. Es ist ein Stück über Mündigkeit und wie diese in der Kulturindustrie zugrunde geht. Diesen Monat ist es noch bis Sonntag zu sehen. Weiter Aufführungen folgen im März und April.
Den Stern auf die Herde ziehen
Die von Daniela Egger entworfene Handlung holt den Pop-Star auf die Erde. Gespielt von Maria Lisa Huber, präsentiert sich dem Publikum eine Frau, die trotz bahnbrechender Erfolge zeitlebens ein Instrument für andere war. Nurettin Kalfa hingegen brilliert stets als Bösewicht in wechselnden Rollen. So spielt er sowohl Manager, Expartner als auch Security.

Podeste, wie man sie aus Museen kennt, schmücken die kleine Bühne der Box. Auf ihnen befinden sich Schuhe, eine Tasche und verschieden große Käfige. Dadurch wirkt das von Marina Deronja entworfene Set wie ein lebensfeindlicher Ort der Huldigung, was die Handlung des Stücks unterstreicht.

Dieses führt die Zusehenden durch die Lebensstationen der US-amerikanischen Pop-Sängerin. Diese sind für Kenner der Musikerin interessant, setzen aber kein Detailwissen voraus. Ausgehend von einer Kindheit in bitterer Armut, schwierigen Familienverhältnissen und einer fördernden, fordernden Mutter markiert Huber mit Monologen, wie zerrissen die talentierte Spears aufgewachsen ist. Diese dachte, ihr Erfolg würde der Familie nicht nur Geld, sondern auch Glück bringen. Während das sich für ihren distanzierten Vater zynisch bewahrheitet hat, formte sich um ihre Karriere ein Käfig.

Vermitzte Schurken.
So rückt ihre Menschlichkeit in den Mittelpunkt. Egal, ob Abtreibung, Trennung von Justin Timberlake, das perfide Verhalten ihres Ex-Manns Kevin Federline oder die Ausbeutung durch ihren Vater thematisiert wird, klagt Huber sichtlich berührt, mit Innbrunst. Kalfa hingegen spielt die diversen Bösewichte der Handlung derartig verschmitzt, dass einem die Schurken fast schon sympathisch werden. Dabei beeindruckt er mit schnellem Wechsel, flottem Tanz und Mienenspiel.

Begleitet wird das Stück durch Gesang und Hintergrundmusik. Die Interpretationen von Songs wie „…Baby One More Time“ verdoppeln die emotionale Ebene und funktionieren dabei nur bedingt. Die Varianten des titelgebenden Tracks „Toxic“ hingegen vermitteln hingegen gekonnt, wie stark das Leben der Sängerin von Erfolg und Niederlage unter wechselnden Umständen geprägt ist.

Identifikation mit dem Star
Gerade im Versuch eines menschlichen Blicks liegt das Problem des Stücks. Fast schon sozialpornografisch fühlt man sich beim Betrachten wie ein Paparazzo, der sich an ihrem sichtlichen Elend labt. Dadurch verstärkt sich paradoxerweise die Identifikation mit einem Star. Doch allem Schmerz zum Trotz unterscheidet sich ihr Leben fundamental von dem der Zuschauer. Während Spears in der Realität erfolgreich ihre Mündigkeit zurückerlangte, bleibt es fraglich, ob diese Geschichten dem Publikum verdeutlichen, wie sehr es um seine eigene Autonomie kämpfen muss.