Auf den Spuren eines leidenden Seelenhirten

Das dokumentarische Musikschauspiel „Fremde Seelen“ widmet sich dem Selbstmord eines vietnamesischen Pfarrers in der Schweiz.
Ein Pfarrer aus Vietnam, der in der Schweiz tätig, aber nie wirklich heimisch wurde und sich das Leben nahm. Dieses tragische Stück Wirklichkeit ist Ausgangspunkt von „Fremde Seelen“. Das dokumentarische Musiktheater wurde von der Kongolesisch-Schweizer Group 50/50 konzipiert und feiert diesen Mittwoch Österreich-Premiere am Landestheater Vorarlberg.
Das Dorf der Mutter
Die von Eva-Maria Bertschy entworfene Handlung führt einen in die Heimatgemeinde ihrer Mutter. Das kleine Dorf in den Schweizer Westalpen, nahe Freiburg, war Wirkstätte des Pfarrers, der im Stück den Namen Franz Hoang trägt. Wie viele Katholiken Vietnams begab er sich in den 70er Jahren auf die Flucht. Zu groß war die Angst vor den siegreichen Kommunisten.

Der deutschen Sprache mächtig, aber nicht des Schweizerdeutschen, wurde er Seelenhirte in der kleinen Gemeinde. In einer Zeit vor ihm befand sich diese noch fest im Griff der Kirche. „Die Pfarrer haben darauf geachtet, dass die Frauen Kinder gebären. Wenn dem nicht so war, wurden sie abgekanzelt“, berichtet die Autorin, deren Mutter elf Geschwister hat. „Dabei waren wir nicht einmal die größte Familie“.
Bertschy wurde durch ihre Verwanden auf die tragische Geschichte aufmerksam, der sie sich in behutsamen Schritten näherte. Hoang selbst bekam sie nur einmal während eines Kirchgangs zu Gesicht.
Die Group 50/50 bewies schon bei früheren Produktionen, dass sie sensible Themen bearbeiten können. Etwa mit „The Ghosts Are Returning“. Das Stück wurde 2022 im Landestheater aufgeführt und erzählt die Geschichte von sieben Skeletten, die in den 50er Jahren von einem Schweizer Arzt aus dem Kongo geraubt wurden.
Ideal für Vorarlberg geeignet
Eine gemeinsame Zeit am Schauspielhaus Bern verbindet Bertschy mit der Intendantin Stephanie Gräve. Als diese vom neuen Stück ihrer Schweizer Kollegin erfuhr, wurde ihr rasch klar, dass es ideal nach Vorarlberg passt. Bedenkt man den wirtschaftlichen Aufschwung eines armen Bergdorfes, den Bedeutungsverlust der Kirche und die Präsenz von Priestern, die außerhalb von Europa geboren wurden, könnte die Handlung genauso gut in Westösterreich spielen.

Das Motiv der Fremdheit
Dass dem doch nicht so ist, verdeutlicht die Sprache. Denn der Text ist auf Französisch und Schweizerdeutsch gehalten. Während Untertitel den Zugang erleichtern, verdeutlicht die Entscheidung das Motiv der Fremdheit.
Carol Schuler spielt die suchende Autorin. Dabei teilt sie sich die Bühne mit Kojack Kossakamvwe und den Mitgliedern des mittlerweile aufgelösten Spielboden-Chors.
Spielboden-Chor
Carol Schuler schlüpft in die Rolle der suchenden Autorin. Dabei teilt sie sich die Bühne mit Kojack Kossakamvwe und den Mitgliedern des mittlerweile aufgelösten Spielboden-Chors. Der Kongolesische Künstler ist auch für die Musik verantwortlich. Diese entwarf er in Anleihe an das Werk des Freiburger Komponisten und Abbé Joseph Bovet, dessen Lied „Le vieux chalet“ in 16 Sprachen übersetzt wurde. Verarbeitet durch Kossakamvwe, soll das transnationale in den Traditionen widerhallen.
Fremde Seelen
Vorarlberger Landestheater,
Großes Haus
15. Jänner, 19.30 Uhr,
16. Jänner, 19.30 Uhr,
18. Jänner, 19.30 Uhr,
6. Juni, 19.30 Uhr,
10. Juni, 19.30 Uhr