Ein feuriger Tanz im besten Zusammenspiel

Im Rahmen von Dornbirn Klassik gastierte das Münchener Kammerorchester unter einem seiner associated conductors, dem italienischen Geiger und Dirigenten Enrico Onofri, im Dornbirner Kulturhaus.
Mit Oboisten François Leleux brachten sie einen wunderbar musikantisch aufspielenden Solisten mit: Das MKO ist regelmäßig in der Region unterwegs (etwa durch eine eigene Reihe im Ravensburger Konzerthaus) und begeistert durch sein selbstständiges Spiel und die spannenden Programme, die Altes und Neues verbinden und Zusammenhänge schaffen.
Zerbrechlich, raunend und wispernd
Die Streichergruppe eröffnete mit einem anspruchsvollen Notturno des italienischen Komponisten Luciano Berio, der vor 100 Jahren geboren wurde und im Jahr 2003 gestorben ist. Das mehrteilige, aber durchkomponierte Notturno ist die Bearbeitung des dritten Streichquartetts aus dem Jahr 1993, in der Streichorchesterfassung sind die Stimmen vielfach aufgefächert, wirken zerbrechlich, raunend und wispernd mit sprechender Artikulation. Kurze Akzente verstärken die Dynamik, manchmal summt es wie ein Insektenschwarm, in einer kurzen, aber intensiven Steigerung finden die Instrumente zusammen. Mit klarer Körpersprache führt Onofri das so engagiert und feinsinnig farbenreich musizierende MKO durch dieses Werk.

Lange Atembögen von großer Expressivität
Dank der Bregenzer Festspiele und ihrer Raritätenpflege konnte man bereits vor über 20 Jahren die eindrücklichen Opern „Die griechische Passion“ und „Julietta“ des böhmischen Komponisten Bohuslav Martinu kennenlernen, der in einem Glockenturm seines Heimatdorfes aufwuchs. Das Studium in Paris, die Jahre im amerikanischen Exil und das Leben in Südfrankreich und in der Schweiz haben ihn ebenso geprägt, spiegeln sich in seiner hell timbrierten, transparenten Musik. Das Oboenkonzert entstand für einen tschechischen Landsmann, der nach Australien ausgewandert war und der dort sein Instrument vorstellen wollte. François Leleux, der in München lebende und lehrende Franzose, ist eng vertraut mit dem MKO, kommuniziert mit dem Ensemble und seinem Dirigenten, wirkt mit seinem lebendigen, über alle Register klangschön leuchtenden Ton wie ein Gaukler und Spielmann, der alle mit sich zieht. Besondere Farben steuern die Orchesterbläser und das Klavier bei, im langsamen Satz überspannt Leleux lange Atembögen von großer Expressivität. Das Finale entwickelt sich zu einem feurigen Tanz in bestem Zusammenspiel und gipfelt in einer atemberaubenden Solokadenz. In der Zugabe bezieht Leleux das Orchester mit ein, die Oboe verwandelt sich flugs in die sternflammende „Königin der Nacht“ und schafft so einen gelungenen Übergang zur nachfolgenden Haffner-Serenade.

Humorvolle Freiluftmusik
In der so frischen und pointiert wirkenden Interpretation dieser Serenade KV 250, die der Salzburger Kaufmann Sigmund Haffner anlässlich der Hochzeit seiner Schwester bei Mozart bestellt hatte, lässt das MKO teilhaben an Mozarts stets präsentem Theaterinstinkt: Spielfreudig zieht das Orchester mit dem eröffnenden Marsch ein, bodenständige Menuette mit zierlichen Trio-Teilen wechseln ab mit explosiven Akzenten oder gemütvoll lyrischen Melodien. Wieder begeistern die lebhafte Kommunikation der Musikerinnen und Musiker untereinander und mit ihrem Dirigenten, die Charaktere einer humorvollen Freiluftmusik und einer kunstvollen Festmusik verschmelzen in einer mitreißenden Darbietung dieses sympathischen Klangkörpers. Die nächste Gelegenheit, das MKO live zu hören, ist bereits am kommenden Mittwoch im Konzerthaus Ravensburg, wenn Jörg Widmann in seinem „Versuch über die Fuge“ Werke von Bach, Mozart und Beethoven mit einer eigenen Komposition verbindet und dabei die Besetzung des Kammerorchesters um die Stimme der Sopranistin Sarah Maria Sun erweitert.
Katharina von Glasenapp