Kultur

Stornierte Beziehungen und achtlose Liebe

04.02.2025 • 11:28 Uhr
Die Verdorbenen von Michael Köhlmeier
Hanser Verlag

Michael Köhlmeiers neuer Roman „Die Verdorbenen“ handelt von einer Dreiecksbeziehung mit fatalem Ausgang.

Liebe sei ein Feld großer Absonderlichkeiten, berichtet Michael Köhlmeier. Davon zeugt sein neuer Roman „Die Verdorbenen“. Er führt die Lesenden in das Marburg der 1970er Jahre, wo der Autor als Student etwas überaus Sonderbares erlebte. Eine junge Frau, flüchtig bekannt, gestand ihm ihre Liebe. Dabei war sie bereit, die fast ein Leben lang andauernde Beziehung zu ihrem Freund „radikal zu stornieren“, erinnert sich Köhlmeier zurück.

Aus der Wirklichkeit in die Fiktion

Auch wenn der Autor die rätselhafte Frau nie wieder sah, ließ ihn die Episode nicht mehr los. „Die Überlegung, was wäre geschehen, wenn ich mich auf sie eingelassen hätte, war immer da.“ Doch es sollten Jahrzehnte vergehen, bis ihm mit dem dritten Anlauf die literarische Verarbeitung gelang.
Im Mittelpunkt dieser steht der Ich-Erzähler Johann. Klar an den Autor angelehnt, scheiden sich Realität und Fiktion nach besagtem Treffen.
Denn Johann nimmt, zaghaft und achtlos, das Angebot von Christine an. Sie werden ein Paar. Tommi, seit Kindertagen und Doktorspielen ihr Freund, nimmt dabei Platz am Bettende ein. So entfaltet sich eine verstörende Beziehung mit viel Sex und zweifelhafter Intimität.

Johann erlebt in dieser Dreisamkeit, was Einsamkeit bedeutet. So schreitet der vermeintlich Taktvolle in den Egoismus, entfremdet sich von seinem Umfeld und begibt sich auf eine Reise mit fatalem Ausgang.

Die Kraft des Abwesenden

Dabei gelingt es Köhlmeier, mit kalter Sprache, das Böse als etwas auszudrücken, das sich in der Abwesenheit entfaltet und dabei weder auf Hass noch auf Wut angewiesen ist. Die Liebe hingegen muss von den Lesenden gefunden werden. Sie waltet durch die Handlung, aber nie im Zentrum.
Unbestimmte Gefühle signalisiert auch das Cover. Von seinem Sohn Lorenz geschaffen, hängt das Bild seit vielen Jahren im Atelier des Autors. Dabei schätzt er, dass der rätselhafte Blick des jungen Mannes mit jedem Tag noch rätselhafter wird.