Kultur

Die Archäologie des Après-Ski

05.02.2025 • 13:08 Uhr
Ausstellung Künstlerhaus
Irene G. Villanueva untersucht den „Tourist Sapiens“. RAIDT

Die Ausstellung „SilvrettAtelier Montafon 2024“ im Bregenzer Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis lädt zum kritischen Blick auf die Alpen.

Im Rahmen des 14. „Silvrett­Ateliers“ begaben sich vergangenen Sommer neun Künstler in alpine Höhen, konkret in die Silvretta. Inmitten schroffer Berge, ruhenden Schneekanonen und einem atemberaubenden Panorama, das jedem mittelalterlichen Bauern Angst in die Knochen gejagt hätte, ließen sie die widersprüchliche Welt des Alpinen auf sich wirken.

Gruppenfoto SilvrettAtelier 2024
Haas

Die in dieser Zeit inspirierten und entstandenen Werke stehen jetzt ein halbes Jahr später im Bregenzer Künstlerhaus zur Schau. „Auf 2000 Metern Seehöhe ist man automatisch fasziniert und da die meisten Teilnehmenden aus Städten kommen, waren sie davor noch nie so hoch oben“, schwärmt Roland Haas, der das Format seit Anbeginn 1998 leitet.

SilvrettAtelier Montafon 2024
Roland Haas im Atelier. Haas

Was Touristen zurücklassen

Selbst als Künstler tätig, beteiligte sich Haas mit klassisch anmutenden Landschaftsbildern und verspielten Skulpturen wie dem Ski-Virus. Dem Sinnbild des Krankheitserregers nachempfunden, schuf er die Kugel aus Tellern und Spitzen von Skistöcken. Dabei handelt es sich um Recycling-Kunst im unmittelbaren Sinne, denn Haas sammelt seit Jahren, was Touristen achtlos in den Bergen zurücklassen.

Ausstellung Künstlerhaus
“Ski-Virus” von Roland Haas.RAIDT

Ein achtsames Auge verlangen die Malereien von Julia Steiner. Ihre schwarz-weiß gehaltenen Arbeiten wirken auf den ersten Blick wie Zeichnungen. In Wirklichkeit sind sie das Werk virtuoser Pinselführung, mit der die Künstlerin eine tosende Alpenkulisse auf Papier bannte.

Julia Steiner
Julia Steiner. Haas
Ausstellung Künstlerhaus
In Steiners Alpenbild verschwimmt die steinige Landschaft mit brausenden Wellen. RAIDT

Mit Klara Pateroks „Felsenzucker“ setzt sich die Täuschung fort. Die teils knallbunten Objekte aus hartem Schaum wirken wie Mineralien aus einer fremden Welt. In Wirklichkeit wurden sie mit Eischnee, Farbe und 50 Kilogramm Zucker in der Großküche der Nova Stoba geschaffen. Ein Umstand, der den Wert touristischer Kooperationen für die Kunst verdeutlicht.

Klara Paterok
Klara Paterok. Haas
Ausstellung Künstlerhaus
Felsenzucker. RAIDT

Après-Ski-Zivilisation

Wie humorvoll diese den Fremdenverkehr kritisieren kann, zeigt „Tourist Sapiens“ von Irene G. Villanueva. Ihr Werk ist das Resultat „archäologischer Forschung“ und offenbart sich den Besuchern als klassische Museumsausstellung. Im Mittelpunkt dieser stehen Artefakte der mysteriösen Après-Ski-Zivilisation. Diese wurden bei einer Ausgrabung im Misthaufen freigelegt und erstrecken sich vom Wanderstock bis zum Zigarettenstummel. Dabei werfen sie ein Licht auf die Frage, warum Menschenmassen jeden Winter in die kargen Berge ziehen.

Irene G. Villanueva
Irene G. Villanueva. Haas
Ausstellung Künstlerhaus
RAIDT

Dass die europäische Kontinentalplatte in den Alpen auf die afrikanische trifft, weiß Andrea Salzmann. Ihre Arbeit trägt den Titel „Refugees Everywhere“ und setzt die langsame Bewegung der Steine in Bezug auf Migration von Menschen. So wird eine zur Flagge umfunktionierte Rettungsdecke zum Symbol für das Recht auf Zuflucht in den Bergen. Hinter ihr stehen 14 Steine, deren Individualität in gleich vielen Zeichnungen mit Frottage festgehalten ist.

Andrea Salzmann
Andrea Salzmann. Haas
Ausstellung Künstlerhaus
RAIDT

Gleichsam politisch, nur verzagter ist „Ach“ von Thomas Sterna. Die Videoinstallation ist das Resultat einer Performance, in der der Künstler die drei Buchstaben im Großformat durch die alpine Landschaft trug. Inspiriert wurde Sterna von Heinrich von Kleist. Denn wenn die Akteure seiner Stücke nicht mehr weiterwussten, ließ das „Ach“ nicht lange auf sich warten.

Ausstellung Künstlerhaus
Sterna trägt seine Ratlosigkeit in luftige Höhen.RAIDT

Während Agnieszka Szosteks Videoinstallation „Holes“ die Besucher auf eine Seilbahn-Fahrt mitnimmt, entwarf Michael Biber Acrylarbeiten mit hypnotischer Sogkraft.

Ausstellung Künstlerhaus
“Holes”. RAIDT
Ausstellung Künstlerhaus
RAIDT

Der in Berlin lebende US-Amerikaner Michael Markwick wurde beim Wandern in den Wäldern zu Malereien in groß und klein inspiriert. Während sie erst rein abstrakt wirken, legt ein Blick auf das dynamische Spiel von Form und Farbe Konkretes frei. So lassen sich Landschaften erahnen und Skelette finden. Für den Maler war dabei die Spannung zwischen der Natur und dem Menschen zentrales Motiv.

Michael Markwick
Michael Markwick. Haas
Ausstellung Künstlerhaus
RAIDT

Die Arbeiten verbinden sich zur größten, aber nicht einzigen Schau im Haus. So sind die neuen Mitglieder der Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs traditionell im Keller ausgestellt. Deren Werke erstrecken sich von sachlichen Vogelbildern bis hin zu okkult anmutenden Stoffarbeiten. Im Erdgeschoss wird dagegen das umfassende Schaffen von Maria Jansa und Ilse Konrad gefeiert. Im Dachgeschoss herrscht „The Good Life“ von Marcel Heise, der Bildhauerei und Architektur verspielt in Kontext setzt.