Kultur

Mit traumwandlerischer Sicherheit und Groove

10.02.2025 • 14:52 Uhr
Mit traumwandlerischer Sicherheit und Groove
Konzertmeisterin Sophie Heinrich und Chefdirigent Leo McFall. Mathis 

Eine orchestrale Reise durch 100 Jahre Musikgeschichte bot das jüngste SOV-Konzert am Sonntag.

Das Symphonieorchester Vorarlberg verwandelte sich im jüngsten Abokonzert unter seinem Chefdirigenten Leo McFall immer wieder einmal in eine kleiner oder größer besetzte Jazz-Combo. Mit zwei farbenreichen Kompositionen aus unserer Zeit, dem brillanten Klavierkonzert von Maurice Ravel und der rhythmisch höchst anspruchsvollen Symphonie von Igor Strawinsky entstanden übrigens alle Werke dieses facettenreichen Programms im Laufe der letzten 100 Jahre: Das SOV zeigt sich stilistisch vielseitig und beweglich, ebenso wie die Pianistin Claire Huangci und die Konzertmeisterin Sophie Heinrich.

Groove und Kammermusik

Mit traumwandlerischer Sicherheit und Groove
Stefan Greussing am Schlagzeug. Mathis 

„Avec Swing“ des peruanischen Komponisten Jimmy López bot einem kammermusikalisch besetzten Ensemble von Streichern, Bläsern und groovendem Schlagzeug die Bühne zum großen Auftritt mit ungewohnten Aufgaben: Vor allem Stefan Greussing am Schlagzeug durfte hier die Basis für die aufgeregt synkopischen Impulse der Oberstimmen legen, die sich der gewohnt klaren Leitung von Leo McFall anvertrauten.

Quecksilber und Trommelfeuer

Mit traumwandlerischer Sicherheit und Groove
Claire Huangci am Klavier.Mathis 

Maurice Ravel war ebenso von den Jazzklängen George Gershwins begeistert wie dieser von den Klangfarben des Franzosen. Und Claire Huangci, die Amerikanerin mit chinesischen Wurzeln, trifft mit dem quecksilbrig hellen Ton der Oberstimme, den trockenen Akkordschlägen, dem Trommelfeuer mancher Passagen und dem perkussiven Bass genau den Ton für das Konzert, das sich auch an der Klarheit eines Mozartkonzerts orientiert. Auch in ihrem Outfit – schillerndes Glitzerkleid und gefährlich hohe Absätze, so messerscharf wie manche Akkorde – passt die Pianistin, die schon oft mit dem SOV zusammengearbeitet hat, perfekt zu diesem Werk.

“Rotzende” Bläser und ein blitzender Finalsatz

Mit traumwandlerischer Sicherheit und Groove
Mathis 

Das Orchester, nun mit Monika Schuhmayer als Konzertmeisterin, antwortet mit „rotzenden“ Bläsern, den Klangflächen und Trillern der Streicher. Im langsamen, in sich kreisenden Satz bezaubert die Solistin mit ihrer Anschlagskultur, nach und nach wird sie von den Bläsern und Streichern in einem leuchtenden Crescendo getragen, das Englischhorn mischt sich mit seiner besonderen Klangfarbe dazu. Dem setzen Claire Huangci, Leo McFall und das SOV den mit einem Peitschenschlag beginnenden explosiven und blitzenden Finalsatz entgegen, mit traumwandlerischer Sicherheit meistert die Pianistin ihre Passagen. Mit der Zugabe „The man I love“ von George Gershwin in der Bearbeitung von Earl Wild, der die Melodie in funkelnde Arpeggien einpackt, greift die Pianistin die oben erwähnte gegenseitige Bewunderung der Komponisten auf.

Juchzer und Weltkrieg

Mit traumwandlerischer Sicherheit und Groove
Mathis 

Der in England bei Thomas Adès ausgebildete Spanier Francisco Goll beschert der Konzertmeisterin Sophie Heinrich mit „Vier iberischen Miniaturen“ einen besonderen Auftritt und bindet auch das Orchester farbenreich ein: Flamenco, Tango, Habanera klingen an, das typische Handklatschen, Kastagnetten, sogar ein Juchzer der Streichergruppe sind einkomponiert, tragische Melancholie ist ebenso gefragt wie vertrackte Rhythmen im virtuosen Solo und im Orchester. Das klingt folkloristisch und fordert das Orchester heraus, wirkt wie ein humoristisches Vorspiel zur abschließenden Symphonie in drei Sätzen von Igor Strawinsky: 1945 entstanden, spiegelt sie noch die grellen Schrecken des Zweiten Weltkriegs, ist nah an Schostakowitsch, dazu konzertant und rhythmisch vertrackt. Die Vielschichtigkeit des Komponisten zeigt sich auch in dem neoklassizistisch angehauchten langsamen Satz und dem unbeirrbaren Pulsieren des Finales: Auch diesen Stil hat Leo McFall seinem Orchester mit großer Klarheit und Transparenz vermittelt, was einmal mehr die Öffnung und Repertoireerweiterung unter seiner Leitung spiegelt! Weiter geht es im März mit Mozarts „Don Giovanni“….

Katharina von Glasenapp