Eine Schau, die alle Rahmen sprengt

Die umfassende Gruppenausstellung „Wo wir uns begegnen“ wird heute Abend um 19. Uhr im Feldkircher Palais Liechtenstein eröffnet.
Die schöpferische Wucht von mehr als 30 Feldkircher Kulturschaffender aus über 100 Jahren Stadtgeschichte stehen ab heute Abend im Palais Liechtenstein zur Schau, wenn die Ausstellung „Wo wir uns begegnen“ ihre Tore öffnet. Sie ist ein zentraler Teil der Feierlichkeiten zur 100-jährigen Eingemeindung der Montfortstadt. Dabei gewährt sie Einblick in das Wirken ihrer vielfältigen Bewohner, die allen Widrigkeiten zum Trotz nicht anders konnten, als schöpferisch die Welt zu erschließen.

„Hier und Jetzte“
Auf je neun Kapitel und Räume geglieder, widmet sich das Atrium dem „Hier und Jetzt“. Humorvoll paradox erinnert ein Kreuz des Nicht-Feldkirchner Uwe Jäntsch (geb. 1970) an das plötzliche Ende, denn es ist umrahmt von in der Villa Müller nachgestellten Sterbeszenen. Gleichsam sinnbildlich Johannes Ludeschers (geb. 1946) luftig schwebenes Naturstein-Imitat. Ruth Schnell (geb.1956) hingegen fasste 100 Jahre Stadtklima in eine Farbleiste, die Besucher nach ihrer Bereitschaft für die Zukunft befragt.

„Echo der Vergangenheit“
Das „Echo der Vergangenheit“ findet in der Aula seinen Platz. Während mit Martin Häusle (1903-1966) einer der bedeutendsten Gestalter von Kirchenfenstern vertreten ist, zeugen Gustl Meyers (1904-1978) naturalistische Arbeiten vom Schaffen einer wenig bekannten Künstlerin. Wache hält inmitten der historischen Arbeiten eine Geierfigur von WolfGeorg (geb. 1987).
“Karl Schimper – Fotografie und Dokument
Ein eigener Raum ist den Fotografien des Buchhalters Karl Schimper (1904-1966) gewidmet. Dieser hielt zwischen 1925 und 1965 das sich verändernde Stadtbild auf tausenden Bildern fest.
„Eugen Steck – Astronomie und Kunst“

Den bewegenden Himmelskörper widmete der Kaufmann Eugen Steck (1902-1985) seine Freizeit. Mit einem selbst gebauten Teleskop beobachtete er bereits als Jugendlicher den Sternenhimmel. Wie Fotografien wirkende Bleistiftzeichnungen von Mondkratern zeugen dabei von seinem künstlerischem Können.
„Anne Marie Jehle – Zensur und Rebellion“

Arno Egger, der gemeinsam mit Bianca Maria Rovetta die Schau kuratiert, schildert Anne Marie Jehles (1937-2000) Biografie als düsteres Kapitel der Stadtgeschichte. Die avantgardistische Künstlerin stieß ungebremst schaffend auf Unverständnis. Nachdem sie sich in den 80er-Jahren aus der Öffentlichkeit zurückzog, verschwand die Künstlerin für acht Jahre in die USA, bis sie obdachlos von Verwandten gefunden wurde. Während Jehle die späte Würdigung ihrer Werke nicht mehr erleben konnte, stehen diese unter dem Titel „Zensur und Rebellion“ zur Schau.
Dada!
„Collage und Vergängliches“ zeigt, wie Franz Amann (geb. 1973) die Innenstadt mit seinem eigenen Leib bemisst. Auf den ersten Blick humorvoll sprechen seine Werke eine ähnliche Sprache wie die dadaistischen Collagen von Max Riccabona (1915-1997). Das KZ Dachau überlebend, zählte der gelernte Jurist zu den visionärsten Künstlern der Vorarlberger Nachkriegszeit.
„Melanie Ebenhoch – Illusion und Kulisse“

„Illusion und Kulisse“ zeigt, wie Melanie Ebenhoch (geb. 1985) Filmklischees der 50er und 60er-Jahre in ein humorvolles Medium der Kritik verwandelt.
„Nature! – Sehnsuchtsort und Ressource“

Dass man den Kopf durchaus in den Sand stecken kann, weiß Alfred Graf (geb. 1958). Davon zeugen seine im der Natur gewidmeten Raum ausgestellten Sedimentmasken. Diesen ziert ein märchenhafter Wurzelstock von Franz Huemer (1924-2012). Ganz anders seine späte Jugend, in der der Künstler freiwillig der SS beitrat und in Griechenland und Jugoslawien für das Nazi-Regime kämpfte. Durch Krieg, Gefangenlager und Elektroschock-Therapie gepeinigt, fand er später ein Bahnwärterhäuschen in Altenstadt als Heimstätte.
„Fotografische Erzählung einer Stadt – Menschen und Momente“

„Menschen und Momente“ zeigt Fotoporträts Feldkircher Persönlichkeiten der vergangenen Jahrzehnte. Etwa Friedrich Fels (geb. 1948), der den als „Tschigg Männle“ bekannten Hans Wäger oder einen Mann vor dem Zugunglück von 1972 in Schwarz-weiß festhielt. Um das Aufwachen geht es in Erika Kronabitters (geb. 1959) Serie „morgengesichter“. Katharina Pfleger-Siess (geb. 1948) Bild von der Kapfschlucht-Brücke liefert passend zum Jahr ein Sinnbild für die städtische Vereinigung.

Die Ausstellung sieht sich dem humanistischen Erbe Feldkirchs verpflichtet. Wie ein roter Faden zieht sich das Motiv durch die Schau, in deren obersten Stock Wissenschaft und Kunst eins werden. So schufen Künstlerin Barbara Husar (geb. 1975) und Astrophysiker Michael G. Breitfellner Objekte, die ein Licht auf Fragen des Kosmos werfen. Etwa, welche der uns bekannten Naturgesetze eine erdfremde Zivilisation entdecken würde. Dabei wird die Physik poetisch, wenn Breitfellner daran erinnert, dass Gegenstände wie Kompass, Stativ oder eine Wasserwaage von allen Zivilisation schaffenden Wesen hervorgebracht werden könnten. Heute und morgen Abend lädt das Duo zum Gespräch ins Palais.