Klingendes Netzwerk des 18. Jahrhunderts

Wiener Geschichte, Götzner Bühne: Das Barockorchester Concerto Stella Matutina ließ Vergangenes leuchten.
Was für eine Hausgemeinschaft bildete sich da im Wien des 18. Jahrhunderts im großen Haus am Michaelerplatz 4!
Das Barockorchester Concerto Stella Matutina, das sein 20-jähriges Bestehen unlängst gemeinsam mit der Vorarlberger Chorakademie feierte und am vergangenen Montag sein ersehntes Debüt im Wiener Musikverein mit Monteverdis Marienvesper gab, ging in seinem jüngsten Abokonzert mit einer „Musikalischen Soiree im Michaelerhaus“ auf seine charakteristisch frische Weise den zahlreichen Spuren nach: Der kaiserliche Hofdichter Pietro Metastasio, dessen Opernlibretti die Grundlage für eine Vielzahl von Opern lieferten, residierte ebenso in diesem stattlichen Haus in der Nähe zur Hofburg wie der Neapolitaner Nicolò Martines, dessen musikalisch hochbegabte Tochter Marianna hier geboren und von Metastasio gefördert wurde.
Musikalischer Salon
Ihre Einladungen zu musikalischen Salons waren bei Musikern und Gesellschaft beliebt. Auch der neapolitanische Opernkomponist Nicola Porpora lebte als gefragter Gesangslehrer in diesem Haus, ebenso Antonio Salieri, der Kapellmeister der italienischen Oper. In einer Dachkammer war außerdem der junge Joseph Haydn untergekommen, der nach dem Stimmbruch aus der Chorkapelle des Stephansdoms ausgeschieden war und sich sein Brot zunächst als Kammerdiener und Assistent von Porpora und Klavierlehrer der jungen Marianna Martines verdiente.

Dass im ersten Stock die verwitwete Fürstin Esterhazy residierte, deren Sohn Paul Anton über Jahrzehnte Haydns Dienstherr in Eisenstadt werden sollte, zeigt auf, dass der Begriff „Netzwerk“ keine Erfindung unserer Zeit ist: Im Michaelerhaus liefen zahlreiche Fäden zusammen, auch Mozart ging in den 1780er Jahren dort ein und aus, spielte mit Marianna Martines vierhändig. Auch wenn all diese Künstler, Komponisten und Musikerinnen (zu ihnen gehörte auch die früh erblindete Maria Theresia Paradis) nicht gleichzeitig in diesem Haus gelebt haben, brachte diese „Soiree“ überraschende Querverbindungen und Entdeckungen mit sich. Nicht zuletzt hat auch Johannes Hämmerle während seiner Studienzeit als zweiter Organist an der historischen Sieber-Orgel in der benachbarten Michaelerkirche gewirkt und schwärmte von dem freundlichen filigranen Instrument, das ihn geprägt habe.

Das Concerto Stella Matutina (CSM) mit Konzertmeister David Drabek wurde von Thomas Platzgummer vom ersten Cello aus geleitet, dessen erfrischende Moderationen einen großen Anteil an der Beliebtheit dieser Konzertreihe in der Kulturbühne Ambach haben. Haydns Ouvertüre zu „L’isola disabitata“ versprühte den Geist des musikalischen „Sturm und Drang“ mit geschärften Akkorden und einem lieblichen Mittelteil. Der erste Satz aus einem Orgelkonzert von Antonio Salieri ließ Johannes Hämmerle mit reich verziertem Laufwerk, Trillern und einem launigen Frage-Antwort-Spiel auf der Truhenorgel brillieren. In der festlichen Ouvertüre zu „Carlo il Calvo“ von Nicola Porpora glänzten auch die Bläsergruppen in feinen Duetten und Dreiklangsfiguren, nach dem zierlichen Menuett-Mittelsatz erfreute sich Paukist Stefan Greussing mit viel „Wumms“ am virtuosen Dialog mit den Bläsern.
Empfindsamkeit
Vor der Pause lernte man das freundliche, für das Soloinstrument durchaus anspruchsvolle, mit Kadenzen, Trillern und feiner Empfindsamkeit geschmückte Cembalokonzert der oft erwähnten Marianna Martines kennen. Die von Mozart hochgeschätzte blinde Pianistin Maria Theresia von Paradis steuerte eine spritzige Ouvertüre „Der Schulkandidat“ zum Programm bei, die auf entzückende Weise mit Mozarts Papagena verwandt scheint. Schließlich setzte Mozarts festliche und schon so charaktervolle Symphonie Nr. 20 aus Salzburger Zeit den kontrastreichen Schlusspunkt mit strahlenden Fanfaren, einem lieblichen, schön phrasierten Andante, einem bodenständigen Menuett und einem Finale, in dem wie immer der Dramatiker Mozart durchblitzte.
Staunen ist angesagt
Beim nächsten Abokonzert am 8. und 9. Mai werden in der Missa Salisburgensis von Heinrich Ignaz Franz Biber alle Mitstreiterinnen und Partner aufgeboten, die im Laufe der zwei Jahrzehnte mit CSM gesungen, geblasen und gestrichen haben und sich mit 53 Stimmen zur Festmusik aus dem Salzburger Dom vereinen – Hingehen, Hören, Staunen ist angesagt!
Katharina von Glasenapp