Kultur

Unterricht mit Hip-Hop und Haltung

03.05.2025 • 07:00 Uhr
Unterricht mit Hip-Hop und Haltung
Textsicher und souverän. Hartinger

Coolios „Gangsta’s Paradise“ wird in der MS Dornbirn Markt zum Ausgangspunkt für gelebtes Lernen. Ein Projekt mit dem Songwriter Falco Luneau macht das möglich.

Dornbirn liegt nicht in Kalifornien und ist wahrlich kein Verbrecherparadies. Dennoch wohnt Coolios (1963-2022) Hip-Hop Klassiker „Gangta‘s Paradise“ ein Zauber inne, der auch im 30. Jahre seiner Veröffentlichung nicht verflogen ist. Basierend auf der Musik von Stevie Wonder, kündet der epische Song vom leidvollen Leben inmitten von Armut, Gewalt, Verbrechen und Drogen. Eine dramatische Qualität, von der auch der Songwriter Falco Luneau überzeugt ist. Seit Oktober begleitet er zwei Mittelschulklassen der MS Dornbirn Markt, die sich im Rahmen des Projekts „Dangerous Minds“ fächerübergreifend mit dem Song und seinen Themen auseinandersetzten.

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Die Schüler schufen ein Gemeinschaftswerk. Hartinger

Vom Schweigen zum Solo

Im Englischunterricht übten sie die korrekte Aussprache, Übersetzen und wagten einen Blick hinter die Metaphern. Die US-amerikanische Sklaverei wurde in Geschichte besprochen, Drogen und das Leben im Ghetto in Geografie. Eine vollständige Auflistung der mannigfaltigen Zugänge würde den Rahmen des Artikels sprengen. Besonders hervor stechen aber der Musik- und Kunstunterricht. Denn die Schüler gewannen nicht nur an Wissen, sondern auch Haltung und praktische Fähigkeiten. Diese kulminieren in einer Tonstudioaufnahme, samt Musikvideo und selbst gestalteter Graffiti-Kulisse.

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Sabine Gaßner strotzt vor Stolz auf ihre Schüler. Hartinger

Musiklehrerin Sabine Gaßner (53), Sängerin der Band Miss Sophie, ist eine der acht beteiligten Lehrkräfte und Co-Initiatorin des Projekts. „Die intensiven Proben bringen Zielstrebigkeit, Durchhaltevermögen und Gemeinschaftssinn. Auch Mut ist ein Thema“, berichtet die Lustenauerin stolz. Der Liedermacher kann sich dem nur anschließen. Es sei nicht einfach gewesen, die 40 Kinder aus zehn Nationen in singenden Einklang zu bringen. Besonders ergreifend empfanden beide den Moment, als ein schweigsames Mädchen bereitwillig zum Solo ansetzte. „Die Lehrer waren zu Tränen gerührt“, schwärmt Luneau.

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Emir Alaz (13) und Leano Gamber (12).Hartinger

Wie mutig das ist, weiß der alles andere als schüchtern wirkenden Leano Gamber (12): „Ehrlich gesagt war es am schwierigsten, die richtigen Töne zu treffen und sich dazu überwinden, ins Mikro zu singen.“

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Graffiti-Künstler Domingo Mattle nimmt am Unterricht teil. Hartinger

Graffiti-Galerie

Nachdem der Song Anfang April aufgenommen wurde, verwandelten sie diesen Dienstag und Mittwoch die Unterführung in der Dornbirner Schlachthausstraße in eine regelrechte Graffiti-Galerie. Zur Seite standen ihnen dabei Künstler wie Domingo Mattle. „Die Kinder sind super beeindruckend“, schwärmt der erfahrene Sprayer, während neben ihm Schüler ihrer Kreativität freien Lauf lassen.

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Hartinger

So auch Ben Thurnher (12) und Leonard Mahai (14). „Es ist schön, dass wir die Wände umgestalten dürfen. Davor habe ich erstmals im Werkunterricht gesprayt“, strahlt Thurnher während Michai fortführt: „Da haben wir Hosen, Kappen und T-Shirts für den Videodreh entworfen.“ Obwohl beide privat keinen Rap hören, hat ihnen das Übersetzen besonders gut gefallen.

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Die sprachbegeisterte Fathema Sadtsamimi (13). Hartinger

Fathema Sadtsamimi (13) sieht das ähnlich: „Der Englischunterricht war am coolsten. Denn ich möchte die Sprache gut beherrschen und mag auch die Musik.“

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Emily Lenz (14) ist auf den Graffiti-Geschmack gekommen. Hartinger

Strahlende Klangfarben

Wie kompetent und mutig die Klassen jetzt sind, wurde beim Videodreh unüberhörbar deutlich. Denn als der junge Chor unter dem Bahngleis zu singen anfing, schwang Himmlisches mit. Textsicher und klar im Ausdruck harmonierten sie Strophe für Strophe. Die Klangfarben strahlten so virtuos durch die Unterführung, dass sogar die Graffitis blass dastanden.