Ein souveräner Ritt durch den Kakao

Das Landestheater Vorarlberg inszeniert Kafkas „Amerika“ mit viel Klamauk. Star der Show ist Hauptdarsteller Nurettin Kalfa.
Ein düsteres Slapstick-Spektakel bietet das Vorarlberger Landestheater mit ihrer Interpretation von Franz Kafkas unvollendetem Romanzyklus „Amerika“.
Mehr als ein Land
Im Mittelpunkt der Handlung steht die abenteuerliche Reise des jungen Karl Roßmann in das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Von den europäischen Eltern ins Exil jenseits des Atlantiks gedrängt, offenbart sich seine Flucht als Ankunft in eine Welt ohne Geborgenheit. Amerika steht dabei nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern das moderne Leben schlechthin.
Unmissverständlich warnt die Hoffnung vor den Gefahren, die dem jungen Rossmann auflauern, wenn die Freiheitsstatue (Elzemarieke de Vos) gleich am Beginn zu „Welcome to the Jungle“ von Guns N‘ Roses ansetzt, mit dem ersten Ton die Widersprüchlichkeit der Welt markiert.

Souveräner Ritt durch den Kakao
Nurettin Kalfa wirkt dabei wie für die Hauptrolle geschaffen. Mit virtuoser Situationskomik und beharrlicher Ausdauer atmet sein Bühnenspiel eine physische Sprache universeller Natur, die fast vergessen lässt, dass Zuseher drei Stunden lang miterleben, wie Rossmann durch den Kakao der Menschheit gezogen wird.

Begleitet wird er durch ein Ensemble von Verwandlungskünstlern. Schwindelerregend schnell wechselt Isabella Campestrini vom tatrigen Kapitän zur lasziven Femme fatale in die Rolle der traurigen Liebenden. Elegant dagegen Nico Raschner, egal ob im Fettanzug oder singender Dragqueen.
Gemeinsam mit David Kopp, de Vos und Roman Mucha verkörpern sie ein Sammelsurium teils übler Gesellen, die gerade in ihrer Garstigkeit menschlich wirken.

Karoline Bierner hat das primär aus großen Koffern bestehende Bühnenbild entworfen. Flexibel einsetzbar, zeugen die teils absurden Dimensionen von sprichwörtlich kafkaesken Räumen.
Unmissverständlich cool auch die Musik unter Leitung Oliver Raths, samt Bandmitglieder Marcello Girardelli, Martin Grabher und Aris Kapagiannidis. Sogar die singenden Schauspieler überzeugen.
Opium für das Theatervolk
Niklas Ritters Inszenierung erinnert an alte Micky Maus Filme. Der Klamauk bleibt leider in keinem Hals stecken. Vielmehr mildert es die Tücke, wandelt den Skandal der Handlung in sichtlichen Spaß. Das Träumerische an der in ihrer Absurdität realistischen Erzählung kippt damit vom kollektiven Nachtalb zum Opium für das Theatervolk. Lobend ist die Abwesenheit des weitverbreiteten Antiamerikanismus hervorzuheben.
Weitere Aufführungen von „Amerika“ finden jeweils am 15., 18., 20. und 21. Juni im Vorarlberger Landestheater statt.