Kultur

Höhenflüge mit Joana Mallwitz und Kian Soltani

30.05.2025 • 20:07 Uhr
Joana Mallwitz und Kian Soltani
Joana Mallwitz und Kian Soltani. koehler

Beim Konzert im Graf-Zeppelin-Haus trafen musikalische Präzision und emotionale Tiefe aufeinander – das Publikum zeigte sich begeistert.

Das Konzerthausorchester Berlin und seine wunderbare Chefdirigentin Joana Mallwitz sind gemeinsam mit dem Cellisten Kian Soltani auf Tournee, für ihn war das Konzert im Rahmen des Bodenseefestivals natürlich auch ein umjubeltes Heimspiel. Das Interesse war entsprechend groß, aus einem weiten Umkreis strömte das Publikum ins Graf-Zeppelin-Haus.

Joana Mallwitz und Kian Soltani
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Zarte Farben

Das Eröffnungsstück erinnerte an die so hochbegabte und früh verstorbene Komponistin Lili Boulanger, deren „D’un matin de printemps“ einen Frühlingsmorgen in zarten Farben und durchsichtigem Satz zeichnet. Mit ihrer klaren und sparsamen Körpersprache inspiriert Joana Mallwitz ihr Konzerthausorchester Berlin, dem sie nun in der zweiten Saison verbunden ist, zu leuchtenden und spritzigen Klängen.

Elegant und präzise

Andere würden die „Nocturne“ von Peter Tschaikowsky, ursprünglich ein Klavierstück, das der Komponist für Wilhelm Fitzenhagen, den Solisten seiner „Rokoko-Variationen“, umgearbeitet hatte, vielleicht als Zugabe spielen. Aber auch als Einstimmung in das Variationenwerk passte die melancholische Melodie hervorragend und gab Kian Soltani die Möglichkeit, sich schon einmal „einzusingen“: Der bewegtere Mittelteil und die von Flötengirlanden umspielte Wiederaufnahme des Themas zeigten Orchester und Solisten in zartem Dialog. Die „Variationen über ein Rokoko-Thema“ sind Tschaikowskys Verbeugung vor Mozart und es war eine Freude, die enge Verbindung zwischen der feingliedrigen Dirigentin, deren Impulse ebenso elegant wie präzise sind, dem Orchester und dem souveränen Solisten wahrzunehmen: Thema und Variationen setzte Soltani phantasievoll, mit feinen Verzierungen, sauber und spielerisch leichtfüßig bis in höchste Lagen um.

Joana Mallwitz und Kian Soltani
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Liebe zur Filmmusik

Ebenso liebevoll gestaltete Joana Mallwitz den Orchesterpart mit den feinen Holzbläserpassagen, die an die Ballettpartituren Tschaikowskys erinnern, den Pianissimopassagen, bei denen die Dirigentin fast unter dem Pult verschwand, und der spielfreudigen Stretta in der letzten Variation. In der Solokadenz hatte Soltani gleichsam mit sich selbst Melodie und Begleitung gestaltet, mit Trillern, Flageoletts und Chromatik geglänzt. Und da der Vorarlberger eine große Liebe zur Filmmusik hat und immer wieder gerne das Orchester in seine Zugaben einbezieht, musizierte er mit der Cellogruppe (die Kollegen am ersten Pult hatten den Solisten vorher schon intensiv beobachtet) ein klangschönes Stück aus Schostakowitschs Filmmusik zu „The Gadfly“.

Partitur der Unvollendeten

Zur Musik von Franz Schubert hat Joana Mallwitz ein besonders enges Verhältnis, wie sie in Interviews immer wieder betont. Schon als Jugendliche studierte sie die Partitur der Unvollendeten und die große C-Dur-Symphonie, die jetzt auf dem Tourneeplan steht, musizierte sie bei ihrem ersten Kontakt mit dem Konzerthausorchester coronabedingt vor leerem Haus und für die Kameras. Man wird nicht müde, die Dirigentin oder allein ihren linken Arm zu beobachten, die Durchlässigkeit und zugleich Bodenständigkeit, die ihr Musizieren kennzeichnen. Die „himmlischen Längen“, die dieser Symphonie nachgesagt werden, sind bei ihr „nur“ himmlisch, dafür kurzweilig, ungemein spannend, mal gemeißelt in den Posaunenakzenten oder graziös tänzelnd im schönen Oboensolo des zweiten Satzes. Viele zierliche Figuren arbeitet Mallwitz heraus, fügt sie zum großen Ganzen, lässt Holz- und Blechbläser leuchten und das ganze Orchester beben. Steigerungen im Finale mit den breiten Akkorden der Unterstimmen und den geschärften Spannungsklängen klingen wunderbar organisch, wenn Dirigentin und Orchester zu fliegen beginnen – großartig!

Katharina von Glasenapp