Form folgt Fürsorge

Gassner
Mit Design, das Orientierung fühlbar macht, gewinnt das Atelier Andrea Gassner Preis auf Preis.
Der Joseph Binder Award ist eine internationale Auszeichnung für Grafik und Illustration, mit dem 2024 die drei Vorarlberger Design-Studios Atelier Andrea Gassner, Zeughaus und Studio Ferregan geehrt wurden. Ihre Arbeiten konnten sich unter 896 Einreichungen aus 35 Ländern durchsetzen. Jetzt sind sie bei einer gemeinsamen Schau aller Preisträger-Projekte in der CampusVäre, Dornbirn, bis zum 24. Juli ausgestellt.

Von Produkt-Design, über Werbe-Illustration bis hin zur gestalterischen Vermittlung von Informationen vermittelt die Schau Einblick in das weite Feld der Grafik. So auch die Werke der lokalen Preisträger.
Mit einem Gold- und zwei Anerkennungspreisen dominiert das in Feldkirch ansässige Atelier Andrea Gassner die Kategorie „Informationsdesign“. Allen Beiträgen ist die besondere Handschrift Gassners gemein, deren Selbstverständnis weit über Fragen von Form, Schrift und Farbe hinausgeht. Vielmehr beginnt sie jedes Projekt mit „der Suche nach dem Mehrwert“.
Preisregen für Spürangebote
Beispielhaft dafür sind die Wegleitsysteme des Pflegezentrums Zehntfeld in Widnau (CH). Gassner und ihr Kollege Christopher Walser entwarfen sechs verschiedene Handläufe für die drei Stockwerke des in Ost- und Westtrakt gegliederten Baus. Jeweils unterschiedlich in der Haptik erlauben sie den Bewohnern tastende Orientierung ohne Schrift. „Wir bieten ein Spürangebot. Kognitiv-Eingeschränkte, etwa Demenz-Erkrankte, finden damit zurück auf ihr Zimmer und gewinnen ein Gefühl der Sicherheit“, erläutert die Designerin.

Das Projekt entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten Andreas Cukrowicz, der Heimleitung und Widnaus damaliger Bürgermeisterin, Christa Köppel. Denn „ohne Austausch funktioniert es nicht“, ist Gassner überzeugt. Der Erfolg gibt ihr recht. So wurde das Projekt mit dem Henry Steiner Prize, jeweils Gold beim Joseph Binder Award und dem European Design Award und Silber beim Preis des Art Directors Club of New York geehrt. Obwohl das Konzept naheliegend wirkt, sei es laut Erfinderin das Erste seiner Art und jetzt auch durch ein Patent geschützt.
Spielerisches Lernen
Mit einer eigenes geschaffenen Schrift beteiligte sich Gassners Studio am Neubau der Volksschule Altenstadt in Feldkirch. Wie in Widnau ist das haptische Lernen auch hier zentral. Besonders hervor stechen dabei ihre buchstabenförmigen Sitzmöglichkeiten im Lichthof der Schule. Ursprünglich als Wörter „Pause“ und „Insel“ angeordnet, erlaubt die modulare Bauweise den Kindern ein verrückendes Spiel mit der Sprache.

Der Beitrag wurde mit dem Anerkennungspreis des Joseph Binder Awards geehrt, so auch ihr Entwurf für Signaletik (System der räumlichen Orientierung) des neuen Familienzentrums der Gemeinde Nenzing. Anhand hölzerner Piktogramme in Griffhöhe lernen dort die Kindergartenkinder, was für eine Funktion ein Raum erfüllt. Den Schlafraum markiert etwa ein Auge, das sich öffnen und schließen lässt.

Teamwork und tierische Pedalritter
WIN ist ein Kartenspiel über Teamwork und die Idee des früheren Geschäftsführers der Fachhochschule Vorarlberg, Vaheh Khachatouri. Anhand von Stichwörtern wie „Entscheidungsfindung“ widmet es sich Momenten der Arbeitswelt, die vom Grafiker Gustavo Ferregan versinnbildlicht wurden. Dafür wurde der in Lustenau ansässige Gestalter mit dem Gold-Preis in der Kategorie „Illustration in verschiedenen Anwendungen“ geehrt.

Gleichermaßen verspielt sind die „Radfreundlich Radlertypen“ der Agentur Zeughaus aus Feldkirch. Die für das Land Vorarlberg entworfenen Motive verbinden Typen von Fahrradfahrern mit Tierbildern und lustigen Stichworten.

Etwa Schildkröte Nora Nostalgia, sie sich Pfeife rauchend über ihr Retorbike beugt. Während sie dafür in der Kategorie „animierte Illustration“ den Bronze-Preis erhielten, wurde das Studio für die Gestaltung des Bierflaschen-Etiketts der Brauerei Latschaur mit dem Anerkennungspreis in der Rubrik „Verpackungsgestaltung“ ausgezeichnet.