Kultur

Entrückt in eine ferne Zeit

13.10.2025 • 13:28 Uhr
Hohenemser Chor- und Orgeltage 2025
In der Pfarrkirche St. Karl kam es zum Dialog von Renaissancegesang und Jazz-Saxofon. Hohenemser Chor- und Orgeltage

Am Sonntagabend fanden die 34. Hohenemser Chor- und Orgeltage mit Musik von Heinrich Isaac und Hans Buchner seinen klangvollen und zugleich meditativ-kontemplativen Abschluss.

Bei seiner Begrüßung spannte Kurator Christoph Wallmann einen Bogen von der Gegenwartskunst zur Kunst des Rinascimento und er kündigte an, dass genau diese Verknüpfungen im Folgenden zu finden seien. In die gleiche Kerbe schlug auch der Leiter des Ensemble cantissimo, Markus Utz, der außerdem erklärte, in der Renaissance-Zeit sei es üblich gewesen, Vokalmusik und Instrumentalmusik in einer Art alternatim-Praxis aneinander gegenüberzustellen, um so zu ermöglichen, dass sich beides komplettierte. Dann erwähnte er noch, dass er mit seinem Ensemble nach dem Start in Hohenems nun zu einer größeren Tournee aufbrechen wolle, die die Wirkungsorte des Haupt-Komponisten des Abends, Heinrich Isaac, aufsuchen würden, der über Innsbruck, Verona, Mailand bis nach Rom gekommen war, wo die Tournee dann enden solle.

Hohenemser Chor- und Orgeltage 2025
Hohenemser Chor- und Orgeltage

Eine stimmige Balance

Ausgehend vom gregorianischen Choral zur Osterzeit brachten nun die vier Protagonisten des Ensemble cantissimo: Iris-Anna Deckert (Sopran), Johannes Kionke (Altus), Philipp Claßen (Tenor) und Roland Faust (Bass) die kunstvollen Motetten aus der Feder von Meister Isaac in einer fein abgestimmten und dem Originalklang der Renaissance-Zeit nahekommenden Interpretation als kunstvolle Klang-Architektur zum Klingen. Nahtlos aus den Schlusstönen herausperlend knüpfte Saxophonist Alessandro Smider an die wesentlichen Gedanken der Werke in freien Solo-Improvisationen an, frei wie ein Nachgedanke und klangvoll wie eine eindringliche Idee.

Gewählte Orgelklänge

Organist und Ensemble-Leiter Markus Utz ergänzte dann in der anfangs erwähnten alternatim-Praxis die zu den Chorälen die zugehörigen Nachspiele des Isaac-Zeitgenossen Hans Buchner und zeigte durch gut gewählte Aliquoten- und Zungenregister, wie gut die neu renovierte Gollini-Orgel von Sankt Karl auch das Klangbild der Renaissance darstellen kann. Erwähnenswert ist sicherlich auch, dass das Ensemble in seiner Auswahl der Werke von Isaac und Buchner einen kleinen Schatz hob, der viele hunderte Jahre ungesehen und unbeachtet vor sich hin schlummerte und nun erstmals wieder einer größeren Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Ein raumgreifendes Konzept

Das Konzept, in alternatim-Praxis Vokalmusik und Instrumentalmusik einander gegenüberzustellen, wurde durch das „raumgreifende Musizieren“ des Ensembles noch weitergeführt, das – beginnend in der Apsis, hinunterschreitend vor den Altar, dann hin zum Kreuzgang und schließlich (bei der Zugabe „Innsbruck, ich muss dich lassen“) als kleiner Auszug aus der Kirche schreitend – den ganzen sakralen Raum bespielte. So wurde die musikalische Idee auch zu einer konzeptuellen Idee, die die Tiefe der gedanklichen Planung eindrücklich zeigte.

Thomas Thurnher