Kultur

Der Flipperkasten als Meditations-Maschine

30.10.2025 • 18:38 Uhr
All Life is Suffering (Extra Ball Never Hurts)
Anfänger und Profis folgen gespannt dem Lauf der Kugel. wgn

Die Ausstellung „All Life is Suffering“ im Bregenzer Kunstraum EG offenbart die spirituelle Seite des Spiels.

„Unsere besten Arbeiten sind die, wo man nicht weiß, wer der Künstler ist. Im Idealfall merkt nicht einmal das Publikum, dass sie Teil des Kunstwerks sind“, gesteht ein Mitglied der Gruppe UNO aus Wien, der anonym bleiben möchte.

Zeitlose Maschinen

Noch diesen Freitag und Samstag ist das Kollektiv mit der sozialen Skulptur „All Life is Suffering (Extra Ball Never Hurts)“ im Bregenzer Kunstraum EG vertreten. Dort offenbaren sich drei Flipperautomaten aus der Produktion Bally/Williams, die in den 1990er-Jahren hergestellt wurden. „Es sind zeitlose Maschinen, die wir von einem Sammler in Dornbirn ausgeliehen haben. In unseren Augen sind es Kunstwerke aus der goldenen Ära des Flipperns und er damit ein Kunstsammler.“

All Life is Suffering (Extra Ball Never Hurts)
Jede Maschine folgt einem popkulturellen Motiv wie Elvira (l.), Corvette Autos oder Bram Stokers Dracula (r.). wgn

Immer besser scheitern

Die Geräte erlauben ein Spiel, dass nicht gewonnen werden kann. Denn auch der Erfahrenste wird irgendwann erleben, wie ihm die Kugel entgleitet. Maximal ist ein besseres Scheitern möglich. Daran erinnert der Titel, auf Deutsch: „Alles Leben ist Leiden (Ein zusätzlicher Ball tut nie weh).“ Die buddhistischen Anklänge sind bewusst gewählt und verweisen auf Parallelen zu uralten spirituellen Praxen.

All Life is Suffering (Extra Ball Never Hurts)
Die Kugel wird mit zwei Knöpfen gesteuert. wgn

„Kyūdō, die japanische Kunst des Bogenschießens, kommt für mich konzeptuell am nächsten. Denn auch wenn es ums Treffen geht, muss man auf gewisse Weise nicht treffen wollen“, offenbart der UNO-Vertreter unerwartete Einsichten.

Spirituelles Medium

Vielmehr gehe es laut dem kuratierenden Künstler darum, die Maschine zu erschließen. Denn mit ihren Tausenden Einzelteilen spielt sie sich mit jedem Tag etwas anders, bekommt Eigenheiten, die sich erst im Umgang offenbaren. Gelingt das Einfühlen, erreichen Spieler einen meditativen Flow, bei dem unklar wird, ob das Gerät den Bediener oder umgekehrt steuert. So werden die Relikte vergangener Massenkultur zu einem spirituellen Medium, dem sich eine spezielle Fangemeinde ungebrochen widmet.

All Life is Suffering (Extra Ball Never Hurts)
Flippern fasziniert auch nach der Blütezeit über Generationen hinweg. uno

„Es ist die niederschwelligste Subkultur und gleichzeitig sehr ernst. Dabei trifft man auf die unterschiedlichsten Leute, die wie in keiner anderen Szene, die ich kenne, in ihr Hobby eintauche“ schwärmt der Kurator. So überrascht es nicht, mit welcher Strenge ihm Flipper-Profis Anfangs begegneten: „Als ich vor gut zehn Jahren im Wiener Prater in das Spiel eingeführt wurde, hat mich Flippermeister T.O.N. unter die Fittiche genommen. Er hat zugeschaut und nur wenn ich etwas falsch gemacht habe, etwas gesagt.“ So er schloss sich dem Künstler eine meditative Maschinen-Symbiose, die er bei jeder günstigen Gelegenheit eingeht.

Im Tanz mit dem Gerät

Wer im Tanz mit dem kultigen Gerät die ersten Schritte setzten möchte, der hat am Freitag ab 19 Uhr und am Samstag ab 16 Uhr die Chance dazu. Danach schließt die interaktive Schau in der Bregenzer Maurachgasse 1 ihre Tore. Die Experten vor Ort sind im Gegensatz zu besagtem Meister aus Wien nicht für ihre Strenge bekannt. All jenen, die sich darüber hinaus im Flippern verlieren wollen, empfiehlt UNO einen Ausflug nach Liechtenstein, in die Räumlichkeiten von Flipper Flat in Nendeln.