Lokal

“Sie ist immer für die Familie da”

08.05.2021 • 20:30 Uhr
Tochter Gerlinde(59) wird heute mit ihrer flotten Mutter Resi (88) einen schönen Tag verbringen. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Tochter Gerlinde(59) wird heute mit ihrer flotten Mutter Resi (88) einen schönen Tag verbringen. Klaus Hartinger

Resi Oberländer (88) aus Mäder – Mutter, Oma, und Uroma.


Es ist schon der zweite Muttertag, der aufgrund von Corona unter besonderen Bedingungen gefeiert werden muss, aber das stört Theresia – Resi – Oberländer nicht. Sie nimmt das Leben so, wie es kommt. „Akzeptieren, was ist, und versuchen, das Beste daraus zu machen“, war zeitlebens ihr Motto. Die 88-Jährige aus Mäder, die ursprünglich aus Oberösterreich stammt, hat viel gesehen. Nicht nur Schönes. Aber vielleicht hat sie gerade das stark gemacht. Ihre Mutter starb, als sie 13 Jahre alt war. Der Vater heiratete wieder. Sie und ihre vier Geschwister versuchten, die elterliche Landwirtschaft am Leben zu erhalten. Resi hätte sie gern übernommen, aber sie war zu jung.
Nachdem sie eine Saison lang in der Schweiz gearbeitet hatte, ging sie als Au-pair-Mädchen nach England. Ohne ein Wort Englisch zu sprechen. „Ich bin nach meiner Ankunft an der Victoria Station gestanden und habe einfach gewartet“, erzählt sie. Die Frau, die sie aufnehmen sollte, machte es ebenso. Als nur noch Resi am Bahnsteig stand, war klar, dass sie das Au-pair-Mädchen aus Österreich sein musste. 43 Jahre später hätte sie die Familie gerne noch einmal besucht, als sie über eine Werbefahrt wieder in London war. „Aber die Telefonnummer hat nicht mehr gestimmt“, erzählt sie. Sie kann sie immer noch: „Seven, nine, o, double three.“

Mitfahren ist möglich, aber ans Steuer ihres "Fuzi" lässt Resi niemanden. <span class="copyright">Hartinger</span>
Mitfahren ist möglich, aber ans Steuer ihres "Fuzi" lässt Resi niemanden. Hartinger

Viel gearbeitet

Nach ihrer Au-pair-Zeit besuchte Resi eine Hotelfachschule und suchte sich einen Job. Sie nahm den, der am weitesten von zu Hause weg war. So kam sie als Kellnerin ins Montafon. Das war 1953. Seit damals ist Vorarlberg ihre Heimat. Sie lernte ihren späteren Ehemann kennen, hatte verschiedene Jobs. Sie übernahm eine Zeit lang im Sommer die Frühstückspension ihres Vaters und arbeitete in einer Bäckerei und einer Metzgerei. Weil sie ihre Jobs und der ihres Mannes in Heerbrugg (CH) immer weiter Richtung Rheintal führten, bauten die beiden, die in der Zwischenzeit vier Kinder hatten, in Mäder ein Haus. Der Plan fürs Haus stammt von Resi. „Sie hat mit Legosteinen gezeigt, wie es aussehen sollte“, erzählt ihre Tochter Gerlinde, die inzwischen 59 ist. Resi war für die finanziellen Dinge und das Material zuständig, ihr Mann arbeitete dafür fleißig auf dem Bau mit. Ob sie in der Beziehung die Hosen anhatte? „Ja, das war definitiv so“, sagt Resi und lacht. Aber sie hätten sich gut ergänzt, konnten sich aufeinander verlassen. Ihren Ehemann musste sie 2017 im Alter von 91 Jahren für immer gehen lassen. Als sie das erzählt, glitzern Tränen in den Augen der Frau, die sonst gerne lacht. „Doch so ist es nun einmal, es gilt, nach vorne zu schauen und weiterzumachen“, sagt sie.

Genießen

Mit dieser Einstellung ist sie ein Leben lang gut gefahren. Auch was die Corona-Krise betrifft, versucht Resi, sich nicht unterkriegen zu lassen. Sie hält sich an die Maßnahmen, ließ sich impfen. Den jungen Menschen von heute rät sie, das Leben trotz allem zu leben. „Vielen ist nicht bewusst, wie gut sie es eigentlich haben.“ Sie will die Probleme von heute nicht kleinreden. Es gibt definitiv Leid. Aber auf der anderen Seite stünden bei vielen mehrere Computer und Fernseher, und es werde unter normalen Bedingungen auf Urlaub gefahren. Resi kennt es auch anders. Während des Hausbaus musste die Familie jeden Schilling umdrehen. Ein Mantel musste zehn Jahre lang halten. Als Kind hat sie den Zweiten Weltkrieg miterlebt, musste sich in Gewölben vor Tieffliegern verstecken. Sie hat einen Bruder an den Krieg verloren, ein anderer kam schwer verletzt aus Stalingrad zurück. „Es geht um die Einstellung. Wenn es hart wird, heißt es Ohren zurück und durch“, sagt sie.

Resis erstes Auto, ihr erster "Max".   <span class="copyright">Privat</span>
Resis erstes Auto, ihr erster "Max". Privat

Liebt Autos

22 Jahre lang war sie Obfrau-Stellvertreterin des Pensionistenvereins Mäder. Dort fühlt sie sich aufgehoben. Es ist immer etwas los. Auch mit ihren Jahrgängern trifft sie sich oft und hat schon viele Ausflüge unternommen. War in Sardinien, Berlin oder Paris. Oft hat sie Taxi gespielt, denn Resi fährt gerne Auto. Am liebsten mit ihrem Oldtimer, den sie von ihrem Bruder geerbt hat. „Er wusste, dass ich gut auf ihn aufpassen würde, deshalb hat er ihn mir vermacht“, erklärt sie. „Fuzi“ nennt sie den Opel Kadett B, Baujahr 1971, mit dem sie immer noch auf Vorarlbergs Straßen anzutreffen ist. „Mama hat Benzin im Blut“, erzählt Tochter Gerlinde lachend. Schnell fährt Fuzi nicht, abwärts und mit Rückenwind vielleicht 100. Aber sie hat mit ihm schon an Damenrallyes teilgenommen und an Oldtimer-Fahrten, bei denen das Nenngeld einem guten Zweck zugespielt wird. Im Fernsehen sieht sie sich Formel-1-Rennen an. In nächster Zeit wird sie beobachten, wie sich der junge Schumacher machen wird.

Resi gibt all ihren Autos Namen. Auch ihrem Alltagsfahrzeug, einem Ford. Den nennt sie Moritz. „Ursprünglich hießen sie immer Max“, erzählt sie. Benannt nach dem Pferd, das sie als Jugendliche hatte. Mit dem Ross hat sie viel erlebt. Einmal kam sie sogar in die Zeitung. „Das holde Reserl reitet gern auf ihrem edlen Pferd – der gestreckte Galopp auf der neuen Straße war 50 Schilling wert“, stand da (Echo der Heimat, Linz 1947). Sie weiß den Text auswendig. Die Stollen an den Hufeisen hatten Löcher in den frischen Asphalt gerissen.

Resi kümmert sich rührend um ihre Familie. Und sie sich um sie.   <span class="copyright">Hartinger</span>
Resi kümmert sich rührend um ihre Familie. Und sie sich um sie. Hartinger

Zufrieden

Die rüstige Frau ist zufrieden mit ihrem Leben, auch wenn es nicht immer geradlinig verlaufen ist. Sie hat ihr Schicksal stets selbst in die Hand genommen. War immer für ihre Familie da. Vor zwei Wochen fuhr sie ihren 94-jährigen Bruder in Zürich besuchen. Besorgte sich alle nötigen Unterlagen und Tests. „Ich bringe ihm immer ein Schnitzel mit Kartoffelsalat und Kuchen mit“, erklärt sie. Um halb zehn Uhr morgens fuhr sie los, abends um sechs war sie zurück. Dass Jüngere sich derzeit davor scheuen, wegen des Prozederes über die Grenze zu fahren, kommt ihr gar nicht in den Sinn.

Den Muttertag wird sie mit Tochter Gerlinde, deren Mann und zwei Töchtern und ein paar anderen Familienmitgliedern feiern. Sie hat inzwischen acht Enkel und zwölf Urenkel, deren Leben sie auch über Facebook verfolgt. Nicht alle werden sich treffen, weil sie im Kreise der eigenen kleinen Familie feiern werden und wegen Corona. „Wir werden fein essen und den Tag genießen“, sagt Resi. So haben sie es am Muttertag immer gehalten. Über ein paar Blümchen freut sie sich immer. Zum Muttertag, aber noch mehr, wenn sie zwischendurch spontan gebracht werden. „Denn dann sind sie ein Zeichen dafür, dass man an mich denkt.“ Und das braucht sie. Bei aller Selbstständigkeit.