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Warum mehrere Medikamente nicht lieferbar sind

29.10.2022 • 22:14 Uhr
Die Medikamentenregale sind gefüllt, nicht immer aber mit dem gewünschten Medikament.<span class="copyright">apa/gindl</span>
Die Medikamentenregale sind gefüllt, nicht immer aber mit dem gewünschten Medikament.apa/gindl

Lieferengpässe bei knapp 350 Arzneimitteln. Für alle gibt es aber gleichwertige Ersatzprodukte.

Wer derzeit in der Apotheke bestimmte Antibiotika, Schlafmittel, Schilddrüsenpräparate oder blutdrucksenkende Mittel kaufen will, wird vielleicht nicht genau das Präparat bekommen, das er möchte. Denn knapp 350 Medikamente sind derzeit in Österreich nicht verfügbar, wie Christof van Dellen, Präsident der Apothekerkammer Vorarlberg, mitteilt.
Aber, so fügt er sogleich hinzu: „Niemand braucht Angst zu haben, mit leeren Händen aus der Apotheke zu kommen, und es ist auch nicht nötig, Hamsterkäufe zu tätigen.“ Denn es gebe zu jedem Medikament ein gleichwertiges Ersatzpräparat, ein sogenanntes Generikum, das ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ist. In Rücksprache mit dem Arzt gebe die Apotheke das Generikum aus.

Christof van Dellen, Präsident der Apothekerkammer Vorarlberg.<br><span class="copyright">mediart/uher</span>
Christof van Dellen, Präsident der Apothekerkammer Vorarlberg.
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Eine andere Möglichkeit ist, dem Patienten dasselbe Präparat in einer anderen Dosierung zu geben. Das erklärt Michaela Fabianek, Allgemeinmedizinerin mit Hausapotheke in Blons im Großwalsertal, denn von dem Medikamentenmangel sind alle Abgabestellen betroffen. Wenn beispielsweise nur die 1-Milligramm-Dosierung vorhanden ist, der Patient aber 0,5-Milligramm braucht, bekommt er die stärkere Dosierung, darf dann aber nur die Hälfte der Tablette – also 0,5 Milligramm – einnehmen.

Großer Aufwand

Das Suchen nach Alternativen sei ein Aufwand, sagt die Ärztin. Apotheker van Dellen konkretisiert diese Mehrarbeit: „Im Durchschnitt verbringt in den Apotheken eine Person eine halbe Stunde bis Stunde pro Tag damit, Alternativen zu suchen.“ Deshalb appelliert er an die Geduld und das Verständnis der Patienten.
Die Landeskrankenhäuser werden von einer eigenen Spitalsapotheke beliefert, die ihren Sitz im LKH Feldkirch hat. In der Krankenhausapotheke sind an die 2300 Medikamente lagernd, im vergangenen Jahr sei es bei 450 davon zu Lieferproblemen gekommen, informiert Günther Graninger, Leiter der Anstaltsapotheke. In den letzten Jahren habe es immer wieder Engpässe gegeben. „Die Patienten spüren aber nichts davon“, sagt Graninger. Neben dem Ausgeben von gleichwertigen Ersatzpräparaten werden in der Krankenhausapotheke manchmal bestimmte Medikamente selbst hergestellt. „Medikamente sind ein sehr kostbares und knappes Gut“, betont Krankenhausapotheken-Chef Graninger.

Günther Graninger, Leiter der Spitalsapotheke. <span class="copyright">khbg</span>
Günther Graninger, Leiter der Spitalsapotheke. khbg

Als Gründe für die Lieferengpässe zählt Apothekerkammer-Präsident van Dellen auf: Chargen müssen zurückgerufen werden, weil die Wirkstoffe nicht den EU-Ansprüchen genügen, Fabriken können nicht produzieren, weil Equipment fehlt, oder es gibt Probleme beim Verpackungsmaterial, etwa weil eine Druckerei in Schwierigkeiten geraten ist und die Medikamentenschachtel nicht bedrucken kann. Der Hauptgrund aber, so führt der Pharmazeut fort, ist die Auslagerung der Produktion.

Russland und Indien

Zu 90 bis 95 Prozent werden die Medikamente in Russland und in Indien hergestellt. Der Nachschub funktioniere nicht immer, und zwar nicht erst, seit der Krieg in der Ukraine begonnen hat – man denke nur daran, wie im März 2021 das Containerschiff Ever Given den Suezkanal sechs Tage lang blockiert hat. Allgemeinmedizinerin Fabianek drückt das knapp und klar aus: „Die Produktion wurde in Billigländer verlagert, und jetzt, da die Produktionsketten nicht mehr reibungslos laufen, fällt uns das auf den Kopf.“

Die Produktion wurde in Billigländer verlagert, und jetzt, da die Produktionsketten nicht mehr reibungslos laufen, fällt uns das auf den Kopf.

Michaela Fabianek, Allgemeinmedizinerin mit Hausapotheke

Apotheker van Dellen berichtet, dass es Bestrebungen der EU gebe, bestimmte Wirkstoffe wieder in Europa zu produzieren. Bis 2025 solle dazu ein Maßnahmenkatalog erarbeitet werden. „Von der Industrie haben wir aber erfahren, dass es zehn Jahre dauert, bis eine Produktionsstätte so weit aufgebaut ist, dass sie betriebsbereit ist.“
Zudem gibt der Präsident der Apothekerkammer zu bedenken: „Die Produktion in Europa ist teurer, weil hier die Löhne und Umweltschutzauflagen höher sind. Der Staat beziehungsweise die Sozialversicherungen müssen bereit sein, diese Mehrkosten zu bezahlen.“