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„Extinction Rebellion“: Der pinke Wagen der Hoffnung

05.07.2023 • 23:00 Uhr
Federführend bei der Aktion: Die Vorarlbergerin Marina Hagen-Canaval. <span class="copyright">MIRJAM MAYER</span>
Federführend bei der Aktion: Die Vorarlbergerin Marina Hagen-Canaval. MIRJAM MAYER

Über 40 Klima-Aktivisten protestierten in Bregenz vor dem Landhaus. Die Eindrücke.

Aus ganz Österreich sind sie angereist. Die Gesichter sind müde, teils wird noch gescherzt, andere wirken bereits angespannt.

Früh versammelt

Aus ganz Österreich sind sie angereist. Die Gesichter sind müde, teils wird noch gescherzt, andere wirken bereits angespannt. Über 40 Klima-Aktivisten von „Extinction Rebellion“ haben sich um 6 Uhr morgens vor dem Bregenzer Landhaus versammelt, um für ihre Sache und gegen die Tunnelspinne in Feldkirch zu protestieren. Und es geht zur Sache.

In einem kleinen, pinken Wagen sitzen zwei Aktivisten. Sie haben ihre Hände in einen gro­ßen Quader einbetoniert. Andere rollen riesige Banner über der Landhaus-Garage aus. Tripods werden aufgestellt, Hängematten daran befestigt, in die sich weitere Aktivisten setzen. Es gibt ein betongefülltes Boot, ein Megafon – und eine Bannmeile rund um das Landhaus, die eigentlich keine Proteste zulässt, denn in wenigen Stunden be­ginnt die Sitzung des Landtags.

In Hängematten wurde vor dem Landhaus in Bregenz demonstriert. <span class="copyright">MIRJAM MAYER</span>
In Hängematten wurde vor dem Landhaus in Bregenz demonstriert. MIRJAM MAYER

Nach und nach kommen die Politiker beim Landhaus an. Die Aktivisten wollen mit ihnen sprechen. Manche signalisieren deutliches Desinteresse, gehen einfach weiter. Andere, wie Sabine Scheffknecht (Neos) oder Daniel Zadra (Grüne) bleiben stehen, unterhalten sich mit den Protestierenden. „Sabine Scheffknecht hat uns gelobt“, erzählt Marina Hagen-Canaval, Pressesprecherin von Extinction Rebellion, „sie steht ja ebenfalls hinter Tempo 100.“

Zahlreiche Einsatzkräfte

Weniger Verständnis gibt es von den Einsatzkräften, die auf einmal in großen Scharen anströmen. Die Feuerwehr baut einen großen Sichtschutz auf. Polizisten positionieren sich, beginnen mit der Auflösung des Protests. So richtig koordiniert wirkt das Ganze allerdings nicht. Manche tragen Aktivisten weg vom Ort des Geschehens, es gibt erste Festnahmen. Andere Beamten stehen in Gruppen am Platz, beobachten, unterhalten sich. Manche wirken nervös.
Ein größeres Problem scheinen die beiden festbetonierten Protestierenden in dem pinken Wagen zu sein.

Wie bekommt man sie vom Fleck? Einige Polizeibeamte kommen mit einem großen Bohrer, beginnen, den Betonquader aufzuschremmen. Das laute Geräusch der Maschine hallt durch die Römerstraße, bei Schaulustigen und auch einigen Aktivisten entsteht Unruhe. Die Passanten tuscheln. Die Situation erregt Aufsehen, hat eine gewisse Symbolik inne: Der Wagen mit dem Betonklotz ist beinahe ein Sinnbild für Hoffnung, dass durch Hartnäckigkeit etwas erreicht werden kann. Zwischenzeitlich wird auch Marina Hagen-Canaval festgenommen. „Die Beamte vor Ort waren sehr ruppig“, sagt sie ein paar Stunden später.

„Sie haben uns teilweise grob angefasst. Meine Schulter ist gezerrt, eine Freundin hat blaue Flecken an den Oberarmen.“

Marina Hagen-Canaval
Unzählige Beamte waren im Einsatz. <span class="copyright">PHILIPP STEURER</span>
Unzählige Beamte waren im Einsatz. PHILIPP STEURER

Auf jeden Fall werde man Maßnahmenbeschwerden einreichen. „Es war sehr chaotisch“, erzählt Marina ihre Eindrücke. „Zehn Aktivisten wurden festgenommen und auch eine Weile behalten, andere hat man schneller wieder gehen lassen. Das geschah aber auch total wahllos – teilweise hat die Polizei Mitglieder unserer Gruppe verhaftet, die einfach nur kurz etwas zum Essen vorbeigebracht haben. auf den Polizeiinspektionen waren die Beamten freundlicher, haben sich teils sogar entschuldigt.“

Emotionaler Tag

Die Beteiligten zerstreuen sich langsam: Manche sind auf Polizeirevieren, manche wärmen sich an einem Treffpunkt auf und essen etwas. Zwei Aktivisten sitzen in einem Café in der Bregenzer Innenstadt, arbeiten an Presseaussendungen, beobachten die Medien. Die Vorarlberger Grünen veröffentlichen einen Facebook-Post, in dem sie sich mit „Extinction Rebellion“ solidarisieren. Die beiden Aktivisten freuen sich, jedoch verhalten. Die Müdigkeit schlägt zu, es ist ein emotionaler Tag für alle. Man versucht, sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten, filmt, dokumentiert, verschickt Videos. Die Rede ist von 20 Festnahmen. „Naja, der Klimawandel ist schlimmer“, sagt einer der Protestierenden leicht resigniert, während er an einer Pressemeldung arbeitet.

Einige der Protestanten wurden sogar festgenommen. <span class="copyright">PHILIPP STEURER</span>
Einige der Protestanten wurden sogar festgenommen. PHILIPP STEURER

Das Care-Team der Gruppe hat viel zu tun. Es ist dazu da, die Aktivisten emotional zu untersützen, beizustehen, vielleicht auch einfach in den Arm zu nehmen. Später wird sich die Gruppe treffen, so vollzählig es geht, um sich miteinander zu besprechen, zu reflektieren, zu planen und vor allem, um zu schauen, wie es allen geht. „Es ist ein anstrengender Tag für alle“, sagt Marina Hagen-Canaval, die zwischendurch eine Weile beim Arzt war.

Die Klima-Aktivisten nehmen viel in Kauf, seelisch wie körperlich. Beschimpfungen, Festnahmen, den Zorn der Passanten. Hilft es der Sache? Nach Beginn der Landtagssitzung kommt kein Politiker heraus, um mit der Gruppe zu sprechen. Ob ihre Forderungen an diesem Tag ernstgenommen werden, wissen sie nicht. Einige Stunden später ist der Platz vor dem Landhaus wieder leer.