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Spontan ein Gulasch im Hofladen holen

16.07.2023 • 08:00 Uhr
Rund 40 Hühner werden am Sankt Martinshof gehalten. Sie können jeden Tag ins Freie. <span class="copyright">Ramona Pichler</span>
Rund 40 Hühner werden am Sankt Martinshof gehalten. Sie können jeden Tag ins Freie. Ramona Pichler

Der Hofladen des Sankt Martinshofes in Ludesch ist täglich von 7 bis 22 Uhr geöffnet. Familie Öhre-Fritsche übernahm den Hof als Quereinsteiger.

Nachmittags im Kuhstall des Sankt Martinshofes in Ludesch: Die Kühe – sie sind eine farbige Schar aus braunen, schwarzbunten und rotbunten Tieren – liegen in ihren Boxen und käuen wieder.

Da und dort steht eine, trinkt oder beschnuppert eine Artgenossin. Später, nach dem Melken, werden die Kühe auf die Weide gelassen, wo sie – wie im Sommer immer – die ganze Nacht fressen, gehen, liegen oder schlafen können. In einem anderen Teil des Hofes sind die rund 40 Hühner untergebracht, die untertags immer Zugang zu einer Wiese haben. Auf einer anderen Weide fressen die drei Schafe Heidi, Paula und Pauline, die dem dreijährigen Manuel Öhre-Fritsche gehören und die hier leben, weil sie so zahm und lieb sind – von ihnen werden weder Milch noch Fleisch gewonnen.

Kälbchen mit Nina Öhre-Fritsche. <span class="copyright">Ramona Pichler</span>
Kälbchen mit Nina Öhre-Fritsche. Ramona Pichler

Der Bauernhof, der in einem spärlich bebauten Teil von Ludesch steht, wird von zwei Geschwistern und einem Sohn des früheren Besitzers geführt. Dieser verunglückte vor acht Jahren tödlich, und Michael Öhre – einer der Geschwister – war damals mehr oder weniger der Einzige, der wusste, wie die Arbeiten auf dem Hof abliefen. Von Kindesbeinen an hatte er im Stall mitgeholfen.

Im Hofladen werden die Produkte verkauft, die auf dem Hof erwirtschaftet wurden. <span class="copyright">Ramona Pichler</span>
Im Hofladen werden die Produkte verkauft, die auf dem Hof erwirtschaftet wurden. Ramona Pichler

Seine Schwester Nina Öhre-Fritsche ist mit einem Sohn des Hofes, Christoph Fritsche, verheiratet, und auch wenn beide zuvor nichts mit der Landwirtschaft zu tun hatten, beschlossen sie, den Betrieb gemeinsam mit Michael Öhre weiterzuführen. „Wenn wir aufgehört hätten, wären die Pachtböden unwiderruflich verloren gewesen. Heutzutage bekommst du keinen Boden mehr“, beschreibt Nina Öhre-Fritsche einen wichtigen Grund, weshalb sie sich zu diesem Schritt entschlossen haben. Ihr Bruder Michael Öhre ergänzt: „Ich habe den Hof sehr gerne übernommen.“

Weniger Kühe

Seither hat sich einiges geändert am Sankt Martinshof: Damals zählte der Betrieb noch 60 Kühe, der Bestand wurde dann reduziert und in Mutterkuh-Haltung geführt. Zwischenzeitlich ist der alte Laufstall von früher umgebaut und der Betrieb wieder auf Milchproduktion umgestellt worden. Heute hält die Familie rund 30 Milchkühe, einen Stier und einiges Jungvieh. Zudem leben rund 40 Hühner – ohne Hahn – am Hof. Deren Eier werden verkauft. Seit Neuestem gibt es auch Masthühner auf dem Sankt Martinshof. Das Fleisch wird dann im Hofladen zu erwerben sein.

Im Sommer werden die Kühe abends nach dem Melken auf die Wiese gelassen, wo sie die ganze Nacht bleiben.  <span class="copyright">Ramona Pichler</span>
Im Sommer werden die Kühe abends nach dem Melken auf die Wiese gelassen, wo sie die ganze Nacht bleiben. Ramona Pichler

Der Hofladen wird im Selbstbedienungsmodus geführt, er ist täglich von 7 bis 22 Uhr geöffnet. Im Sortiment finden sich – wie es auf der Homepage des Sankt Martinshofes bezeichnet wird – Produkte „usm Stall, vo Bom und Boda und vo dr Henna“. Einst wurden nur Fleischpakete angeboten, jetzt aber stehen Tiefkühlschränke im Hofladen, die mit portionsweisem Fleisch befüllt sind. Vier Portionen Kalbsgulasch oder Rinderge­schnetzeltes können zum Beispiel gekauft werden. Dadurch erhalten auch Menschen, die keine große Gefriertruhe und deshalb keinen Platz für Fleischpakete haben, die Möglichkeit, Fleisch vom Bauern zu erwerben. Außerdem ist es mit diesem Verkaufsmodell möglich, dass alle spontan Fleisch kaufen können und es nicht vorbestellen müssen. Wer am Samstagabend beispielsweise Lust auf Grillen bekommt, wird dafür im Hofladen fündig.

Michael Öhre ist unter anderem für das Melken zuständig. <span class="copyright">Ramona Pichler</span>
Michael Öhre ist unter anderem für das Melken zuständig. Ramona Pichler

Abgesehen vom Fleisch finden sich in den Kühlschränken und Regalen Wurst, frische Milch, Käse, selbstgemachtes Joghurt, Eieraufstrich, Marmeladen und Liköre. „Je nach Jahreszeit, Ernteertrag und Tierbestand gibt es mal mehr, mal weniger“, erklärt Nina Öhre-Fritsche. Zudem werden Geschenkkörbe mit kulinarischen Genüssen angeboten sowie Kerzen und Karten, die eine Ludescherin herstellt. Wer im Hofladen einkaufen möchte, braucht nicht vorher anzurufen, die Türen sind geöffnet. Neben Bargeld, für das eine Kassa im Hofladen steht, kann auch mit Bankomat bezahlt werden. Dabei verlassen sich die Landwirte auf die Ehrlichkeit ihrer Kunden, was bisher gut funktioniert hat. Sie selbst sind meist nicht vor Ort im Laden.

Tierwohl

An der Vorderseite des Hofladens ist ein Schild befes­tigt, auf dem zu lesen ist: „Geht es unseren Tieren gut, geht es uns gut.“ Nach diesem Motto würden sie ihren Betrieb führen, erklärt Nina Öhre-Fritsche. Auf die Frage, was sie machen, damit es den Tieren gut geht, antwortet sie: „Unsere Kühe können das ganze Jahr über ins Freie, die Hühner ebenfalls. Die Kühe haben im Laufstall genug Platz, wir haben nichts überfüllt. Wir sind klein und fein und möchten nicht größer werden.“ Ihr Bruder Michael Öhre fügt hinzu: „Ich will noch mehr Kuhkomfort schaffen: Ich verbreitere die Laufgänge und gebe dort Gummimatten hin. Das ist feiner für die Kühe. Außerdem installiere ich eine Kuhdusche, aus der das Wasser auf die Tiere stäubt. Das kühlt sie einerseits ab, andererseits werden sie dadurch weniger von den Fliegen geplagt.“

Wenn eine Maschine zu reparieren ist, macht das Christoph Fritsche. <span class="copyright">Ramona Pichler</span>
Wenn eine Maschine zu reparieren ist, macht das Christoph Fritsche. Ramona Pichler

Wer sich persönlich vom Tierwohl überzeugen möchte, darf jederzeit auf einen Besuch kommen, heißt es auf der Homepage des Sankt Martinshofes. Jetzt im Sommer sind aber nicht alle Tiere auf dem Hof anzutreffen: Das Jungvieh und zwei Milchkühe sind auf der Alpe.

Vom Tier zum Lebensmittel

Die Milch der Ludescher Landwirtschaft wird von der Vorarlberg Milch verarbeitet. Geschlachtet werden die Tiere in der Schlachterei Gstach in Rankweil, zerlegt und verfeinert wird das Fleisch von Helmut Illmer in Satteins, der auch die Wurst herstellt. Apropos Schlachten: Dass das Tier, um das man sich gekümmert hat, eines Tages zum Lebensmittel wird, ist gerade für Quereinsteiger nicht so einfach. Nina Öhre-Fritsche sagt, dass das auch für sie am Anfang schwierig war. Doch sie lernte, damit umzugehen. Genauso, wie sie und ihr Mann Christoph Fritsche alles weitere erlernten, was für das Führen einer Landwirtschaft notwendig ist.

Gemeinsam alles meistern

Alle von der Familie haben ihre Lieblingsbereiche auf dem Hof. Michael Öhre, der auch am Sankt Martinshof wohnt, kümmert sich leidenschaftlich um die Milchkühe und hält, weil er ein geschickter Handwerker ist, die Stallungen in Schuss. Seine Schwester Nina Öhre-Fritsche ist Marketingfrau und Ladenchefin, ihr Mann Christoph Fritsche repariert die Maschinen und ist immer zur Stelle, wo eine helfende Hand gebraucht wird. Und schließlich hilft auch der dreijährige Manuel, der Sohn von Nina Öhre-Fritsche und Chris­toph Fritsche, überall gerne mit, wie auf der Homepage des Hofes zu lesen ist. Außerdem ist er ein begeisterter Schafhirte. „Es gibt immer etwas zu tun, und gemeinsam wird jede Hürde und jede Herausforderung ge­meistert“, heißt es auf der Homepage.

Betreiberfamilie: Christoph Fritsche, seine Frau Nina Öhre-Fritsche und ihr Bruder Michael Öhre. Im Baum ist der kleine Manuel.  <span class="copyright">Ramona Pichler</span>
Betreiberfamilie: Christoph Fritsche, seine Frau Nina Öhre-Fritsche und ihr Bruder Michael Öhre. Im Baum ist der kleine Manuel. Ramona Pichler

Keiner der Familie arbeitet hauptberuflich am Hof, sondern alle haben daneben andere Jobs. Die Ludescher sind deshalb sehr froh und dankbar, dass sie an besonders arbeitsreichen Tagen auf die Hilfe von anderen Familienmitgliedern und Freunden zählen können.

Sankt Martinshof

Der Landwirtschaftsbetrieb in Ludesch heißt Sankt Martinshof, weil auf dem alten Gebäude der heilige Martin aufgemalt war und vom Hof aus die Kirche St. Martin zu sehen ist. Der Hof wird von der Familie Öhre-Fritsche betrieben. Der Hofladen hat täglich von 7 bis 22 Uhr geöffnet. Mehr Infos unter www.sankt-martinshof.at.

In Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Vorarlberg