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„Abbauprojekte werden von Behörden blockiert“

09.08.2023 • 13:40 Uhr
Die Innungsmeister Franz Kopf (l.) und Johannes Wilhelm. <span class="copyright">Hartinger</span>
Die Innungsmeister Franz Kopf (l.) und Johannes Wilhelm. Hartinger

Johannes Wilhelm und Franz Kopf, Innungsmeister des Baugewerbes bzw. Baunebengewerbes, über den Kiesmangel in Vorarlberg, lange Verfahren, überforderte Behörden und die untätige Politik.


Proteste gegen den Abbau von Kies werden immer lauter, die Auflagen strenger, der Nachschub gerät ins Stocken. Steuern wir auf eine Rohstoff-Krise zu?

Johannes Wilhelm: Wir steuern nicht darauf zu, wir befinden uns schon mittendrin. Wir merken das bei der Betonproduktion. Wir brauchen Kies in gleichbleibender Qualität. Diesen zu bekommen, wird immer schwieriger.
Franz Kopf: Das kann ich nur bestätigen. Ich bin ja selbst auch Betonproduzent und spreche viel mit meinen Mitbewerbern. Wir tun uns alle schwer, die Kiesmenge zusammenzubringen, die wir für die Betonproduktion brauchen. Die Verfügbarkeit im Land und auch im Ausland ist nicht mehr in dem Ausmaß gegeben.

Woher kommt der Kies, den man für die Betonproduktion benötigt?

Wilhelm: Ein Teil des Materials kommt aus dem Recycling, sprich aus aufbereiteten Aushüben. Der Großteil wird aber importiert, hauptsächlich aus Deutschland.
Kopf: Und der Transport kostet. Wir lassen das Geld sprichwörtlich auf der Straße liegen, vom CO2-Ausstoß gar nicht zu reden. Aber auch der Rohstoff selbst ist
teurer geworden. Allein in den letzten beiden Jahren ist der Einkaufspreis für Rundkies in Deutschland um 25 Prozent gestiegen. Die Deutschen wissen natürlich, dass wir in Vorarlberg zu wenig Kies haben.

Johannes Wilhelm. <span class="copyright">Hartinger</span>
Johannes Wilhelm. Hartinger

Dass Kies knapp wird, hat ja auch schon alles eine 2018 präsentierte Studie gezeigt. Die Abbaumenge, so hieß es damals, werde sich in den nächsten fünf Jahren, also 2023, um 42 Prozent reduzieren. Ist das eingetreten?

Wilhelm: Ja, die Situation hat sich verschlechtert. Aktuell werden 80 Prozent aus Deutschland importiert. Das Land hat die Studie damals in einer großen Pressekonferenz präsentiert, entsprechende Schritte wurden allerdings nicht unternommen.
Kopf: Es wurde die Erarbeitung einer Strategie in Aussicht gestellt, die es bis heute nicht gibt. Wir wollten über die Wirtschaftskammer einen Rohstoff- und Deponiebeirat beim Land installieren, da hat man aber abgewunken. Dann hat man uns eine Stabsstelle bezüglich Rohstoffe versprochen, aber auch da haben wir nie mehr etwas gehört. Die Sache ist beim Land total eingeschlafen und die Situation ist mehr als unbefriedigend.
Wilhelm: Im Rahmen der Rohstoffstudie wurde von den Experten empfohlen, bestehende Abbaufelder für Nassbaggerungen nach Möglichkeit zu erweitern. Jetzt haben wir im Land drei Projekte, davon werden zwei von den Behörden blockiert.

Inwiefern?
Wilhelm: Die Verfahren dauern sehr lang. Sobald wir notwendig Untersuchungen erledigt und nachgereicht haben, verlangt die Behörde wieder etwas Neues.
Kopf: Es fehlt die Koordination und die politische Unterstützung.
Warum ist das so – Ihrer Meinung nach?
Wilhelm: Es ist eine Verzögerungs- und Verhinderungstaktik. Die Politik hat wahrscheinlich Angst vor der Bevölkerung. Klar, bei derartigen Projekten, gibt es immer irgendwelche Befürchtungen und wir haben natürlich Verständnis für die Sorgen der Anrainer. Für unser Projekt in Rankweil-Brederis kann ich sagen: Es wir nicht mehr Lkw-Verkehr geben. Wir haben das untersuchen lassen.

Der Kiesabbau ist also ein heißes Eisen, an dem sich niemand die Finger verbrennen möchte. Nächstes Jahr sind Landtagswahlen, 2025 wird in den Gemeinden gewählt. Glauben Sie, dass ihr oder ein anderes Projekt davor noch genehmigt wird.

Wilhelm: Nein, das glaube ich ehrlich gesagt nicht.

Franz Kopf. <span class="copyright">hartinger</span>
Franz Kopf. hartinger

Was müsste das Land Ihrer Meinung nach tun?

Wilhelm: Die Rechtsmaterie ist sehr komplex. Es ist ja schon schwierig, einen Rechtsanwalt zu finden, der sich mit dem Mineralrohstoffgesetz und Abfallwirtschaftsgesetz auskennt. Deshalb braucht es wie gesagt eine kompetente Stabsstelle.
Kopf: Die Genehmigungsverfahren könnten ja bei einer Bezirkshauptmannschaft konzentriert werden. Die Politik unterschätzt jedenfalls, wie wichtig das Thema ist. Regionale Rohstoffe sind unverzichtbar.

Glauben sie, dass die Bezirkshauptmannschaften mit dem Thema überfordert sind?

Wilhelm: Ja, das kann man schon so sagen. Die haben halt auch noch viele andere Themen, die sie bearbeiten müssen.

In der Kiesstudie wurde auch darauf hingewiesen, dass zu viel Kies ins Ausland exportiert wird. Werden Sie noch Exporte tätigen, falls Sie eine Bewilligung für den Abbau bekommen.

Wilhelm: Nein, da gibt es ein ganz klares Bekenntnis. Der Kies wäre für die eigene Betonproduktion und für die umliegenden Kunden. Aber ganz sicher nicht fürs Ausland.

Die CO2-Emissionen, die durchs Bauen und Wohnen entstehen, sind enorm – und eine entscheidende Stellschraube, um die Klimaziele zu erreichen. Beton gilt als Klimakiller schlechthin. Müssten Bauunternehmen da nicht umdenken?

Wilhelm: Wir werden um das Baumaterial Beton nicht herumkommen, auch wenn mehr in Holz gebaut wird. Wir brauchen nach wie vor Fundamente, aber auch im Tunnelbau ist Beton notwendig. Und so lange das so ist, braucht es auch die Rohstoffe, um den Beton zu produzieren.
Kopf: Das stimmt. Mir ist aber als Zulieferer schon aufgefallen, dass immer mehr Gebäude komplett in Beton hochgezogen wird. Das war früher anders. Da und dort, etwa bei Außenwänden, könnte man auch Ziegel verwenden.

Wilhelm &amp; Mayer möchte bei den Baggerlöchern in Rankweil-Brederis wieder Kies fördern. <span class="copyright">Hartinger</span>
Wilhelm & Mayer möchte bei den Baggerlöchern in Rankweil-Brederis wieder Kies fördern. Hartinger

Herr Kopf, die Gemeinde Altach sitzt quasi auf circa drei Millionen Tonnen Kies, die abgebaut werden könnten. Streitigkeiten mit der Marktgemeinde Götzis, der das Grundstück gehört, verzögern den Abbau nun vielleicht auf Jahre hinaus. Wie beurteilen sie die Situation?

Kopf: Die Gemeinden streiten und wir als Unternehmen stehen dazwischen. Es ist eine ganz schwierige Situation für uns als Firma Kopf Kies. Wir müssen den Kies wie gesagt aus Deutschland zukaufen, obwohl es einen rechtsgültigen Abbaubescheid gibt. Wir könnten schon längst abbauen. Es gibt in Altach jede Menge Kies. Davon würden im Übrigen nicht nur wir profitieren. Kies wird im gesamten Rheintal dringend benötigt.

Sie stehen doch nicht nur dazwischen, Herr Kopf. Sie sitzen in der Gemeindevertretung und im Wirtschaftsausschuss. Früher waren Sie Vizebürgermeister.

Kopf: Zum Kiesabbau gab es im Jahr 2019 eine Volksabstimmung. Einen klareren Auftrag kann ein Bürgermeister gar nicht haben. Da muss ich nicht intervenieren. Bei den Diskussionen zum Thema halte ich mich sowieso heraus und 2025 werde ich mein politisches Engagement wahrscheinlich ohnehin beenden.

Die Familie Kopf gehört in Altach zu den Alteingesessenen. Ihr Unternehmen fördert dort seit mehr als 75 Jahren Kies. Ihr Bruder, Karlheinz Kopf, ist Nationalratsabgeordneter und Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich. Was sagen Sie jenen Leuten, die denken, die Familie Kopf richtet sichs schon?

Kopf: Das stimmt so nicht. Man muss die Geschichte der Firma kennen. Wir mussten immer wieder darum kämpfen, um im Flussbett des Rheins Kies abbauen zu dürfen. Es gab auch schon einmal 20 Jahre keinen Abbau. Mein Bruder kann jedenfalls weder in Wien noch in Vorarlberg irgendetwas für uns richten. Aber das wird der Politik immer wieder unterstellt. Den ungerechten Vorwurf werden wir uns sich wohl noch länger gefallen lassen müssen.

Ich frage Sie das jetzt in ihrer Funktion als Innungsmeister des Baunebengewerbes: Würden sie den Kiesabbau in Altach auch forcieren, wenn letztlich nicht mehr Altach, also auch Sie als Subunternehmer, zum Zug kämen.

Kopf: Es wäre niemandem geholfen, wenn Götzis und Altach vor Gericht landen. Falls der Bescheid – aus welchen Gründen auch immer – aufgehoben werden würde, kann ich mir nicht vorstellen, dass dann die Marktgemeinde Götzis abbauen wird. Altach ist immer noch die Standortgemeinde. Und gegen den Widerstand einer Standortgemeinde hat man in einem neuen Verfahren keine Chance. Götzis und Altach wären daher gut beraten, hier eine gemeinsame Lösung zur Erlösaufteilung zu finden, im Interesse aller Beteiligten.