„Der kleine Piz Buin bröckelt“

Mehr Steinschlag wegen auftauender Permafrostböden in der Silvretta und im Verwall.
Die ersten zehn Jahre seines Berufslebens als Bergführer unternahm Helmut Düringer im Sommer vor allem Touren im Hochgebirge im Süden des Landes; sprich in der Silvretta und im Verwall. Ab dem Sommer 2003, der sehr heiß war, dachte er um und änderte sein Angebot.
Mittlerweile bietet er im Juli und im August vor allem Biketouren und Klettern an, wobei er für Letzteres nicht in die zwei genannten Gebiete geht. Grund für diese Änderung ist: Es gibt vermehrten Steinschlag und mehr Felsstürze, weil die Permafrostböden auftauen. Da diese Böden nur im Hochgebirge im Süden des Landes vorkommen, ist der Rest von Vorarlberg – also der Großteil – nicht von diesem Phänomen betroffen.

Ein Permafrostboden ist wie ein Kleber, der den Boden zusammenhält, erklärt Landesgeologin Eva Vigl: „Wenn er auftaut, wird der Boden lose und den aufgeschütteten Steinmassen fehlt der Kitt. Dann gibt es Felsstürze.“ Das Abschmelzen des Permafrosts, das von der Erderwärmung verursacht wird, destabilisiert Hänge und Gipfel. Wie drastisch das sein kann, zeigt das Beispiel des Fluchthorns auf der Tiroler Seite der Silvretta: Anfang Juni sind eine Million Kubikmeter vom Gipfel samt dem Gipfelkreuz weggebrochen. Der neue Gipfel ist um rund 19 Meter niedriger. Der Felssturz ereignete sich, bevor die Wandersaison begann, deshalb wurden keine Menschen verletzt.
Gesperrte Wege
Doch zurück nach Vorarlberg: Nach Angaben der Polizeiinspektion Schruns sind im Verwall und in der Silvretta bereits vor zwei, drei Jahren markierte Wege wegen Steinschlaggefahr gesperrt worden. Aktuell gibt es keine neuen Sperren. Der kleine Piz Buin jedoch bröckelt, wie der Volksmund sagt. Dazu die Landesgeologin: „Das Gefüge dort oben löst sich mehr und mehr auf.“ Deshalb sollte in der Buin-Lücke, die auf dem Weg zum Großen Piz Buin ist, schon seit Jahren nicht mehr verweilt werden. Die Polizei warnt eindrücklich davor.

Siedlungen, Straßen oder Seilbahnen sind in den betroffenen Gebieten laut der Geologin nicht von vermehrtem Steinschlag durch auftauende Permafrostböden bedroht. „Die Felsstürze, die wir im Siedlungsgebiet haben, werden anderweitig verursacht.“ Der Frosttauwechsel oder lange Wärmeperioden ohne Niederschlag bedingen zum Beispiel Steinschläge im ganzen Land.
Bevor es heiß wird und danach führt Bergführer Düringer Kunden ins Hochgebirge. Im Frühling und im Herbst liegt die Null-Grad-Grenze so tief, dass die Böden gefroren sind und die Gefahr vermehrten Steinschlags kaum vorhanden ist, so der Andelsbucher. Aber: „Ganz ausschließen kann man es nie.“ Zudem habe es kühle Sommer gegeben, in denen Hochtouren möglich waren. „Man muss jedes Jahr neu entscheiden.“
Mensch muss sich anpassen
Laut der Landesgeologin ist es theoretisch zwar möglich, Schutzbauwerke aufzustellen, aber in der Praxis kaum machbar. Der einzige Weg, mit dem Problem vermehrten Steinschlags umzugehen, ist deshalb: Der Mensch muss sein Verhalten anpassen und den Gefahrenzonen ausweichen. So, wie das Bergführer Düringer seit Jahren macht.
Eislawinen
Wie die Öffentlichkeit diese Woche erfahren hat, sind zwei Bregenzerwälder am 14. August vermutlich von einer Eislawine am Eiger in der Schweiz (Kanton Bern) mitgerissen worden. Die beiden werden immer noch vermisst. Die Gefahr von Eislawinen in Vorarlberg ist gering: Der einzige Gletscher, der diesbezüglich ein Problem darstellen könnte, ist der Ochsentaler Gletscher. Da er schmilzt, sind Eisbrüche aber so gut wie ausgeschlossen, informiert Bergführer Helmut Düringer.