Medikamentenmangel: Vorarlberg geht eigenen Weg

Währen die Apothekerkammer Österreich ein Wirkstofflager fordert, will Vorarlberg nicht so lange warten und hat eigene Pläne.
Momentan sind rund 20 bis 30 Wirkstoffe von Medikamenten nicht oder nur schwer lieferbar, was dazu führt, dass circa 500 Medikamente in den österreichischen Apotheken und Hausapotheken fehlen. Laut Christof van Dellen, dem Präsidenten der Apothekerkammer Vorarlberg, sind darunter vor allem Antibiotika-Säfte für Kinder, gewisse Schilddrüsenpräparate oder stärkere Schmerzmittel sowie bei den frei verkäuflichen Medikamenten Säureblocker wie Rennie oder Gaviscon.

Der Chef der Apothekerkammer, der auch Inhaber einer Apotheke in Schruns ist, beruhigt jedoch: „Trotz des Mangels muss niemand mit leeren Händen nach Hause gehen.“ Die Mitarbeitenden der Apotheken würden die Engpässe umgehen, indem sie entweder versuchen, bei anderen als den ursprünglich liefernden Firmen fündig zu werden oder indem sie ein Generikum verkaufen; ein Generikum ist ein gleichwertiges Ersatzpräparat, das es zu jedem Medikament gibt.
Die zuständige Landesrätin Martina Rüscher möchte nicht auf die österreichische Lösung warten, sondern selbst ein Lager errichten.
Christof van Dellen, Präsident Apothekerkammer Vorarlberg
Der Medikamentengpass ist nicht neu, er begleitete das Land schon im vergangenen Winter. Die Apothekerkammer forderte deshalb bereits im März, dass ein Wirkstofflager in Österreich aufgebaut wird. Dort sollen Ausgangsstoffe gelagert werden, damit Apothekerinnen und Apotheker selbst Präparate herstellen können. Dieses Lager lässt noch auf sich warten. Aber: „Vorarlberg geht hier einen eigenen Weg. Die zuständige Landesrätin Martina Rüscher möchte nicht warten, sondern ein eigenes Lager errichten“, berichtet van Dellen. Die Vorverhandlungen dazu habe die Landesrätin schon geführt. Der Plan ist: Bei bestimmten Medikamenten soll der Bedarf von zwei Monaten gelagert werden anstatt wie bisher der Zwei-Wochen-Bedarf.
Liste mit Medikamenten
Der Präsident der Apothekerkammer hat soeben eine Liste erstellt mit den Medikamenten, die in größerer Menge gelagert werden sollen. Auf dieser Liste stehen Arzneimittel, von denen befürchtet wird, dass es im Winter einen Engpass geben könnte und von denen zum jetzigen Zeitpunkt noch genug bestellt werden können. Das Lager soll bis zum Beginn der Infektionszeit in Betrieb gehen.
„Das gibt es nur in Vorarlberg“, zeigt sich van Dellen erfreut und macht darauf aufmerksam, dass dafür erhöhte Kosten auf das Land zukommen werden.
Bis das neue Lager genutzt werden kann, bittet der Präsident der Apothekerkammer die Kundschaft um Geduld und Verständnis: Das oben erwähnte Bemühen der Apotheken-Mitarbeitenden, Ersatzmittel zu finden, kostet Zeit. Ebenso dauert es, wenn die fehlenden Antibiotika-Säfte von der Apotheke selbst aus Tabletten hergestellt werden. In seiner Apotheke in Schruns sei eine Mitarbeiterin täglich eine bis zwei Stunden damit beschäftigt, Ersatzlösungen zu finden, so van Dellen. „Das ist eine Serviceleistung, die wir nicht von der Krankenkasse bezahlt bekommen. Deshalb möchte ich an das Verständnis der Kunden appellieren.“

Zu den Gründen für den anhaltenden Medikamentenmangel sagt van Dellen dreierlei: Die Produktion der Wirkstoffe ist zu 95 Prozent nach Indien oder China ausgelagert worden. „Wenn dort irgendwelche Probleme wie eine Verunreinigung auftreten, merken wir es hier.“ Sind die Wirkstoffe erst einmal hergestellt, müssen sie hierher transportiert beziehungsweise zu den Medikamenten verarbeitet werden – das wird zum Beispiel in Osteuropa gemacht. Auch in dieser Stufe kann es zu Verzögerungen kommen, etwa wenn wegen des Krieges in der Ukraine Umwege genommen werden müssen. Auch der aufgeflammte Nahost-Konflikt wird vermutlich Auswirkungen haben. Der dritte Grund für den Mangel ist: „Vorarlberg ist, was Medikamente betrifft, ein Billigland. In den Nachbarländern kosten sie viel mehr. Die Hersteller liefern lieber dorthin, weil sie da mehr verdienen.“

Es sind zudem nicht immer die Wirkstoffe, die schwer zu bekommen sind. Manchmal ist der Grund, weshalb ein Medikament Mangelware ist, das fehlende Verpackungsmaterial oder fehlende Spritzen zum Abmessen.