Lokal

Ab heute bleiben die Felchen im See

15.10.2023 • 14:40 Uhr
Während Mutter Regula Bösch vor knapp 20 Jahren noch jede Menge Felchen aus dem See zog, hat Sohn Albert Bösch, Obmann der Vorarlberger Berufsfischer, seit April bewusst auf den Felchenfang verzichtet – nachdem kaum mehr welche vorhanden waren.<span class="copyright">(C) HARTINGER</span>
Während Mutter Regula Bösch vor knapp 20 Jahren noch jede Menge Felchen aus dem See zog, hat Sohn Albert Bösch, Obmann der Vorarlberger Berufsfischer, seit April bewusst auf den Felchenfang verzichtet – nachdem kaum mehr welche vorhanden waren.(C) HARTINGER

Ab heute gilt die jährliche Schonzeit für Felchen im ­Bodensee. Die Fischart dürfte allerdings bis 2027 gänzlich von den heimischen Tellern verschwinden.

Heute tritt – wie seit vielen Jahren am 15. Oktober – die Schonzeit für Felchen in Kraft. Während sie andere Jahre bis 10. Jänner dauerte, wird es dieses Mal um einiges länger gehen. Im heurigen Juni wurde wie berichtet eine dreijährige Schonzeit mit Beginn 1. Jänner 2024 von der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) beschlossen, damit sich der Bestand erholen kann. Allerdings: Eine gesetzliche Grundlage dafür gibt es noch nicht.

Dieses Fangverbot bzw. die dreijährige Schonfrist muss nämlich in die jeweilige Landesgesetzgebung. In Vorarlberg liegt der Entwurf dafür derzeit bei den Juristen, informiert Nikolaus Schotzko, Fischereiexperte der Landesregierung und Leiter des Landesfischereizentrums. Nach deren Überarbeitung muss der Entwurf dann in die Begutachtung. Während dieser Frist können bekanntlich Stellungnahmen abgegeben werden.

„Auch andere Fischarten werden von der Kundschaft sehr geschätzt.“

Albert Bösch, Obmann der Vorarlberger Berufsfischer

Fristenlauf

Allerdings sollte dieses Begutachtungsverfahren bald starten, um den Fristenlauf zu schaffen, sodass das Verbot bzw. die dreijährige Schonfrist wirklich am 1. Jänner beginnen kann. Schotzko hofft, dass der dafür nötige Regierungsbeschluss Anfang Dezember vorliegt. Der Bodenseefischereikonferenz sei letztlich keine andere Möglichkeit als die mehrjährige „Pause“ geblieben, um die Fischart zu schonen, sagt der Experte. „Wenn der Nachwuchs nicht mehr da ist, muss man handeln.“

Quaggamuschel tragen unter anderem zur Dezimierung der Felchen bei.<span class="copyright">APA/dpa/Patrick Seeger</span>
Quaggamuschel tragen unter anderem zur Dezimierung der Felchen bei.APA/dpa/Patrick Seeger

Neben dem „Stopp“ sollen auch eine Reihe von Maßnahmen gesetzt werden, um den Felchen, der jahrelang der Hauptfisch, der „Brotfisch“ am Bodensee war, zu schützen. Herangegangen wird dabei von verschiedenen Seiten, nachdem es mehrere Faktoren sind, die der Art in den vergangenen Jahren zugesetzt haben. Dazu zählen vor allem Stichling, Kormoran, Quaggamuschel und Nährstoffmangel.

Kormorane tragen auch zur Dezimierung der Felchen bei. <span class="copyright">Dietmar Stiplovsek</span>
Kormorane tragen auch zur Dezimierung der Felchen bei. Dietmar Stiplovsek

Brut wird “vorgestreckt

Eine der geplanten Maßnahmen ist ein gezielter Laichfischfang zur Gewinnung von Eimaterial, wobei die Brut in der Folge „vorgestreckt“ wird. Das heißt, der Nachwuchs wird bis zu einer Größe von 30 bis 35 Millimetern gezüchtet und damit „stichlingsfest“ gemacht. Zudem soll es eine Machbarkeitsstudie zur Nutzung des Stichlingsbestands im freien Wasser geben, um dessen Anzahl zu reduzieren.

Der Stichling ist für Felchen Nahrungskonkurrent und Räuber. <span class="copyright">Shutterstock</span>
Der Stichling ist für Felchen Nahrungskonkurrent und Räuber. Shutterstock

Seitens der einzelnen Länder sollte laut Schotzko das Kormoran-Management weiter in Angriff genommen werden, wobei Vorarl­berg diesbezüglich relativ weit fortgeschritten sei. Hierzulande dürfen Kormorane seit Jahren per jeweiliger Verordnung und unter strengen Auflagen geschossen und verjagt werden.
Was die Quaggamuschel, den Nährstoffmangel oder auch den Klimawandel betrifft, sind die Möglichkeiten der Einflussnahme indes kaum vorhanden. „Das liegt nicht in den Händen der Fischerei“, so Schotzko.

Nikolaus Schotzko, Fischereiexperte des Landes
Nikolaus Schotzko, Fischereiexperte des Landes

„Nährstoffmangel und Klimawandel liegt nicht in den Händen der Fischerei.“

Nikolaus Schotzko

Alternativen gesucht

Allerdings wird auch nach Alternativen zum Felchen gesucht. Eine davon ist das Rotauge, das schon seit einigen Jahren verstärkt vermarktet wird. Schon rein quantitativ wird es den Felchen aber nicht ersetzen können. Die geringen Erträge beim Felchen sind aber kein neues Phänomen. In den 1960er-Jahren war es ein Nährstoffüberfluss, der die Bestände schwinden ließ, die sich in der Folge wieder erholten.

Eine Rückkehr zu einer „Felchenschwemme“ dürfte es aber nicht mehr geben, ein halbwegs brauchbarer Ertrag könnte auch in Zukunft mit Hilfe der Maßnahmen möglich sein. „Die Quaggamuschel ist gekommen um zu bleiben“, sagt Schotzko – womit dem Felchen dieser Nahrungskonkurrent auf jeden Fall erhalten bleiben wird.

Umsetzung

Neben der Schonzeit muss auf jeden Fall auch an anderen Stellschrauben gedreht werden, sagt der Gaißauer Albert Bösch, Obmann der Vorarlberger Berufsfischer. Das Bekenntnis dazu gebe es, jetzt müssten die geplanten Maßnahmen auch umgesetzt werden. So fordert er unter anderem das „Vorstrecken“ in allen Brutanlagen am See, die für den Stichling vorgesehenen Maßnahmen zur Reduzierung zu realisieren und nicht nur zu planen und ein internationales Kormoran-Management, das alle Anrainerstaaten umfasst – da sich der Vogel ja nicht an Staatsgrenzen

Fischfang am See

Die Situation der Bodenseefischerei gilt seit Jahren als schwierig. Bis 2015 wurden rund um den Obersee noch 400 bis 600 Tonnen an Speisefischen gefangen – zwei Drittel davon Felchen. Seither waren es durchschnittlich nur mehr 270 Tonnen. Im vergangenen Jahr belief sich der Fangertrag auf 153 Tonnen Fisch, davon 21,6 Tonnen in Vorarlberg. Dabei handelte es sich überwiegend um Barsche und Rotaugen. Felchen wurden 2022 überhaupt nur noch 21 Tonnen gefangen – ein Einbruch um über 80 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. 2021 waren es nämlich noch 107 Tonnen.