„Manche denken, es gibt nachts kein HIV oder Alkohol schützt vor einer Infektion“

Hanna Teshome hat ein großes Herz für Kinder. Bei einem Besuch in Vorarlberg erzählt sie, wie aus einem Kind 179 wurden und mit welchen Herausforderungen Äthiopien kämpft.
Im Jahr 1992 habe ich begonnen, einem Kind zu helfen, das seine Mutter aufgrund von HIV verloren hat“, erzählt Hanna Teshome bei ihrem Besuch in Vorarlberg, wie sie damals ihr Hilfsprojekt für HIV/Aids-Waisenkinder in ihrer Heimatstadt Addis Abeba in Äthiopien gegründet hat. Es hätten teilweise Medikamente gefehlt. Wenn etwa Eltern deswegen starben, wären die Waisen womöglich auf der Straße gelandet und kriminell geworden, erklärt sie. Die nun 57-Jährige beschloss deswegen vor 30 Jahren, diesen Kindern für die Zukunft der Waisen und des Landes zu helfen. „Ich entschied mich, meine Liebe und meine Zeit zu teilen“, so Teshome. Aus einem Kind wurden fünf, daraus wurden 15 und so wurden es immer mehr.

“Konnte nicht nein sagen”
„Die Probleme sind groß. Es gibt viele Waisenkinder, Straßenkinder, Kinder im Gefängnis, Kinder mit Müttern im Gefängnis und arme Familien“, beschreibt die Gründerin von „Hanna Orphan’s Home“ (HOH) die Lage in ihrer Heimat. „Und ich konnte nicht ‚Nein‘ sagen, als ich die Schwierigkeiten sah“, erklärt sie. „So wuchs es immer mehr und es wurden fast 200 Kinder“, lässt sie die vergangenen 30 Jahre Revue passieren. Aus einem für die ersten 20 Jahre lang umgesetzten Wohnprojekt mit 24-Stunden-Versorgung in 26 Unterkünften mit 26 Betreuenden entwickelte sich eine vorwiegende Tagesbetreuung und nur noch drei Wohnunterkünfte mit insgesamt 22 Mitarbeitenden. Denn auch vor Äthiopien macht die Teuerung nicht Halt, wodurch Unterkünfte schwer leistbar sind. Die Mietpreise explodierten zuletzt, da viel Wohnraum privat gekauft wurde und eine Regulierung fehle, wie der Projektverantwortliche für Äthiopien der Caritas Vorarlberg, Michael Zündel, erzählt. Das Programm ist ein Partnerprojekt der Caritas. Deswegen ist die Projektleiterin zu Besuch, um die Unterstützer bei einer Veranstaltung im „WirkRaum“ in Dornbirn am Dienstag über die Veränderungen zu informieren und in Dialog zu treten.

Denn auch die Zielgruppe des Programms hat sich verändert. Inzwischen werden nicht mehr ausschließlich HIV/Aids-Waisen von Hannas Team betreut und mit Geld unterstützt, sondern alle Kinder, die Hilfe brauchen, auch etwa aus armen Familienverhältnissen. Denn die Situation ist derzeit nicht einfach in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. „Viele wurden Bettler durch die Teuerung“, erzählt Teshome. Dabei thematisiert die Mutter von drei Kindern und Großmutter von „vielen Enkeln“ die Problematik, dass viele täglich aufs Neue nach einem Tagesjob suchen und davon abhängig sind, dass dann eine Arbeitskraft gesucht wird. Gleichzeitig seien die Preise für Weizen und Öl etwa extrem gestiegen.

Krieg, Analphabetismus, Inflation
Ebenfalls der weltweit kaum wahrgenommene Bürgerkrieg in der nördlichen Region Tigray sorgte dafür, dass viele Einwohner vom Land in die Stadt zogen. Während andere Kriege wie etwa in der Ukraine oder der Nahostkonflikt in Gaza medial präsent sind, ist dieser kaum thematisiert worden, hat jedoch bereits viele Menschenleben gefordert und die Infrastruktur beschädigt. Derartige akut viel thematisierte Krisen würden zusätzlich eine Herausforderung für langfristige Projekte wie „HOH“ darstellen, um Geld von Langzeitspendern zu bekommen, sagt Zündel. Unter Korruption und gestiegener Kriminalität leidet zudem in Äthiopien die Sicherheit, erzählt Zündel. Der Fokus liegt also nicht mehr nur auf den HIV-Waisenkindern. Vor 30 Jahren hätte sich aus Angst noch keiner getraut, HIV-Opfern zu helfen, inzwischen gäbe es aber mehrere Hilfsprojekte, berichtet die Gründerin. Deswegen soll der Name des Projekts angepasst werden – etwa in „Hope and opportunity home“ – wodurch die aktuelle Abkürzung „HOH“ erhalten bleibt. Dies möchte sie im März entscheiden.

Die Kinder werden bei „HOH“ mit Materiellem, wie einem Sparkonto, Essen, einer Duschmöglichkeit unterstützt, jedoch wird auch Bildung gefördert. Dabei dürfen Informationen über HIV nicht fehlen. Denn eine große Anzahl von Analphabeten unter den Eltern der betreuten Kinder, die nichts zu dem Thema lesen können, lassen womöglich eine Wissenslücke in Sachen Infektionsrisiko bei ihren Kindern zurück. „Manche denken, es gibt kein HIV in der Nacht oder Alkohol schützt vor einer Infektion“, berichtet Teshome, warum Bildung ein wichtiger Bestandteil des Programms ist.

Nicht nur die Kinder, auch ihre Eltern, vorwiegend alleinerziehende Mütter, werden sowohl durch Geld für Essen, aber auch durch Trainings unterstützt. In Kursen lernen sie Erziehung und Umgang mit Kindern, aber auch das Managen des Haushaltes. Auch werden sie vorbereitet und ermutigt, um andere Arbeit als etwa das Sammeln von Plastikmüll zu suchen. So zeigt Teshome ihnen beispielsweise, wie man Injera, das traditionelle Brot, bäckt – eine mögliche gute Einnahmequelle.