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Pflegedrama in Hard: Landesrätin Wiesflecker kontert den schweren Vorwürfen

18.07.2024 • 18:06 Uhr
Katharina Wiesflecker
Katharina Wiesflecker bezieht gegenüber der NEUE Stellung zu den Vorwürfen gegenüber dem Senecura-Sozialzentrum „In der Wirke“ in Hard. Hartinger

Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker äußert sich im NEUE-Interview erstmals ausführlich zum Fall jenes Mannes, der 2022 im Senecura-Pflegeheim in Hard verstarb. Sie bezieht Stellung zu den Vorwürfen, gewährt Einsicht in das Gutachten und erklärt, welche Auswirkungen der Fall auf das Pflegepersonal hat.

Frau Wiesflecker, Sie stehen aufgrund der Enthüllungen um das Pflegeheim in Hard stark im Fokus der Medien und der Opposition. Was macht der Fall mit Ihnen persönlich?

Der Fall löst bei mir große Betroffenheit aus. Beruflich setze ich mich seit langem für die Pflege ein – zehn Jahre in der Landesregierung und zuvor im Landtag. Wir haben schwierige Zeiten hinter uns gebracht, insbesondere während der Corona-Pandemie. Ich habe stets versucht, die Pflegequalität im Land zu sichern. Das andere ist, dass es Verbindungen zu einer persönlichen Situation gibt. Meine Mutter verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens in einem Pflegeheim und ist dort verstorben. Ich kann den Schmerz der Angehörigen (im Fall Hard, Anm. d. Red.) gut nachvollziehen. Der Vater stand wahrscheinlich stark im Leben, hatte eine Herzoperation und dann ging es gesundheitlich kontinuierlich bergab. So mischen sich die Gefühle bei mir ein Stück weit.

Katharina Wiesflecker
Katharina Wiesflecker im NEUE-Interview. Hartinger

Sie haben aus dem Gutachten der Amtssachverständigen berichtet, wonach keine pflegefachlichen Defizite festgestellt wurden. Andere Medien zitieren Folgendes aus dem Gutachten: “Im Zuge der Überprüfung fallen Versäumnisse bei der Durchführung des Pflegeprozesses und in weiterer Folge bei der Anpassung der Pflegeplanung auf”. Nun steht der Verdacht der Vertuschung im Raum. Wie reagieren Sie darauf?

Ich will nichts vertuschen und für volle Transparenz sorgen. Unsere Aufsichtsbehörde reagierte vor zwei Jahren sofort auf die Beschwerde des Angehörigen. Innerhalb einer Woche waren wir im Heim, haben alle Unterlagen angeschaut und die Sachverständige hat das Gutachten erstellt. Dabei war die Frage zu prüfen, ob das Wundliegen und das Untergewicht durch Pflegefehler entstanden sind. Man kann deutlich aus dem Gutachten entnehmen, dass das nicht der Fall ist. Aktuell sollen unabhängige Experten den Fall erneut prüfen. Der Landesvolksanwalt wird die Verwaltung kontrollieren, und der Patientenanwalt untersucht den Fall im Heim.

Wie sind die gegensätzlichen Aussagen zu erklären?

Vereinfacht gesagt, Versäumnisse im Pflegeprozess sind auf den Personalmangel zurückzuführen. Die Sachverständige hält fest, dass die Pflege ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Aber in der Dokumentation und Anpassung der Pflegeplanung sind manche Sachen nicht schlüssig erfolgt oder erst nachträglich eingetragen worden. Man muss einordnen: Das war Mitte 2022, wir waren also in der Endphase von Corona. Da herrschten in allen Heimen Personalengpässe. Vor Ort haben die Pflegekräfte auch bestätigt, dass die Zeit begrenzt war. Man sie dann lieber zugunsten des Patienten und dafür auf Kosten der Dokumentation verwendet. Dennoch wurden die Pflegeleistungen erbracht, was das Wichtigste ist.

Katharina Wiesflecker
Katharina Wiesflecker weist die Vorwürfe der Vertuschung entschieden zurück. HArtinger

Wie lange wird die von Ihnen angesprochene Untersuchung von Patientenanwalt und Volksanwalt dauern?

Der Patientenanwalt ist schon dran, da rechnen wir im Herbst mit Ergebnissen. Wie lange die Prüfung des Landesvolksanwalts geht, kann ich nicht beurteilen, wahrscheinlich etwas länger.

Das Dossier hat Bilder des Patienten veröffentlicht, die einen drastischen Gewichtsverlust zeigen. Inwiefern kann man diesen Gewichtsverlust überhaupt dem Pflegeheim zuschreiben?

Die Aufnahmen sind sehr irritierend, da sie eine längere Zeitspanne abbilden als nur den Heimaufenthalt. Das erste Bild war offenbar vor der Herzoperation. Dann hat der Patient schon während eines Jahres 27 Kilogramm an Gewicht verloren. Ein Jahr nach der Operation ist er im Heim aufgenommen worden, in geschwächtem Zustand, und er verlor dort nochmals stark an Gewicht. Es ist wichtig festzuhalten, dass er da bereits in einer palliativen Phase war. Der Gewichtsverlust im Heim war eine Fortsetzung seines gesundheitlichen Abbaus.

Katharina Wiesflecker
Wiesflecker bezieht sich auf das Gutachten einer Amtssachverständigen, welches besagt, dass kein Pflegefehler Ursache für Untergewicht oder Wunden war.Hartinger

Welche Rolle spielen die Angehörigen von pflegebedürftigen Personen in solch einer Situation?

Sie spielen eine wichtige Rolle. Die Entscheidung, einen Angehörigen in ein Pflegeheim zu bringen, ist ein großer Schritt für alle Beteiligten. Es ist wichtig, dass die Familie weiterhin da ist, in der emotionalen Verbindung und der Unterstützung, besonders beim Übergang ins Pflegeheim. Im Idealfall ist es danach eine gute Zusammenarbeit zwischen Pflegepersonal und Angehörigen.

In Medienberichten wurde kritisiert, dass Sie bei einer Gesprächsrunde mit den Sozial- und Gesundheitssprechern der anderen Parteien nur eine komprimierte Version des Gutachtens vorgelegt sowie Film- und Fotoaufnahmen untersagt haben. Sie selbst gaben an, das gesamte Gutachten vorgelegt zu haben. Welche Version stimmt?

Ich habe den Vertretern das Gutachten in der gesamten Länge und ohne Schwärzungen vorgelegt. Es ist schlichtweg eine Lüge zu behaupten, ich hätte nur eine komprimierte Version vorgelegt. Fotoaufnahmen habe ich untersagt, um die Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen zu wahren.

Katharina Wiesflecker
Katharina Wiesflecker im Gespräch mit der NEUE. Hartinger

In der Causa Hard gab es auch Kritik an den stichprobenartigen Kontrollen im Heim. Muss sich Ihrer Meinung nach etwas an der Vorgehensweise bei Heimkontrollen ändern?

Die Pflegeheimaufsicht ist gesetzlich verankert, und ich bin als Regierungsmitglied dazu verpflichtet, diese auszuführen. Es gibt zwei Komponenten: regelmäßige kommissionelle Überprüfungen und sofortige Reaktionen auf Beschwerden. Die letzte kommissionelle Einschau im Senecura-Heim Hard fand Ende 2021 statt, und aufgrund der Beschwerde gab es im Juli 2022 eine weitere Prüfung. Ob der gesetzliche Rhythmus von spätestens alle drei Jahre verändert werden sollte, ist eine Diskussion für den Landtag. Ich stehe für Kontrollen und die Sicherung einer guten Pflegequalität ein.

Gibt es Unterschiede in den Kontrolltätigkeiten, je nachdem, ob ein Heim privat, gemeinnützig oder öffentlich betrieben wird?

Nein, der Maßstab ist für alle Heime der gleiche.

Katharina Wiesflecker
Katharina Wiesfleckerbetont im NEUE-Interview, dass die Heimkontrollen in jeder Einrichtung gleich sind.Hartinger

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Berichterstattung rund um Hard auf das dortige Personal und auf das Image des Pflegeberufs?

Ich habe engen Kontakt mit der Regionalleitung von Senecura. Sie berichten, dass die Stimmung im Heim stabil ist und das Personal unterstützt wird. Offenbar gab es am Mittwoch auch eine Veranstaltung für die Angehörigen im Senecura-Heim in Hard. Die Berichterstattung halte ich für eine Gefahr, was das Image der Pflege gesamthaft betrifft. Darum ist es wichtig, auch positive Beispiele hervorzuheben und die gute Arbeit der Pflegekräfte anzuerkennen, ohne aber zuzudecken, wenn etwas schiefläuft.

Wie hat sich die Pflegesituationen in Vorarlberg im Hinblick auf die Suche nach Personal und die Ausbildung von Pflegekräften entwickelt?

Es ist eine Herausforderung, ausreichend Pflegepersonal zu gewinnen und auszubilden. Die demografische Entwicklung und der steigende Bedarf an Pflegekräften machen das nicht einfacher. Im vergangenen Herbst ist es uns gelungen, 440 Menschen für die Pflegeausbildung zu gewinnen, dank verschiedener Förderungen und Initiativen. Eine große Rolle im Pflegeberuf spielen die Rahmenbedingungen und die Arbeitskultur in den Einrichtungen. Gute Teamkultur, Wertschätzung und flexible Dienstpläne sind entscheidend, um Pflegekräfte im Beruf zu halten.

Abschließend, welches Resümee ziehen Sie aus dem Fall Hard?

Es ist wichtig, dass Pflegepersonal und Angehörige im Sinne der Bewohner gut zusammenarbeiten. Wir brauchen aber auch ein gutes Vertrauen in Pflegeheime. Wenn wir dann von Seiten des Landes im Sinne der Qualitätssicherung einen guten Blick auf die Heime behalten, gelingt es uns, eine gute Pflegequalität im Land aufrechtzuerhalten.

(NEUE)