Gutachter entkräften Vorwürfe gegen Sozialzentrum
![Präsentation der von SeneCura in Auftrag gegebenen Gutachten zum Vorwurf der Vernachlässigung eines Heimbewohners. Pk der Senecura zum Todesfall im Heim, mit • Univ.-Prof. Dr. Hans Jürgen Heppner, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhlinhaber Geriatrie (online zugeschaltet) • Univ.-Prof. Dr. Jürgen Osterbrink, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Universitätsinstitut für Pflegewissenschaft und -praxis • Anton Kellner, Geschäftsführer SeneCura Gruppe • […]](/2024/07/0F8A9669-1-768x512.jpg)
Nach den schweren Vorwürfen von Angehörigen rund um den Todesfall von Günther L. im Senecura-Sozialzentrum in Hard, hat die Einrichtung reagiert.
Im August 2022 ist der 89-jährige Günther L., Bewohner des Senecura-Sozialzentrums „Haus in der Wirke“ in Hard, gestorben. Vor gut zwei Wochen wurden dann medial Vorwürfe der Angehörigen laut, denen zufolge der Mann im Heim unter Vernachlässigung und Mangelernährung gelitten habe. Die Aufregung und Unsicherheit waren in der Folge verständlicherweise groß. Die Einrichtung hat daraufhin zwei Gutachter beauftragt, den Fall zu untersuchen. Gestern wurden die Ergebnisse präsentiert.
Untersucht wurden die Geschehnisse anhand von Dokumenten aus ärztlich-geriatrischer und aus pflegerischer Sicht. Gutachter waren der Inhaber des Geriatrielehrstuhls der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg Professor Hans Jürgen Heppner sowie Professor Jürgen Osterbrink vom Institut für Pflegewissenschaft und -praxis der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg.
Fortschreitende Demenz
Den Gutachten zufolge war Günther L. von 12. November 2021 bis 13. Dezember 2021 in Kurzzeitpflege im Sozialzentrum. Am 20. April 2022 wurde er dauerhaft aufgenommen. L. hatte sich zuvor in häuslicher Pflege befunden, was aufgrund seiner fortschreitenden Demenz dann nicht mehr möglich war, wie Heppner ausführte. Im Sozialzentrum habe er sich in der Folge „ruhelos, herausfordernd und sehr ablehnend“ gezeigt. Schon bei der Aufnahme habe ein fehlendes Durst- und Hungergefühl – ein Aspekt der Demenz – bestanden.
![Präsentation der von SeneCura in Auftrag gegebenen Gutachten zum Vorwurf der Vernachlässigung eines Heimbewohners. Pk der Senecura zum Todesfall im Heim, mit • Univ.-Prof. Dr. Hans Jürgen Heppner, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhlinhaber Geriatrie (online zugeschaltet) • Univ.-Prof. Dr. Jürgen Osterbrink, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Universitätsinstitut für Pflegewissenschaft und -praxis • Anton Kellner, Geschäftsführer SeneCura Gruppe • […]](/2024/07/0F8A0139-1-768x512.jpg)
Beide Gutachter listen in ihren Untersuchungen eine Vielzahl an Vorerkrankungen von L. neben der Demenz auf. In der pflegerischen Dokumentation gebe es Lücken bzw. zeitverzögerte Anpassungen, stellte Heppner fest. Diese seien aber der erheblichen Arbeitsbelastung geschuldet gewesen, zumal es sich damals um eine Hochphase der Corona-Pandemie gehandelt habe. Die Prioritäten seien in der Bewohner-Fürsorge gelegen, so der Geriatrieprofessor.
“Angehörige eingebunden”
Was den Dekubitus, also die Druckgeschwüre, betrifft, kann Heppner Pflegefehler ausschließen: „Das war eine schicksalhafte Entwicklung. Es wurde schon alles richtig gemacht.“ Die Angehörigen seien laut den Unterlagen zudem zu jedem Zeitpunkt in die Entwicklungen eingebunden gewesen.
In Hinblick auf den Vorwurf der Mangelernährung erklärte Heppner, dass mit fortschreitender Demenz oft auch der Verlust von Hunger- und Durstgefühl einhergehe. Kauen und schlucken würden ebenso beeinträchtigt, der Geschmackssinn gehe verloren, Essen werde nicht als solches erkannt. Eine künstliche Ernährung sei hier keine Option, da die Nahrung in dieser Phase gar nicht mehr verarbeitet werden könne. Für Heppner steht fest: „Es sind keine Fehler zu erkennen und eine Vernachlässigung geht aus den Unterlagen nicht hervor.“
![Präsentation der von SeneCura in Auftrag gegebenen Gutachten zum Vorwurf der Vernachlässigung eines Heimbewohners. Pk der Senecura zum Todesfall im Heim, mit • Univ.-Prof. Dr. Hans Jürgen Heppner, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhlinhaber Geriatrie (online zugeschaltet) • Univ.-Prof. Dr. Jürgen Osterbrink, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Universitätsinstitut für Pflegewissenschaft und -praxis • Anton Kellner, Geschäftsführer SeneCura Gruppe • […]](/2024/07/0F8A9803-1-768x512.jpg)
Zum selben Ergebnis kommt der Pflegewissenschafter. „Die Pflegenden waren hoch bemüht, den Bewohner zu begleiten und in ständiger Interaktion mit den Angehörigen“, so Osterbrink. L. sei „schwerst pflegebedürftig“ gewesen und bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens auf Hilfe angewiesen. Die Dokumentation der chronischen Wunden hätte engmaschiger ausfallen können, deren externe Begleitung früher eingeleitet, so der Experte. „Das hätte aber nichts am Ergebnis geändert.“
L. habe während seines Aufenthalts im Sozialzentrum viel an Gewicht verloren, betätigte Osterbrink. Allerdings habe er schon vorher an die 30 Kilo verloren gehabt. Auch der Pflegewissenschaftler spricht von einem „Ausnahmezustand“, der damals angesichts der Pandemie geherrscht habe. Osterbrinks Conclusio: Die Pflege von L. sei individuell angepasst, nachvollziehbar sowie „bemüht und umsichtig“ gewesen.
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„Betroffen“ zeigte sich der Senecura-Regionaldirektor für Tirol und Vorarlberg Daniel Siegl. Er sprach von Mitarbeitern, die wegen der Vorwürfe auf der Straße angefeindet worden seien und „das macht mich wütend“. Pflege sei seit Jahren öffentlich, jeder rede mit, jeder pflege, ärgerte sich Siegl. Pflege sei in den letzten Jahren aufwändiger und hochkomplexer geworden, sagte er. „Leider ist das gesellschaftlich nicht wirklich präsent.“
Siegl betonte, dass zum Zeitpunkt des Ablebens von L. der damalige Personalschlüssel umgesetzt gewesen sei. Man habe nach den jetzigen Vorwürfen mit Mitarbeitern, Bewohnern und Angehörigen viele Gespräche geführt, erzählte der Regionaldirektor. „Wir haben sicher nichts zu verstecken.“ Und: „Wir machen nicht tagtäglich alles richtig, aber wir machen unser Bestes.“ Siegl, der eine „Lanze für die gesamte Altenpflege in Vorarlberg brechen“ will, zeigte sich stolz „auf dieses Haus“. Es sei mit 598 Bewohnern vollbelegt und auch der neue Personalschlüssel umgesetzt, betonte er.
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Siegl lieferte dann noch ein paar Zahlen: Seit 1998 sei Senecura in Vorarlberg. 425 Menschen würden in deren Einrichtungen wohnen und fast 250 dort nur in der Pflege arbeiten. „Transparenz und volle Aufklärung ist uns wichtig“, hatte der Geschäftsführer der Senecura-Gruppe Anton Kellner eingangs betont. Wäre bei den Gutachten etwas anderes herausgekommen, würde man auch hier sitzen, meinte er dann noch.