Offene Planstellen, viele Überstunden: Polizei im Ländle am Limit?

Parlamentarische Anfrage zeigt, dass 77 Planstellen der Vorarlberger Polizei nicht besetzt sind – mit spürbaren Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Polizeigewerkschafter sprechen von “sehr angespannter” bis prekärer Situation und fordern mehr Personal und Reformen.
Die Polizei in Vorarlberg steht weiterhin unter starkem personellen Druck. Eine parlamentarische Anfrage des SPÖ-Abgeordneten Robert Laimer brachte detaillierte Zahlen zur Situation der Exekutive im Bundesland ans Licht. Demnach kamen mit 1. Dezember 2024 auf 962 systemisierte Planstellen insgesamt 885 Köpfe, was bedeutet, dass 77 Planstellen nicht besetzt sind. Mit 798,75 Vollbeschäftigtensäquivalenten (VBÄ) – Polizeischüler nicht eingerechnet – ist Vorarlberg das Bundesland mit der geringsten Anzahl an Polizeikräften – was angesichts der Bevölkerungsgröße nicht überraschend ist. Doch im Verhältnis zu anderen Bundesländern zeigt sich eine deutliche Schieflage. Tirol hat mit 2.488 VBÄ nur drei offene Planstellen, während Burgenland, Niederösterreich, Steiermark und Salzburg sogar einen Überstand zu verzeichnen haben.
Nur in Dornbirn sind alle Planstellen besetzt
Der Personalmangel zieht sich durch alle Ebenen der Exekutive. Im Bezirk Bregenz waren 26 Planstellen offen, in Feldkirch 11, in Bludenz und Dornbirn gab es drei bzw. vier Köpfe mehr als Planstellen. Mit Engpässen kämpfen auch zentrale Einheiten der Landespolizeidirektion (LPD) . In der Fremden- und Grenzpolizeilichen Abteilung sind 18 Stellen unbesetzt, in der Landesverkehrsabteilung fehlen 13 Beamte. Auch die Einsatzabteilung (-7) und das Landeskriminalamt (-3) sind betroffen.
Überstunden
Die offenen Planstellen haben unmittelbare Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr vorarlbergweit 119.136 Überstunden geleistet. In Bregenz, dem bevölkerungsreichsten Bezirk, verzeichneten die Beamten laut Anfragebeantwortung mehr als 23.000 Überstunden, während die Exekutivbeamten in Dornbirn über 17.500, in Feldkirch rund 17.300 und in Bludenz 12.800 Überstunden leisteten. Dazu kamen knapp 193.400 Journaldienststunden, die eigentlich für administrative Tätigkeiten vorgesehen sind, aber zunehmend für Einsätze genutzt werden, um Personallücken zu kompensieren.
Abgänge
Daneben wirken sich regelmäßige Personalabgänge aus. 32 Polizisten gingen bis zum 1. Dezember 2024 in Pension, drei davon vorzeitig. 46 Polizistinnen gingen in Karenz. Nur zwei Beamte aus anderen Bundesländern wurden nach Vorarlberg versetzt, während sechs Polizisten aus Vorarlberg in andere Bundesländer abgezogen wurden. Zusätzlich sind 31 Polizisten außerhalb Vorarlbergs dienstzugeteilt, wodurch sich die Engpässe weiter verschärfen dürften. Ebenfalls ins Gewicht fallen 32 Austritte, Kündigungen oder Entlassungen, die es 2024 gab, acht davon waren Polizeischüler.
Zahlen und Fakten
Vollbeschäftigtenäquivalente (VBÄ): 798,75
Systemisierte Planstellen: 962
Besetztes Stammpersonal (Köpfe): 885
Nicht besetzte Planstellen (Unterstand): -77
Personalstand nach Bezirken
Bezirk Bregenz
Planstellen: 214
Köpfe: 188
Unterstand: -26
Bezirk Dornbirn
Planstellen: 122
Köpfe: 126
Überstand: +4
Bezirk Feldkirch
Planstellen: 136
Köpfe: 125
Unterstand: -11
PERSONALSTAND NACH ABTEILUNGEN
Fremden- und Grenzpolizeiliche Abteilung: 18 offene Planstellen
Landesverkehrsabteilung: 13 offene Planstellen
Einsatzabteilung: 7 offene Planstellen
Landeskriminalamt: 3 offene Planstellen
überstunden und Journaldienststunden
Überstunden gesamt: 119.136
Journaldienststunden gesamt: 193.398
Überstunden nach Bezirken:
Bregenz: 23.390
Dornbirn: 17.593
Feldkirch: 17.345
Bludenz: 12.802

Erholung erst Ende 2025 in Sicht
Die Vorarlberger Polizeigewerkschaft sieht die aktuelle Entwicklung mit großer Sorge. Auf Anfrage der NEUE Vorarlberger Tageszeitung schildern Vertreter der Polizeigewerkschaften, welche massiven Auswirkungen der Personalmangel bereits auf den Polizeidienst hat. Manuel Preiß, stellvertretender Vorsitzender des FCG-KdEÖ im Fachausschuss Exekutive der LPD Vorarlberg, beschreibt die aktuelle Lage als „sehr angespannt“. Aufgrund von Pensionierungen und Austritten habe sich die Zahl der Beamten im exekutiven Außendienst verringert.„Zudem wurden in der Vergangenheit neue Einheiten geschaffen, wie die Bereitschaftseinheit oder die Schnellen Reaktionskräfte (SIG), die zusätzlich Personal binden“, erläutert Preiß. Das Hauptproblem sei, dass die geplanten Neueinstellungen erst in den kommenden Jahren greifen werden: „Die Ausbildung dauert zwei Jahre. Erst ab Ende 2025 oder 2026 wird sich der Personalstand leicht erholen“, sagt Preiß. Gleichzeitig müsse auch damit gerechnet werden, dass nicht alle Polizeischüler die Ausbildung abschließen: „Es gibt auch immer wieder Austritte, die natürlich in der Planung berücksichtigt werden müssen.“ Prieß verweist. Der Gewerkschafter verweist zudem auf die ungleiche Verteilung der Polizeikräfte in Österreich. “Während in Vorarlberg ein Polizist für 416 Einwohner zuständig ist, sind es im Burgenland nur 215 pro Beamten.”

“Situation ist prekär”
Gerhard Partel, Vorsitzender der FSG-Polizeigewerkschaft, spricht von einer „prekären Personalsituation“ und warnt davor, den derzeitigen Zustand als Normalität zu akzeptieren: „Die Kolleginnen und Kollegen befinden sich in einem Hamsterrad aus Plandienststunden, Überstunden und ständig steigenden Anforderungen. Laut Partel leisten Polizisten in Vorarlberg 40 bis 50 Überstunden pro Monat. „Das bedeutet, dass jede Beamtin und jeder Beamte pro Jahr zwei zusätzliche Arbeitsmonate leistet. Über eine gesamte Polizeikarriere gerechnet entspricht das acht Jahren zusätzlicher Arbeitszeit.“ Überstunden, sowohl vorgeplant als auch kurzfristig übernommen, unter der Woche als auch, ganz im Speziellen, am Wochenende zählen laut Partel bereits zur Normalität. “Daraus resultierten eine allgemeine Erschöpfung, Einschränkungen im sozialen Umfeld und innerfamiliäre Probleme.” Gefährlich sei, dass die Journaldienst- und Überstundenbelastung bei der Polizei als notwendig hingenommen werde, um ein vernünftiges Einkommen erreichen. Ein weiteres Problem sei, dass Journaldienststunden, die für administrative Aufgaben vorgesehen sind, zunehmend für Einsätze im Außendienst genutzt werden. Dadurch werde der Personalmangel künstlich kaschiert, kritisiert Partel.
Forderungen
Die Gewerkschaften fordern eine Reihe von Maßnahmen, um die Polizei in Vorarlberg attraktiver zu machen. Preiß betont, dass es nicht nur darum gehe, neues Personal zu gewinnen, sondern vor allem darum, bestehende Kräfte zu halten. „Die Stundenanzahl muss reduziert werden, sei es durch mehr Personal oder durch Reformen innerhalb der Polizei.“ Finanzielle Nachteile aufgrund von Urlaub oder Krankenständen hält Preiß für „nicht mehr zeitgemäß.“
Auch Partel fordert eine Gehalts- und Dienstrechtsreform, gleichzeitig müsse der Polizeiberuf attraktiver gestaltet werden, anstatt weitere „Leuchtturmprojekte auf Kosten der Basisdienststellen umzusetzen.“ Für die Schließung der Personallücke müsste jedenfalls ein Vielfaches an jungen Polizisten ausgebildet werden, sagt Partel.