Aus für Deponiepläne nach viel Kritik – Projektwerber: “An geltendem Recht vorbei argumentiert”

Eine umstrittene Aushubdeponie im Tisner Ried (Feldkirch) sorgte für Aufruhr. Bürgermeister drohte Grundeigentümer mit Konsequenzen, Anrainer protestieren, Parteien positionierten sich. Nun ist das Projekt Geschichte. Projektwerber kritisiert, dass an geltendem Recht vorbei argumentiert wurde.
Recherchen der NEUE Vorarlberger Tageszeitung zu einer geplanten Aushubdeponie im Tisner Ried haben in Feldkirch mächtig Staub aufgewirbelt. Vor allem die Bewohner der Stadtteile Tisis und Tosters, in der sich das betroffene Naherholungsgebiet befindet, befürchteten eine Zunahme des Verkehrs und negative Auswirkungen auf die Lebensqualität.
Und weil ja demnächst gewählt wird, brachten sich auch die Parteien in Stellung. Die Feldkircher Grünen starteten eine Online-Petition gegen das Deponieprojekt, die ÖVP versicherte auf Facebook, alles in ihrer “Macht Stehende zu tun, um diese Deponie zu verhindern.“

Selbst die Freiheitlichen, auf deren Liste sich der Grundbesitzer der geplanten Deponie findet, forderten von den Projektbetreibern volle Transparenz, vor allem was den zu erwarteten Lkw-Verkehr angeht. Man werde „nie ein Projekt akzeptieren, das die Lebens- und Wohnqualität in unserer Stadt verschlechtert“, schrieb Vizebürgermeisterin Andrea Kerbleder auf Facebook.

Bürgermeister Manfred Rädler (ÖVP) ging in einer Aussendung am Dienstag noch einen Schritt weiter und kündigte an, dem Grundbesitzer unter Umständen die Pachtverträge für jene städtischen Grundstücke zu kündigen, die dieser als Landwirt bewirtschaftet. „Wir wurden vom Grundeigentümer als Vertragspartner vor vollendete Tatsachen gestellt“, kritisiert Rädler. Die Nutzung seines Grundstücks als Aushubdeponie sei nur möglich, weil er gleichzeitig städtische Grundstücke für den laufenden Betrieb verwende, heißt es in der Aussendung.

Das sagt Projektwerber Hager
Rädlers Ansage als Stadtoberhaupt dürfte schließlich ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass der Grundstücksbesitzer und in weiterer Folge die Hager Bau GmbH als Projektwerber die Deponiepläne nun ad acta legen. „Wir ziehen das Projekt zurück“, sagt Wilhelm Hager, Geschäftsführer und Miteigentümer der Hager Bau GmbH, auf NEUE-Anfrage. Er könne die Entscheidung des Grundstücksbesitzers nachvollziehen, schließlich gehe es um dessen Existenzgrundlage. Auf die Frage, ob das Projekt zu einer anderen Zeit weiterverfolgt werde, antwortete Hager, dass er das jetzt noch nicht wisse.
“Es wird dramatisiert”
Der Bauunternehmer gibt allerdings zu bedenken, dass das Aushubmaterial, etwa für ein genehmigtes Wohnbauprojekt am Tostner Kapellenweg, jetzt viele Kilometer durch mehrere Stadtteile und Gemeinden transportiert werden müsse. „Solange die Menschen nicht auf Hausbooten leben, wird Material anfallen, das irgendwo deponiert werden muss“, sagt der Bregenzerwälder Unternehmer. Eine Bodenaushubdeponie bewilligt zu bekommen, sei eine sehr schwer zu bewerkstelligende Herausforderung. „Unweigerlich wird dramatisiert, aber auch mit Fehlinformation gearbeitet. Letztlich wird an geltendem Recht vorbei argumentiert bzw. wie in diesem Fall der Sack von politischer Seite aus schon im laufenden Behördenverfahren zugemacht“, so Hager im NEUE-Gespräch.
Hager ist übrigens Mehrheitseigentümer jener Bauträgerfirma, die am Kapellenweg ein Reihenhaus-Projekt umsetzen wird – auch der Aushub, der bei dieser Baustelle anfallen wird (rund 3000 Kubikmeter), wäre laut Hager zur nahegelegenen Deponie gebracht worden. Detail am Rande: Die beiden Geschäftspartner Hagers in der Bauträgerfirma stehen wiederum auf der Liste der Feldkircher Grünen. Letztere haben bekanntermaßen eine Online-Petition gegen das Deponieprojekt initiiert.

Die Vorgeschichte
Die Hager Bau GmbH aus Schoppernau plante im Ried an der Grenze zwischen Tisis und Tosters nahe dem Geflügelhof Feldkirch (früher Gallaun) eine knapp 28.000 Quadratmeter große Bodenaushubdeponie. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sollten rund 43.100 Kubikmeter „nicht kontaminiertes Material“ abgelagert werden. Bevor die Deponierung begonnen hätte, wäre geplant gewesen, eine Bodenschicht von einem halben Meter abgetragen, anschließend hätte man das Gelände bis zu eineinhalb Meter aufgeschüttet werden. Beantragt wurden bis zu 60 Lkw-Fuhren pro Tag (120 Fahrten hin und retour) – in einem Zeitraum von zehn Tagen im Jahr. Ansonsten sind maximal 20 Fuhren täglich geplant. Pro Jahr sollten maximal 5000 Kubikmeter Bodenaushub eingelagert werden. Das entspricht durchschnittlich 1,3 Fuhren pro Tag, sofern voll beladene Sattelschlepper mit einer Kapazität von rund 15 Kubikmetern eingesetzt werden. Die Zu- und Abfahrt war laut bekannten Informationen über die Egelseestraße, die Hubstraße und die Werdenbergstraße geplant.Soweit bekannt war, hätte die Zu- und Abfahrt über die Egelseestraße bzw. Hubstraße sowie über die Werdenbergstraße erfolgen.
Der Antrag war im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens bei der Bezirkshauptmannschaft (BH) Feldkirch eingereicht worden. Das bedeutet, dass weder die Stadt Feldkirch als Standortgemeinde noch die Anrainer (auch die Stadt ist Grundstücksnachbar) eine volle Parteistellung gehabt hätte. In vereinfachten Verfahren kann während der Auflagefrist lediglich Einsicht in die Planungsunterlagen genommen und eine Stellungnahme abgeben werden, auf die die Behörde dann Bedacht nehmen muss.

Nachbarn besorgt
Jürgen Müller, der gemeinsam mit seinem Bruder ein Grundstück neben der nun geplatzten Deponie gehört, hat sich mit einer solchen Stellungnahme an die BH Feldkirch gewendet. Er befürchtet, dass sich die Bodenverhältnisse auf seinem Grund verschlechtern könnte. „Wir haben im Ried sowieso schon ein Thema mit dem Grundwasser. Wenn sich der Boden durch die Deponie verdichtet, könnte es noch schlimmer werden. Noch dazu würde vom Nachbargrundstück zu unserem ein Gefälle entstehen, weil ja Material aufgeschüttet wird“, erklärt Müller, der auf einem Teil des Feldes Beeren anbaut.
Darüber hinaus befürchtete nicht nur Müller, dass sich mit einer allfälligen Genehmigung einer Aushubdeponie im Ried sozusagen die Büchse der Pandora geöffnet hätte. Will heißen, dass eine Genehmigung mitunter Begehrlichkeiten weiterer Entsorger wecken könnten. „Das hört dann vielleicht gar nicht mehr auf“, warnt der Grundbesitzer vor möglichen weiteren Deponieprojekten. Auf seinem Feld im Ried hat er deshalb eine Tafel aufstellt, auf der unter anderem Informationen zur Online-Petition der Grünen zu finden sind. Die am vergangenen Freitag gestartete Petition wurde übrigens mit Stand Dienstag, 16 Uhr, 860 Mal unterschrieben.
In einer Aussendung am späteren Dienstagnachmittag teilte die Presseabteilung der Stadt Feldkirch mit, dass die Bedenken der Stadt in einem Gespräch zwischen Bürgermeister Manfred Rädler, Wirtschaftsstadtrat Benedikt König, Stadtamtsdirektor Christian Müller und dem Grundeigentümer dargelegt werden konnten. Auch die mediale Berichterstattung habe dazu beigetragen, das Projekt neu zu bewerten. Bürgermeister Rädler: „Es ist äußerst erfreulich, dass dieses Vorhaben nicht weiterverfolgt wird.”