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Von Dnipro nach Bludenz: Ein Start-Stipendiat erzählt

19.04.2025 • 16:30 Uhr
Von Dnipro nach Bludenz: Ein Start-Stipendiat erzählt
Renat Vekhnov­skyi lebt seit 2022 in Vorarlberg. Klaus Hartinger

Renat Vekhnovskyi ist seit vergangenem Herbst im Start-Programm. Der heute 16-Jährige ist vor zweieinhalb Jahren mit der Oma und der Uroma aus der Ukraine nach Vorarlberg gekommen.

Am 1. August 2022 ist Renat Vekhnovskyi mit seiner Großmutter und seiner Urgroßmutter nach Vorarlberg gekommen. Der heute 16-Jährige stammt aus Dnipro, der mit ehemals knapp einer Million Einwohnern viertgrößten Stadt in der zentralöstlichen Ukraine. Seine getrennt lebenden Eltern sind dort geblieben: sein Vater, weil er als Angehöriger des Militärs im Kampf ist, seine Mutter, eine Ärztin, die ihren neuen Mann, der nicht ausreisen darf, nicht zurücklassen wollte.

Von Dnipro nach Bludenz: Ein Start-Stipendiat erzählt
Der 16-Jährige besucht die HTL Rankweil. Hartinger

Für die heute 63-jährige Oma und vor allem für die jetzt 91-jährige Uroma war die Flucht nach Österreich ein „großer Stress“, erinnert sich Renat. Das Trio ist zunächst bei einer Tante des Jugendlichen und deren Mann, die bereits im Jahr davor nach Feldkirch gekommen waren, untergekommen. Einige Monate konnten sie dort bleiben, bevor sie dann nach Bludenz in eine zur Verfügung gestellte, eigene Wohnung übersiedeln konnten, wo sie heute noch leben. Die Tante und deren Mann leben mittlerweile in Frankreich.

“Kein Wort Deutsch”

„Als wir in Vorarlberg ankamen, konnte ich kein Wort Deutsch“, erzählt Renat, der die Sprache mittlerweile ausgezeichnet beherrscht. Nach der Ankunft im August habe er sich sofort für die Schule, die Mittelschule Feldkirch-Levis, angemeldet und den Monat bis Schulbeginn dazu genutzt, schon ein bisschen die Sprache zu lernen, erinnert er sich. In der Schule gab es dann einen Deutsch-Intensivkurs und nach einem halben Jahr war er in einer Regelschulklasse. Auch der Schulabschluss gelang im ersten Anlauf. „Da war ich sehr glücklich, weil ich glaubte, dass ich die Klasse wiederholen muss“, so der Jugendliche.

Renat, Start-Stipendium
Renat (rechts) mit anderen Stipendiaten auf dem Pfänder. Start

Anschließend ging es schulisch weiter in die HTL Rankweil, wo Renat den Zweig Elektronik und Technische Informatik besucht. Die Schule gefällt dem 16-Jährigen sehr gut, von Vorarlberg und Österreich zeigt er sich begeistert. „Kinder und Jugendlich haben hier viele Möglichkeiten, sich für eine Ausbildung zu entscheiden“, stellt er fest. „Man kann viele Sachen ausprobieren.“ In Hinblick auf seine Interessen sei die HTL Rankweil „der beste Ort“.

Zukunftpläne

Was seine Zukunft betrifft, will Renat in drei Jahren Matura machen und dann „auf jeden Fall studieren“. Was? „Das Herz sagt Physik, der Kopf Technik“, so die Antwort. Er möchte auf eine Universität „irgendwo in Europa“, wobei im deutschsprachigen Raum die Sprachbarriere wegfallen würde, wie er feststellt. Der 16-Jährige spricht auch Englisch, nachdem er einen diesbezüglichen Kurs schon mit drei Jahren gemacht hat. Eine Rückkehr in die Ukraine kann er sich derzeit nicht vorstellen. „Ich sehe hier mehr Perspektiven für meine Zukunft.“

Leidenschaft Musik

Neben der Schule hat der 16-Jährige noch einige andere Interessen. „Ich mag Musik“, sagt er, „sehr. Sie ist ein wichtiger Teil meines Lebens.“ Von Jazz bis Death Metal reicht inhaltlich die Spanne. Als Kind wurde er von der Großmutter in der Musikschule angemeldet. Blockflöte und dann Querflöte waren dort seine Instrumente. „Das hat mir nicht so gefallen“, meint er heute dazu. Daher hat er vor rund eineinhalb Jahren mit der Gitarre und E-Gitarre angefangen. Dafür besucht er die Musikschule Bludenz.

Von Dnipro nach Bludenz: Ein Start-Stipendiat erzählt
Renat lebt in Bludenz. Hartinger

Zur Gitarre ist der Bass dazugekommen. Letzteren spielt Renat auch in einer vierköpfigen Band, die sich über die Musikschule gefunden hat. Über deren Namen ist man sich noch nicht schlüssig, geprobt wird aber mindestens ein Mal in der Woche. „Wir versuchen auch, selber Lieder zu machen.“ Im Mai nimmt die Band am Landeswettbewerb podium.jazz.pop.rock teil. Gespielt werden zwei Coverversionen – „Seek and Destroy“ von Metallica und „Iron Man“ von Black Sabbath – sowie ein eigener Song, erzählt der Jugendliche.

Leidenschaft Physik

Eine große Leidenschaft von Renat ist Physik. „Da lerne ich mehr und besser als in anderen Fächern“, sagt er. Das habe vielleicht auch damit zu tun, dass in der Familie einige Physik studiert hätten oder wissenschaftlich tätig waren, mutmaßt er. Im Februar hat der 16-Jährige am Vorarlberger Landeswettbewerb der heurigen Physikolympiade teilgenommen und den dritten Platz erreicht. Bei diesem Bewerb will er auch im nächsten Jahr wieder dabei sein und in der Platzierung noch weiter vorne liegen.

Begrüßung START-StipendiatInnen
Renat bei der bei der Begrüßungsfeier von Start. Start/Hofmeister

Seit Beginn des laufenden Schuljahres, also seit Herbst, ist Renat Start-Stipendiat (siehe Fact-Box). Er sieht darin zahlreiche Vorteile. „Unterschiedliche Kontakte mit anderen Menschen“, beginnt er seine Aufzählung. „Es gibt viele Kurse, Treffen und Seminare. Man kann viele Sachen lernen und auch die finanzielle Förderung ist ein Punkt.“ Insgesamt sei „Start eine gute Organisation, die Menschen hilft“, lobt er.

Start-Stipendium: Infos und Bewerbung

Seit 2009 werden im Rahmen eines Stipendienprogramms talentierte Schülerinnen und Schüler bis zu drei Jahre lang auf dem Weg zur Matura unterstützt. Sie erhalten einen Laptop und Drucker, 100 Euro monatliches Bildungsgeld für schulische Zwecke sowie Zugang zu Deutschkursen und Nachhilfeunterricht. Voraussetzungen für ein Stipendium sind Migrationshintergrund und der Wunsch der Jugendlichen, sich weiterzuentwickeln. Die Vorarlberger Initiative wurde vom Gründer-Ehepaar William und Elizabeth Dearstyne mit der Piz Buin Stiftung initiiert. Österreichweit ist Start in fünf Bundesländern vertreten. Derzeit werden 25 Jugendliche in
Vorarlberg gefördert. Unterstützt
werden sie von 15 regionalen Patinnen und Paten (Unternehmen, Privatpersonen, Land sowie Städte und Gemeinden). Bis 31. Mai sind wieder Bewerbungen möglich. Heuer können zehn Plätze vergeben werden.
Infos und Bewerbung unter www.start-stipendium.at

Geholfen wird von den Stipendiaten und Stipendiatinnen auch anderen. Stefanie Hanisch, die die Programmleitung von Start-Vorarlberg inne hat, erzählt, dass die Jugendlichen beim monatlichen Treffen von Alleinerziehenden im Kindercampus Höchst babysitten. Auch Renat war da schon dabei. Wie es ihm gefallen hat? „Sehr gut. Es braucht viele Geduld, weil es Kinder gibt, die sehr viel Energie haben“, so seine Erfahrungen. „Aber ich mag die Idee, dass ich jemandem helfen kann, indem ich mit Kindern spiele.“

Start-StipendiatInnen 2025, Start-Stipendium
Die derzeitigen Vorarlberger Start-Stipendiatinnen und -Stipendiaten.
Nina Bröll